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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

31. 8. 2014 - 13:21

Computerspiele als Medienkunst

Games sind kommerzielle Produkte, aber sie sind auch kulturelle Artefakte und interaktives Design. Mit der richtigen Intervention haben sie auch großes Potenzial, Kunst zu werden.

Stephan Schwingeler war im Rahmen eines Vortrages bei SUBOTRON in Wien zu Gast.

Sind Computerspiele Kunst? Diese ermüdende Frage wird schon seit Jahren öffentlich verhandelt, und die Debatte darüber ist meist ebenso schwammig wie ergebnislos. "Nein", antwortet der Medienwissenschafter Stephan Schwingeler ganz klar auf die Frage, ob Computerspiele Kunst seien. Trägt das Medium des Computerspiels das Potenzial in sich, Kunstwerke hervorzubringen? - "Ja." Die Forschung dahinter ist natürlich nicht ganz so simpel wie diese Antworten. Doch digitale Spiele verdienen einen konstruktiven und wissenschaftlich stimmigen Diskurs über ihr künstlerisches Potenzial, und Schwingeler trägt viel dazu bei.

Buchcover "Kunstwerk Computerspiel - Digitale Spiele als künstlerisches Material" von Stefan Schwingeler

transcript Verlag

Ein recht grundlegender Denkfehler in der üblichen Kunstdebatte bei Computerspielen ist, dass man annimmt, es würde genügen, aus einer Industrie hervorgegangene, kommerzielle Produkte so, wie sie sind, zu belassen und sie einfach aus einem anderen Blickwinkel heraus zu betrachten. Obwohl es natürlich legitim und wichtig ist, Computerspiele und Teile von Computerspielen in ungewöhnlichen Kontexten zu präsentieren - zum Beispiel in Form von in Gallerien ausgestellten Bildschirmfotos oder speziell aufbereiteten Spieleverpackungen -, das Potenzial der Darstellung von Spielen als Kunst erschöpft sich dadurch nicht.

Ein zentraler Aspekt für Stephan Schwingeler, der kürzlich sein Buch "Kunstwerk Computerspiel – Digitale Spiele als künstlerisches Material" veröffentlicht hat, ist die künstlerische Heransgehensweise bzw. die künstlerische Intervention. Ein Spiel kann Kunst sein, wenn es bereits als künstlerisches Statement geschaffen wurde oder wenn ein kommerziell entwickeltes Spiel eine Transformation bzw. Modifikation des Künstlers oder der Künstlerin durchlaufen hat. Frühe Beispiele dafür sind etwa die von österreichischen Medienkünstlern entwickelten Mods "SynReal" (1999, Margarete Jahrmann) oder "ArsDoom" (1995, Orhan Kipcak).

Vorreiter ZKM Karlsruhe

ZKM Gameplay zieht derzeit um ins ZKM Museum für Neue Kunst und ist dort ab dem 12. September wieder zugänglich.

Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe hat das künstlerische Potenzial von digitalen Spielen früh erkannt. Bereits 1997 ist im ZKM die "Welt der Spiele" eröffnet worden, damals noch mit einem Fokus auf medienpädagogische Aspekte wie etwa der Gewaltdebatte, die die kommenden zehn Jahre über einen Großteil der öffentlichen Auseinandersetzungen zu Computer- und Videospielen beherrschen sollte. Stephan Schwingeler hat als neuer Kurator dieser Dauerausstellung 2013 einen kompletten Relaunch eingeleitet, mit einer grundlegend überarbeiteten Spieleauswahl und stärkerem Fokus auf künstlerische und kreative Aspekte des Computerspiels, abseits von computerhistorischen und technischen Fragen.

Ein dunkler, breiter Gang. Links und rechts große Projektionen von Videospielen.

ZKM

Fast alle Exponate beim neuen ZKM Gameplay sind spielbar und damit interaktiv. Das ist für Schwingeler zentral, denn ohne Achtnahme auf die Interaktivität, dem Kernelement von Computer- und Videospielen, seien diese "tot". Das ZKM war mit seiner Games-Ausstellung viele Jahre allein auf weiter Flur. Ebenso wie davor digitale, interaktive Medienkunst in den 80er und 90er Jahren, wurden auch Games in einem Kunstkontext von Kritiker/innen lange Zeit skeptisch beäugt - noch dazu, weil die Spiele bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich aus einer internationalen Industrie hervorgingen.

"Pac-Man" im MoMA

Seit 2012 adelt auch das hochgradig renommierte Museum of Modern Art in New York City das Computerspiel mit einigen ausgestellten Klassikern. Hier ist der TED-Talk dazu.

Dem MoMA geht es bei seiner Ausstellung aber mehr um Interaktions-Design und weniger um Kunst an sich, deshalb sind die Games auch im Bereich "architecture and design" untergebracht.

Wider das Auratische

Stefan Schwingeler vor der ZKM Gameplay-Ausstellung.

ZKM

Stephan Schwingeler

"Interaktivität hat in der (Medien)kunst bisher fast immer etwas Anrüchtiges gehabt, weil da das Auratische durchbrochen wird. Das Kunstwerk galt als das quasi heilige Ding, was man nicht anfassen darf, was man nur kontemplativ betrachtet, und wodurch man transzendente Erfahrungen bekommt - überspitzt formuliert", so Stephan Schwingeler im Gespräch mit FM4.

"Die Personen, die Künstlerinnen und Künstler, die sich mit Interaktion auseinandergesetzt haben, haben immer versucht, diese Kontemplation ganz bewusst zu durchbrechen. Interessanterweise haben die Pioniere der interaktiven Medien- und Computerkunst in den 80er und 90er Jahren immer versucht, sich von Computerspielen abzugrenzen. Heute sieht man bei Kunstwerken wie 'The Legible City' von Jeffrey Shaw, das in jedem Text zu interaktiver Medienkunst ganz prominent auftaucht, die Gemeinsamkeiten zu Computerspielen. Ohne Computerspiele wären solche Kunstwerke nicht denkbar."