Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Gefälschte Käselizenzen und gesprengter Staudamm"

Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

26. 8. 2014 - 17:30

Gefälschte Käselizenzen und gesprengter Staudamm

„Night Moves“, ein melancholischer Nicht-Thriller der US-amerikanischen Autorin und Regisseurin Kelly Reichardt.

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Es ist Herbst, Spätherbst. Die Bäume tragen keine Blätter mehr, die Sonne steht tief. Josh und Dena schlendern über eine Staumauer. „Nicht einmal Fischdurchlässe haben sie eingebaut,“ sagt Dena und kratzt sich am Hals.

Josh auf der Staumauer

Stadtkino Filmverleih

Die beiden steigen in einen - Öko hin oder her - überdimensionierten Pick-up. Dann kaufen sie einem Rentner ein Motorboot ab, hängen es an ihr Fahrzeug und fahren zu ihrem Bekannten Harmon. Das Terror-Trio ist komplett, aber der Plan zur Sprengung des Staudamms noch holprig: Es fehlen 500 Kilogramm Ammoniumnitrat, den hätte Harmon besorgen sollen und als sie am nächsten Tag mit der inzwischen organisierten Sprengladung im Boot an den Stausee kommen, sind dort noch Ausflügler, Familien mit Kindern und gesprächsfreudige Camper.

die drei Protagonisten von Night Moves im Motorboot

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„Night Moves“ ist, nach „Meek´s Cutoff“, „Wendy and Lucy“ und „Old Joy“ der vierte Film, den Kelly Reichardt in Oregon dreht und wieder sind Natur und Landschaft starke visuelle und emotionale Elemente des Films, sie entwickeln im Zusammenspiel mit der reduziert repetitiven Musik von Jeff Grace eine melancholische Intensität. Lange Zeit kann man nicht sicher sein, ob die Sprengung gelingen wird. Als sie gelingt, hört man sie nur kurz und dumpf aus dem Off. Kelly Reichardt ist keine Inszenatorin elementarer Detonationen.

Sie bleibt bei den drei Fanatikern, die die Sache zu verantworten und die Konsequenzen zu tragen haben. Ein äußerst unterschiedliches Dreigespann, von dem wir nur das Allernötigste erfahren. Wir begleiten sie wenige Tage auf ihrem Weg und dann ist der Film vorbei. Reichardt entzieht sich jeglicher Aussage, der allgemein gültigen genauso wie der persönlichen.

Dena und Josh nachts im Auto

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Da ist Harmon (Peter Sarsgaard), eine Art Rädelsführer und der Älteste in der Runde. Er hat die Durchführung der Mission immer nur so circa im Griff, dafür ein umso größeres Ego. Ihm geht es mehr um das Radikale an und für sich als um ein ökologisches Statement. Josh (Jesse Eisenberg) lebt und arbeitet auf einer Ökofarm, er spricht kaum, lacht nie und fühlt sich permanent verfolgt. Das wenige, das man von ihm erfährt, lernt man nur über die spärliche Kommunikation mit anderen kennen.

Und dann ist Dena (Dakota Fanning), eine naive junge Frau, die scheinbar das Geld für die ganze Aktion zur Verfügung stellt (kurz ist von einem „rich daddy“ die Rede) und tatsächlich daran glaubt, damit etwas Gutes zu tun. Dabei erweist sie sich den allergrößten Bärendienst. Es ist beeindruckend, wie unauffällig auffällig sie sich ständig am Körper kratzt.

Überhaupt ist die unauffällige Auffälligkeit ein Markenzeichen des Films. Die Kamera wechselt zwischen Beobachtungs- und Überwachungsperspektive, sie zeigt Josh, der in einem Glashaus Kürbisse sortiert und bei jedem Auto, das vor dem Hof hält, besorgt nach draußen schaut. Danach vermutet man selbst in den von oben gefilmten Kohlköpfen ein Komplott gegen den stolpernd zum Terroristen gewordenen Ökofarm-Mitarbeiter.

Einem anderen Mann auf der Farm wird seine – ohnehin gefälschte - Käselizenz entzogen. Es ist nur ein minimaler Nebenschauplatz, ein kleines Gespräch auf der Terrasse (auf der eine Frau mit einem Aura-Detektor zugange ist). Doch genau anhand solch kleiner Szenen und Kommentare hinterfragt der Film das Wesen von Radikalismus und dessen durchlässiger Grenze zum Aktivismus.

„Night Moves“ hat keine Botschaft, ist meilenweit entfernt von Empört-euch! und Sprengt-in-die -Luft! oder Macht-eine-Revolution!, es ist ein rufzeichenfreier Film über unterschiedliche Facetten von Öko-Fanatismus.