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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

27. 8. 2014 - 11:41

Eine "Transformer"-Drohne aus Oberösterreich

In Gmunden ist die Serienproduktion eines surrealen Senkrechtstarters angelaufen. Der "Aerie" verwandelt sich im Flug vom Helikopter in ein zweimotoriges Flugzeug.

In Gmunden (Oberösterreich) wird gerade die erste Serie einer völlig neuartigen Drohne ausgeliefert. Das Produkt der Start-up-Firma Aerie ist eine echte Transformerdrohne, die wie eine ganz normale Propellermaschine aussieht und auch fliegt. Für Start und Landung verwandelt sie sich jedoch in einen Helikopter, die Tragflächen werden dabei zu Rotorblättern, die um die Längsachse der Maschine rotieren.

Diese surreal anmutende Konstruktion eines Flugzeugs, das sozusagen mit den Flügeln schlägt, um abzuheben, war anfangs überhaupt nicht ernstgenommen worden. "Würde das funktionieren, dann hätten es die Amerikaner längst gebaut, war dabei die gängigste Reaktion" sagte Johannes Reiter, der Geschäftsführer von Aerie, zu ORF.at. "Die US-Militärs haben dieses Prinzip aber erst jetzt entdeckt und den Bau eines Prototyps in Auftrag gegeben und finanziert. Wir hingegen haben bereits ein fertiges, flugtaugliches Gerät und einen Entwicklungsvorsprung von fünf Jahren."

Im Rahmen des ARES-Programm der US-Militärs wird seit 2009 versucht, einen unbemannten Senkrechtstarter zu entwickeln. Das ursprünglich "Transformer" genannte Projekt ist bis jetzt nicht über die Entwurfsphase hinausgekommen, erst jetzt werden die ersten Prototypen gebaut

Die erste Serie Aerie

Die ersten Entwürfe für den Aerie stammen nämlich bereits aus dem Jahr 2009. Mit einem kleinen Kreis von jungen Technikern aber auch altgedienten Professionals aus der Luftfahrtbranche wurde das Projekt so weit entwickelt, dass 2011 eine Firma gegründet werden konnte. Davor hatte Johannes Reiter an der FH Joanneum in Graz Flugzeugbau studiert, dann für den europäischen Marktführer Eurocopter im Konstruktіonsbereich gearbeitet und anschließend in einem österreichischen Unternehmen Dieselmotoren für Flugzeuge entwickelt.

Bei der ersten Serie, die nun ausgeliefert wird, handelt es sich um die kleinste Version mit elektrischem Antrieb, die nur zwei Kilo wiegt. Das nächste Größenformat mit bis zu 30 Kilogramm Gesamtgewicht und einer Spannweite von fünf Metern wird bereits von Verbrennungsmotoren angetrieben und ebenfalls bereits in Serie produziert und ausgeliefert.

Aerie CEO Reiter

Aerie

Reiter mit der 30-Kilo-Version, die fünf Kilo Nutzlast befördern kann. Über die dabei verwendeten Materialien und die Motorisierung übt er sich in nachhaltigem Schweigen

Original und "Nachempfindung"

Wie die derzeit größte Variante mit 200 Kilo Gesamtgewicht, die in Konstruktion ist, können diese größeren Transformerdrohnen mehr als 24 Stunden in der Luft bleiben. Das kleinste Modell mit Elektroantrieb ist mit einer Stunde Flugzeit ebenfalls länger "airborne" unterwegs als die gängigen Oktokopterdrohnen und hat dabei auch wesentlich bessere Flugeigenschaften als solche windanfälligen Schönwetterflieger.

Der vor einem Monat vorgestellte kleine Prototyp, den die US-Firma Dzyne Technologies mit einer Anstoßfinanzierung der militärischen Forschungsabteilung DARPA produziert hat, gleicht den kleinsten Aerie-Drohnen bis ins Detail. Beim Start steht die Maschine ebenfalls senkrecht auf dem Heckleitwerk, die Tragflächen werden so verdreht, dass sie von den beiden Propellern zum Rotieren um die Längsachse gebracht werden. Die Drohne hebt damit senkrecht ab bis eine Mindesthöhe erreicht ist, sodann wird aus dem Helikopter wieder ein ganz normaler zweimotoriger Flieger. Die Tragflächen werden dabei in ihre Normalstellung gebracht.

aerie drohne

aerie

In Startposition

Schubkraft und Eigengewicht

"Wir nützen damit nacheinander die Vorteile des jeweiligen Konstruktionsprinzips" erklärt Reiter, "Bei einem Tragflächenflugzeug wird bis zum Abheben mindestens ebensoviel Schubkraft benötigt, wie das Eigengewicht des Fliegers beträgt. Wegen des großen Durchmessers ihrer Rotoren brauchen Helikopter hingegen nur etwa 70 Prozent des Eigengewichts an Schub zum Abheben zu leisten, im Fachjargon heißt das ein "Thrust-Weight"-Verhältnis von 0,7. Da wir zum Abheben die Tragflächen des Aerie benützen, konnte das Verhältnis von Schub zu Eigengewicht auf einen Faktor von 0,3 gedrückt werden. Damit kommen nach unserem Permafly-Prinzip konstruierte Maschinen mit wesentlich leichteren Motoren aus, im anschließenden Horizontalflug nützen wir dann alle Vorteile eines Tragflächenfliegers."

Aerie beim Start

Aerie

Kleinste Version in der Startphase

"Extreme Endurance"

Im Horizontalflug sind Flugzeuge Helikoptern aerodynamisch absolut überlegen. Luftwiderstand und Verwirbelungen durch die vertikalen Rotoren bremsen die Vorwärtsbewegung, zudem ist beim herkömmlichen Heli-Prinzip mit Heckrotor ein Getriebe nötig. Das ist bei weitem das schwerste Einzelelement des Fluggeräts, denn ein Getriebe bringt etwa das dreifache Gewicht des jeweiligen Motors auf die Waage.

Zudem muss der Hubschrauber ständig "hovern", um überhaupt in der Luft bleiben, während der Auftrieb durch die Tragflächen ein Flugzeug gleiten lässt. "Durch die Kombination all dieser Faktoren zusammen fliegen wir in der 'Very high Endurance'-Klasse" sagt Reiter nicht ohne Stolz, In dieser Kategorie von mehr als 24 Stunden mit einer Tankfüllung gibt es insgesamt nur sehr wenige unbemannte Flieger und gar keine, die senkrecht starten und landen können."

Aerie Startposition

Aerie

Das Transformerprojekt der DARPA

Seit mehr als einem Jahrzehnt sind die US-Streitkräfte auf der Suche nach einer Drohne, die senkrecht starten und landen kann. Alle bisherigen Versuche auf Basis eines reinen Helikopterkonzepts endeten unbefriedigend, denn alle Geräte waren so schwer, dass sie wie der zu einer Drohne umgebaute Kleinhubschrauber "Firescout" nicht lange in der Luft bleiben können. Große Helikopter wie der Apache oder der K-Max, von denen einige zu Selbstfliegern umgerüstet wurden, erwiesen sich von der dafür benötigten Bedienungsmannschaft bis hin zur Wartung als extrem aufwendig.

Die 2011 gegründete Firma Aerie produziert in erster Linie den sogenannten "Airframe" also das reine Fluggerät. Je nach Anforderungen wird es dann mit HD- oder Infrarotkameras, Sensoren zur Luftanalyse und anderen Messgeräten bestückt.

Weil sich dieser Weg letztlich als Sackgasse erwies, hatte die Forschungsabteilung der US-Militärs Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) bereits 2009 das Projekt "Transformer" gestartet. Die ursprüngliche Idee dabei war eine Art Jeep mit Rotorblättern, davon übrig blieb 2013 ein Konzept einer fliegende Plattform für alle möglichen Nutzlasten mit schwenkbaren Mantelpropellern, die ersten Prototypen sind erst jetzt im Bau.

Mantelpropeller

"Ich bezweifle sehr, dass sich diese Bauweise je durchsetzen wird," sagte Reiter dazu, "Diese Konstruktion mit Mantelpropellern ist viel zu schwer. Das zum Abheben nötige Schub-Gewicht-Verhältnis muss in diesem Fall mindestens 1,2:1 betragen. Je stärker aber die für das Abheben nötige Motorleistung ist, desto mehr Sprit muss auch mitgeführt werden, um ausreichend lange 'airborne' bleiben zu können", meint Reiter, "diese grundlegenden Parameter gelten natürlich auch für Antriebe mit Mantelpropeller."

ARES, Flugobjekt-Studie von DARPA, Forschungsabteilung des US Militärs

DARPA

Diese Antriebsform wird zwar in den allermeisten "Turbofan"-Triebwerken von größeren Passagierflugzeugen eingesetzt, als Standardantrieb dienen Mantelpropeller ansonsten jedoch nur bei Tragflügelbooten oder Luftschiffen, in denen die Gasfüllung für den nötigen Auftrieb sorgt.

Bereits 1966 wurde erstmals versucht, Mantelpropeller für Senkrechtstarter einzusetzen. Von der Bell X-22 wurden nur zwei Stück produziert, 1988 wurden alle Versuche mit seinem solchen Konzept eingestellt.[[4681519:side]]

Die Ebene der Patente

Die bei der DARPA zur Förderung eingereichte Transformerdrohne sei leicht als Aerie-Plagiat erkennen, sagte Reiter, "Wir hingegen verfügen auch in den USA über alle grundlegenden Patente auf diese Technologie". Man habe diese Firma natürlich angeschrieben und nachgefragt, ob sie eine Lizenz dafür erwerben möchte, aber bis jetzt noch keine Antwort darauf erhalten, sagt Reiter.

"Wir wissen nur, dass es eine kleine Firma etwa in unseren Dimensionen mit zwanzig Mitarbeitern ist. Nach unseren Informationen war Dzyne Technologies bis jetzt auch nicht im Flugzeugbau aktiv sondern in Datenverarbeitung. Wir können uns dabei auf unѕere Münchener Anwaltskanzlei verlassen, die auf Patente im Luftfahrbereich spezialisiert ist." Neben diesen Patentanwälten, die unter anderen auch die Firma Airbus vertreten, hat das Aerie-Projekt noch eine Reihe von Unterstützern aus der Luftfahrtbranche. "Einer unserer Berater und Unterstützer, den ich auch nennen darf, ist Dr. Christoph Baubin, der ehemalige Generaldirektor der Behörde zur Luftaumüberwachung Austrocontrol", sagt Reiter abschließend.

Aerie Dimensionen

Aerie

Die ersten beiden dieser vier Drohnentypen sind bereits "airworthy". Rechts unten die Version mit 200 Kilo, 70 davon sind Nutzlast.

Personelle Verschränkungen

Über Dzyne Technologies ist nur sehr wenig an Information im Netz, das Unternehmen wurde erst im Dezember 2012 von Managern und Technikern aus dem militärischen Teil der Luftfahrtbranche gegründet. Laut seinem LinkedIn-Profil war der CEO der Firma, Darrell Gillette, davor in leitender Funktion als Techniker für den Rüstungskonzern Raytheon tätig, auch die meisten anderen Mitarbeiter kommen aus dem militärischen Umfeld. Dzyne-Präsident Ward Page war davor 13 Jahre lang in der Geschäftsführung der Firma SET Corporation, die nach eigenen Angaben für die Sektoren Verteidigung, Homeland Security und Geheimdienste technische Dienstleistungen in den Bereichen Datamining und Überwachung anbietet.

Das Konzept der Drohne in einem Fachmagazin und die die durchaus noch ausbaubare Webpräsenz von Dzyne Technology

Diese Firma war 2002 von ehemaligen DARPA-Angestellten gegründet worden. Der Umstand, dass Dzyne-Präsident Ward selbst fünf Jahre als Programm-Manager bei der DARPA tätig war, wird der kürzlich erfolgte Finanzierung des aktuellen Drohnenprojekts durch die DARPA nicht eben abträglich gewesen sein.