Erstellt am: 24. 8. 2014 - 16:58 Uhr
Ein schlichter Plan
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Morgen werden wir besser werden. Diesmal aber wirklich. Es kann so einfach sein. Regeln machen, sich kasteien, sich selbst durch schiere Willenskraft aus dem Sumpf ziehen. Das tiefe Tal der Tränen durchqueren und den Triumph finden. "It takes a lot of effort / To hold on to all your rules / It can take years to find movement" singt Nancy Whang in "A Simple Design", der aktuellen Single von The Juan MacLean. Ein Song über die selbstauferlegte Lähmung, die Schockstarre, die Trägheit und den Versuch, wieder in die Gänge zu kommen.
Nach "A Place Called Space" ist "A Simple Design" der zweite Vorbote auf das im September erscheinende, dritte reguläre Album von The Juan MacLean; musikalischer Direktor und namensstiftender Strippenzieher wird auf der Platte zwar klarerweise wieder der New Yorker Produzent und Musiker John MacLean sein, nach jahrelanger und wiederholter Zusammenarbeit und de facto Quasi-Mitgliedschaft scheint die vor allem aus dem LCD Soundsystem bekannte Whang nun endlich, zu Recht und glücklicherweise offiziell und amtlich verbriefte Partnerin in dem Projekt zu sein.
The Juan MacLean
Die Magie von The Juan MacLean, die bislang zwischen allerlei okayen Durchschnittsarbeiten immer nur punktuell, z.B. in dem Klassiker "Happy House" oder dem Song "One Day", funkeln durfte, erwächst aus dem Zusammenspiel und der Konfrontation der beiden: MacLean entwirft, um nicht zu sagen "designt", kalt pulsierende Tracks, die auf minimalen, rohen Chicago House und leicht angeglamten 80er-Synthie-Wave wie beispielsweise von The Human League, Gary Numans Tubeway Army oder den frühen Depeche Mode zurückgreift.
Diese meist wie aus dem Gefrierfach gezogenen Stücke lockert MacLean da und dort durch ein euphorisches, fast schon klischeehaft munteres House-Piano oder Kraftwerk-artige Kinderliedmelodien auf. Darüber liegt die ungerührte, stoische Stimme von Nancy Whang: Unterkühlt, entrückt, desillusioniert.
So gelingt The Juan Maclean immer wieder die Vertonung der Ekstase und der Melancholie der Disco, ein tanzbarer Kommentar zur Interaktion von Maschine, Technologie, Mensch und Emotion. "A Simple Design" ist wieder so ein Stück elektronische Tristesse, wie mechanisch laufende Gefühlsregung, konterkariert durch "Lalalala"-Gesänge, die der Verzweiflung im Text entgegenarbeiten, die Hoffnung und die Erleichterung dürfen blitzeln.
Die Idee und das Wort "Design" scheinen es MacLean gehörig angetan zu haben: Schon im Song "One Day" war er "dejected", also betrübt oder entmutigt, "by my own design", in "A Simple Design" wird es nicht besser: "Time after time, when what you're hoping to find / Is not a SIMPLE DESIGN, but a headache / and everything you've built comes falling down" heißt es im Refrain.
Wir machen Pläne, schmieden Vorsätze, ein ungünstig gestimmter Gott haut alles kaputt bzw. die Welt um uns herum hat plötzlich ganz andere Einfälle. Die Tatsache, dass alles fällt, kann jedoch Gutes verheißen. Take it easy, altes Haus. Vielleicht doch auch mal locker durch den Tag schlendern und schauen, welch tolles Obst einem so zufällig in den Schoß plumpst. "And everything you need falls to you" wiederholt Nancy Whang gegen Ende. Sich einfach mal gehen lassen und den Kosmos mit der Gestaltung der Lebensarchitektur beauftragen.