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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

28. 8. 2014 - 12:01

Wowereit schmeißt hin!

Wie er bei der Berlinale-Party mit Tilda Swinton flirtete,... Es war einfach mal ein Politiker für den man sich nicht schämen musste.

Oje, kaum sind die Ferien und der Sommer vorbei und man muss sich irgendwie mit dem Berliner Herbst arrangieren oder anfreunden, da kommt die Nachricht: Klaus Wowereit, in Berlin auch liebevoll Wowi genannt, schmeißt hin! Nach 13 Jahren als Berliner Bürgermeister erklärte es seinen Rücktritt zum 11. Dezember. Eine Ära geht zu Ende.

Der 60jährige war vielleicht nicht so bedeutend wie einst Ernst Reuter oder Willi Brandt, aber er galt als hottest Berliner Bürgermeister ever – und er passte so gut zu Berlin.

Klaus Wowereit

APA/dpa

Wowereit auf deiner Rücktritts-PK

Eigentlich sind es zwei Sätze, die ihn berühmt gemacht haben und die im Gedächtnis bleiben werden.

Sein lässiges „Ich bin schwul und das ist auch gut so.“ hat mehr bewirkt als viele lange Reden und Absichtserklärungen zum Thema.

Sein berühmtes Bonmot „Berlin ist arm aber sexy“ stimmt zwar irgendwie, hängt uns in Berlin aber inzwischen aus Hals und Ohren raus.

Wir Berlinerinnen wissen ja, dass wir in der coolsten Stadt Deutschlands wohnen. Das „arm aber sexy“ konnte man auch als Retourkutsche verstehen, an die Berlin-Basher, an die Münchner und Hamburger, die sich beschwerten in Berlin wär' alles so runtergekommen und proletarisch und die Leute kleideten sich nicht so modisch, und man könne ja gar nicht so schick essen gehen, und und und.

Soziologisch betrachtet aber ist „arm aber sexy“ eine unsägliche Romantisierung von prekären Arbeits- und Lohnverhältnissen, das Erfinden einer Hippness, mit der Wowereit selbst nie etwas zu tun hatte, und die allgemeine Verbindung von schlecht bezahlter Kulturarbeit und Partykultur.

Anstatt sich wirklich mal um die Kulturschaffenden zu kümmern, um ihre unbezahlten Praktika und Abhängigkeiten und fehlenden Perspektiven, schmückte er sich mit ihnen, hofierte politisch aber eine bereits etablierte Mode- und Kulturindustrie. Wowereit war immer eher auf Universal-Empfängen und Modemessen zu Hause als im echten, armen sexy Berlin.

Die Sache mit dem Flughafen, die hat man ihm in großen Teilen der Bevölkerung übelgenommen. Die Eröffnung des Großflughafens wurde immer weiter verschoben, trotzdem wollte Wowereit immer neue Großprojekte: eine repräsentative Kunsthalle, eine Landesbibliothek, zum Schluss wollte er gar Olympia nach Berlin holen.

Als die Berliner per Volksentscheid der Bebauung des ehemaligen Flugfeldes Tempelhof eine Abfuhr erteilten, muss er wohl gemerkt haben, dass er sie nicht mehr so richtig versteht, seine Berlinerinnen.

Auch das Hauptproblem Berlins - keine bezahlbare Mieten - ist er nie richtig angegangen, obwohl er sich als erster Landeschef Deutschlands in eine rot-rote Regierung aus Linke und SPD getraut hat, die gar nicht mal so schlecht regierte.

Nach dem Flughafendebakel sank seine Beliebtheit in der Bevölkerung und zum Schluss haben ihn wohl die eigenen Parteikollegen rausgeekelt. Dabei zierte er einst das Cover der New York Times und war sogar mal als Kanzlerkandidat im Gespräch! Alles vorbei.

Ach, Mann. Er war so charmant und locker und hatte Glam... Wie er bei der Berlinale-Party mit Tilda Swinton flirtete,... es war einfach mal ein Politiker für den man sich nicht schämen musste.

Auch bei hochoffiziellen Terminen, etwa beim obligatorischen Gang durchs Brandenburger Tor mit dem amerikanischen Präsidenten, erschien er selbstverständlich mit seinem Lebensgefährten an der Seite, konnte aber am nächsten Tag bei Altersheim- Terminen auch gut mit den Seniorinnen schäkern. Seine Volksnähe wirkte nie aufgesetzt oder einstudiert, schließlich wuchs er mit vier Geschwistern, aber ohne Vater auf, seine Mutter arbeitete als Putzfrau. Nach heutigen Maßstäben würde man die Familie als „Unterschicht“ klassifizieren.

Ingrid Caven und Klaus Wowereit

dpa/Z1008 Jens Kalaene

Ingrid Caven und Klaus Wowereit bei den "Teddy Award"

Jetzt werden noch ein paar Witze über Wowis Abflug gemacht, und dann ist sie vorbei, die Ära Wowereit. Dass sich der Rücktritt wegen technischer Probleme verzögert, wie „Der Postillon“ spottet, ist nicht zu erwarten.

Derweil streitet man sich in der Berliner SPD schon um seinen Posten. Wenn man sich die Anwärter so anschaut - alles grau-beige Verwaltungsleute oder aalglatte Karrieristen – dann weiß man: Es wird nix besseres nachkommen. Wahrscheinlich wird man sich Wowereit bald zurück wünschen.

Denn er gehörte zu Berlin, er war ein Berlin- Maskottchen, wie der Eisbär Knut. Letzterer steht nun ausgestopft im Naturkunde Museum, wenigstens das wird Wowi erspart bleiben.