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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

28. 8. 2014 - 17:10

"Wir verlangen vom Leben, dass es uns gehört"

Aufbruch, Trost, Euphorie: Das selbstbetitelte Debütalbum der Band Trümmer

Philipp L'Heritier hat "Wo ist die Euphorie" von Trümmer im Juli zu einem Song zum Sonntag gekürt.

Sicherheit über alles. Straßen werden geräumt, Netzwerke überwacht, Wohngegenden aufgewertet. Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten und wer sich für eine ordentliche Karriere, einen normalen Job, einen Bausparvertrag und eine Haushaltsversicherung entscheidet und dabei nicht zu viel herumtrödelt, der wird mit einer Sozialversicherung belohnt, mit einem gesicherten Mietvertrag und, vielleicht, einer Pension am Lebensabend. In einer Welt, in der besonders seit dem elften September der gläserne Mensch der Vorgaukelung von Sicherheit dient, in der Demonstrationen von überlegener Polizeigewalt niedergeschlagen, umfassende Schutzzonnen eingerichtet und jeder vom normierten Lebensweg eingeschlagene Pfad mit dem Entzug der sozialen Absicherung bestraft werden, hat sich die Hamburger Band Trümmer dennoch gegen das „Sag alles Ab“ entschieden. Trümmer, das ist das, was von einem destruktiven Akt übrigbleibt, es ist aber auch das, woraus und worauf Neues und, vielleicht, Besseres entstehen kann.

Trümmer

PIAS/Euphorie

Tammo Kasper, Paul Pötsch, Max Fenski

Eine rein politisch-aufrührerische Band sind Trümmer dennoch nicht, denn die Probleme, die sie ansprechen oder auch nur mitdenken, sind vielschichtigerer Natur, und in jedem Kaputtschlagen steckt auch eine persönliche Verantwortung, die Veränderung der Umstände selbst in die Hand zu nehmen. „Wir verlangen vom Leben, dass es uns gehört“, singt Paul Pötsch in „Morgensonne“, dem wunderbaren Liebeslied am Ende des selbstbetitelten Trümmer-Debüts, das die Aufbruchsstimmung schon im Titel trägt und die Liebe als einzig wahre Kunst über alles stellt. Man möchte ja eben auch doch „jung sein“ und Spaß haben und sich nicht immer nur um Gegenwart und die Zukunft Sorgen machen müssen: „Ich will gute Zeiten, schlechte hab ich genug.“

Trümmer Albumcover

PIAS/Euphorie

"Trümmer" von Trümmer ist am 22.08.2014 via PIAS/Euphorie erschienen.

Dementsprechend ist auch der Song "Revolte" zarte Popnummer statt drei-akkordigem Punksong. Was wurde eigentlich aus der Revolte und was erwarten wir uns von ihr? Ihr Ausgang ist offen, vielleicht sogar ihre genauen Ziele, aber irgendwo muss man ja anfangen, die Verhältnisse zu hinterfragen: „Was richtig und was falsch ist, sags mir, ich muss es wissen. Ich jage unentwegt nach neuen Geheimnissen.“

Die Rettung des deutschen Diskursrock der Marke Hamburger Schule, wie im Vorfeld vereinzelt über sie behauptet wurde, wollen Trümmer überhaupt nicht sein, wenn sie die Schraube des Protests in Richtung Aufbruch, Trost und alles verheißendem Pop weiterdrehen. „Trümmer“, das Album, ist eine Platte, die sich ganz realen Utopien und alternativen Ideen widmet, wie wir leben wollen könnten: Das Nimmerland kann auch deine Stadt sein, lass uns gemeinsam danach suchen. "Wir werden niemals alt, nein, wir bleiben so für immer." Es ist ein Versprechen - das beste, das Popmusik zu geben imstande ist.