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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

31. 8. 2014 - 15:30

Flimmern

Anita Sarkeesian über "Women as Background Decoration", Earl Sweatshirt über Perpetuating Black Stereotypes, Morrissey über die Ramones und Colin Powell über Schlafstörungen und George W. Bush

Anita Sarkeesian ist eine feministische Medienkritikerin, die zur Darstellung von Frauen in Popkultur arbeitet. Ihr Fachgebiet ist die Repräsentation von Frauen in Computerspielen. 2009 startete sie den Blog Feminist Frequency. Im Rahmen der Reihe "The Tropes vs. Women" analysiert sie wie Frauen in Spielen dargestellt, misshandelt und/oder als sexualisierte Dekorationsobjekte verwendet werden.

Diese Woche erschien der zweite Teil von "Women as Background Decoration" und wie wichtig ihre Arbeit zu Sexismus und Popkultur ist zeigt sich leider auch daran, dass Anita Sarkeesian nach Erscheinen wieder eine Reihe von Morddrohung bekam und ihr Heim verlassen musste.

Apropos mutige Frauen und Mordrohungen: Die ägyptische Femen-Aktivistin Aliaa Magda Elmahdi postete letzte Woche auf Facebook ein Bild, auf dem sie und eine weitere Frau auf die IS-Flagge scheißen und menstruieren. Die im Pariser Exil lebende Femen-Gründerin Inna Schewtschenko verbreitete das Bild über ihren Twitter-Account weiter. Empörung über das Bild nannte sie im Angesicht der Verbrechen der IS „Heuchelei“.

Online Scharmützel gab es diese Woche auch zwischen meinem Helden Earl Sweatshirt von ODD Future und dem Regisseur Mark Romanek, der unter anderem Jay-Z's Video zum Song "99 Problems" gemacht hat. Seine neueste Kundin ist Taylor Swift, der er ein paar twerkende Girls zur Seite gestellt hat, als Hintergrund-Dekorationsobjekte. Mein Held, Earl Sweatshirt twitterte zu dem Video, dass er diese Ausbeutung afro-amerikanischer Kultur beleidigend findet. Earl Sweatshirt schreibt, dass es „in weiterer Konsequenz schädlich ist, wie in dem Video Stereotypen an die Zielgruppe weißer, weiblicher Teenager getragen werden, die ihre Vorurteile als Fantum tarnen.“

Earl fügt auch hinzu, dass er das Video nicht gesehen habe. Er wisse ohnehin, was los sei. Versteh ich auch, dass er es versteht, ohne es zu sehen. Ich habs nicht ganz durchgehalten.

An diesem Punkt setzte natürlich die Entgegnung von Mark Romanek an: Wenn Earl sich nicht die Mühe mache, das Ganze anzuschauen sei seine Kritik von vornherein disqualifiziert und außerdem sei es ein sehr unschuldiges, positives Video, eine Satire auf Musikvideoklischees. Eine „unschuldige, positive Satire“? Was soll das sein? Ist es ein diskursives Eigentor? Wieso ist es eine Satire, wenn man Klischees nicht bricht, sondern zum Millionsten mal wiederholt? 2:0 für Earl Sweatshirt!

Wer jetzt Lust auf schuldige, negative, smarte Satire bekommen hat, dem sei Loiter Squad, die Show, die Earl Sweatshirt mit Tyler the Creator und seinen ODD Future-Kumpels macht, wärmstens empfohlen.

Eine Empfehlung hat auch Morrissey diese Woche für uns abgegeben: Die Ramones. 1976 hat er noch einen Artikel geschrieben wie scheiße er sie findet.

Zeitungsartikel über die Ramones von Steve Morrissey

Morrissey

Knapp vierzig Jahre später sieht die Sache anders aus.

morrissey

Morrissey wird, laut der Fan-Seite True To You eine "Best Of Ramones"-Compilation zusammenstellen und hat ein Cover ausgesucht, das die konservativen Provokateure zum Haare-Raufen gebracht hätte. Vielleicht ist es eine subtile Form, seine Abneigung auszudrücken? Ich bin mir nicht sicher, ob mich das Nahverhältnis von Morrissey zu den Ramones wundert oder nicht. Das letzte Gründungsmitglied der Ramones, Tommy Ramone ist dieses Jahr verstorben. Damit kann die Nachlassbearbeitung beginnen. Martin Scorsese arbeitet an einer Doku über die Ramones, die übrigens zum Teil George W. Bush-Sympathisanten waren.

Was mich auch schon zu meinem Lieblingszitat der Woche bringt. Es stammt von Collin Powell, Bushs Außenminister zur Zeit des Irakkrieges, und ist nachzulesen in dem dieser Tage auf Deutsch erschienen Buch: Die Abwicklung. Eine Innere Geschichte des neuen Amerikavon George Packer (in Übersetzung von Gregor Hens.

Nachdem Bush meinte, er habe in der Nacht, in der der Irak-Krieg begonnen hat, geschlafen wie ein Baby, reagierte Powell mit folgenden Worten: "Ich schlafe auch wie ein Baby, alle zwei Stunden wache ich auf und habe einen Heulkrampf."

Gute Nacht Welt!