Erstellt am: 2. 9. 2014 - 18:05 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 02-09-14.
The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
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Nach drei Gesangssekunden war mir klar, dass es passiert war. Schon das 7. Wort, das "ehrlich", war ein Schlag, aber das nachfolgende neuerliche "genau" hat mich dann besiegt. Und dann wurde "Auseinandergehen ist schwer", so heißt das Ding, auch noch zu einem bravourösen Ritt durch eine popmusikalische Gegend, in die sich sonst niemand traut. Und so entstand vor meinen Augen und Ohren der Bau einer Regal-Landschaft im Stil des bislang als Zombie verlachten Austro-Pop. Besser gesagt: im Stil der allerbesten, eklektisch zusammengefundenen Elemente dieser insgesamt natürlich zurecht versunkenen Spielart genuin österreichischer Popmusik.
Wanda versammeln die geviefte Arroganz von Falco, den in-yer-face-Wortwitz der EAV, die Sprachgenauigkeit eines Danzer, die Beziehungs-Melancholie a la Cornelius, den sarkastischen Touch des Andre Heller und vor allem die ungeschlagene Arrangement-Brillanz des mittleren W. Ambros und vor allem auch seine dort stattfindende Intonation und verbinden sie mit einer gut posierten, fröhlich-fordernden aber doch auch morbiden Bilderwelt, die sich deutlich vom platten DoRoismus jener Ära absetzt.
Denn natürlich ist die Austro-Pop-Version von Wanda heutig, sehr heutig sogar, referenziert nicht zuletzt stilistisch auf die Problembär-Kollegen Nino Mandl und Rafael Sas, und lässt auch einiges von dem was vorher (Beatles) und nachher (Calexico) passiert ist, zu.
Ich hab meinen Umfaller dann per Facebook-Posting eingestanden und die Wanda-Forschung wieder aufgenommen und bin dabei auch wieder auf Lächerliches gestoßen.
1) der mit kichernd anstoßgebendem Buben-Text (mit der Cousine schlafen, hihi) versehene Halb-Schlager Bologna. Hier der Mitschitt aus dem WUK, bei dem Konzert das ich - womöglich glücklicherweise - nicht gesehen habe
2) immer stärker zu Tage tretende Falco-Bezüge etwa in Downtown Cairo
... und die noch deutlicheren, und fast schon lachhaft kopistischen Ursprünge aus 2012 mit dieser unfreiwilligen Ganz-Wien-Parodie
Diesmal war's mir aber wurscht.
Eine Band, die sich so tief in die DNS der hiesigen Mentalität hineinbohrt und sich dabei nicht an die blinde Reaktion oder die eckenlose Belanglosigkeit verliert, eine Band, die sich so weit in die als unbetretbar verschrieene Fall-Out-Zone des alten Austro-Pop hineintraut und unversehrt entkommen ist, verdient Entgegenkommen. Und ein Wegwischen meiner ursprünglichen (und immer noch zutreffenden) Einwände.
Denn bei Wanda findet sich die aktuell wohl glaubwürdigste Version eine homo austriacus, eines Schlankerls, eines Strizzis, der unverkniffenen Version des Prototyps Strache, der sich in seinem wutblinden Freund/Feind-Schema verliert, einer Figur also, die so real, so heutig und in seiner Omnipräsenz so unvermeidbar ist, dass es keine wesentlichere gesellschaftspolitische Aufgabe gibt, als ihr einen anderen Prototypen entgegenzusetzen.
Und das ist/sind Wanda. Jemand, der glaubhaft versichert ein bissl zu einfach gestrickt zu sein, um allzu lange Erklärungen und Nebensätze zu verstehen, aber in seiner intuitiven Wahrnehmung dann doch Sätze raushaut, die treffen wie Keulenschläge. Ein Poetryslammer der Straße, ein Verknapper, das Gegenteil eines Ausschweifers. Irgendwie also auch das Gegenteil von mir, ein Könner dessen, was ich nicht kann, ein Schläger eines engen Bogens.
Schön kommt das raus, hier, wo Herr Wanda, der Sänger von Wanda, allein in seine Gitarre und ein Mikro singt, vor allem bei Luzia, dem zweiten Track hier.
Wanda hat also einen Auftrag, der weit über die Fähigkeit den Austropop aus seiner Zombie-Geiselhaft zu befreien hinausgeht, den Auftrag einen neuen Typus im öffentlichen Bild zu verankern, einen Typus, der auf den vielen wunderbaren Taugenichtsen der deutschsprachigen und vor allem österreichischen Geschichte basiert, auf hochlustigen und tieftraurigen Figuren wie dem lieben Augustin, dem Hutschenschleuderer Liliom, dem Jesus von Ottakring, dem Ambros von Heute gemma nach Wien, Hanno Pöschl in "Exit - Nur keine Panik" und anderen.
"Wenn ich Zwanzig bin", ein Cut auf dem Album von Wanda, "Amore" heißt es, etwas gar scheel auf den eingangs erwähnten Italo-Schlager blinzelnd, gestern war es in der Post, "Wenn ich Zwanzig bin" etwa schreit so verzweifelt gegen die Komplexität der Gegenwart an, dass es auf den ersten Blick wie ein populistisches Echo der Minderdenker-Lobby klingt.
Es will aber schlussendlich dann doch mehr, nämlich rauskommen aus dem tiefen Loch. Das ist, sowohl im übertragenen als auch im wortwörtlichen Sinn nicht nur die effektivste Zustandsbeschreibung von eigentlich allem (dem jugendlichen Leben, der österreichischen Musikszene, den drohenden postdemokratischen Zuständen...), sondern auch ein zutiefst omnipräsentes Gefühl.
Ein Zustand, der praktisch alle Bevölkerungs-Gruppen verbindet, egal, wie man sich politisch oder kulturell einordnet. Weshalb Wanda auch alle erreichen können in Österreich. Weshalb Wanda auch alle erreichen sollte in Österreich, wie es einst der Austropop in seiner Siebziger- und Achtziger-Hochblüte tat; und so gesellschaftsverändernd wirkte. auch, weil er half, eingefahrene Klischees neu zu betrachten.
Wanda haben diesen mehrheitsfähigen Charakter, musikalisch sowieso, weil sie altbekannte Assoziationen clever anklingen lassen, und vor allem sprachlich, weil sie sich da in eine volksdichterische Tradition einordnen können, wenn sie wollen.
Wenn Wanda binnen eines Jahr nicht die Mainstream-Pop-Darlings dieses Landes werden, dann läuft etwas ganz grundlegend falsch.