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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

21. 8. 2014 - 18:07

Nachts im Museum

Einmal im Museum übernachten? Oder wie wäre es mit einem Bad in einem "Psychotank", in dem man schwerelos dahinschwimmt, als würde man durch den Weltraum herum gondeln? In der Ausstellung „Leben“ von Carsten Höller in der TBA21 Augarten ist das möglich.

Carsten Höller "Leben"
TBA 21 Augarten

Die Ausstellung ist noch bis 23. November zu sehen.

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Ich habe einen Bikini an und treibe seit knapp einer Stunde bewegungslos in einer riesigen, weißen, mit warmen Salzwasser gefüllten Plastikbox dahin. Es riecht etwas komisch, es ist totenstill. Und ich treibe herum, mit geschlossenen Augen. Ich befinde mich im Inneren eines Kunstwerks, in einem sogenannten "Psychotank" des Künstlers Casten Höller!

Eine Art Swimming Pool, der wie es der Name schon sagt, einen ganz besonderen Effekt auf die Wahrnehmung haben soll. Eine tiefe Entspannung soll sich breit machen, als würde man schwerelos durch den Weltraum gondeln. Menschen mit einem Hang zum Hippietum haben dieses Ding bereits in den 1970er Jahren erfunden, um menschlichen Wesen zu zeigen, wie man sich wohl Anno Dazumal in Mamas Mutterbauch gefühlt hat. Eine interessante Ur-Erfahrung, hier und jetzt, im Namen der Kunst!

High_Psycho_Tank

Photo: Attilio Maranzano

Psychotank

Photo: Jens Ziehe Sketch: Carsten Höller

Der Psychotank des Künstlers Carsten Höller sorgt für maximale Entspannung.

Der Künstler und Naturwissenschaftler Carsten Höller erklärt solch einen Tank zum Kunstobjekt. Für seine Ausstellung in der TBA21 im Wiener Augarten hat er dieses milchweiße Plastikkonstrukt auf Metallstelzen gestellt. Über eine Wendeltreppe gelangt man hinein. Die Besucher der Ausstellung sind eingeladen darin zu baden so lange sie wollen. TBA21-Mitarbeiter Karim Crippa verrät mir im Interview, dass manche Besucher gar vier Stunden darin verweilen und völlig wegdriften.

"Man kann sich das so vorstellen wie im toten Meer. Anfangs spürt man jeden Muskel seines Körpers, jede noch so kleine Verletzung brennt durch das warme Salzwasser. Auch ich habe es ausprobiert. Und irgendwann verliert man völlig den Bezug zur Realität und kann sich nicht mehr bewegen."

Und nicht nur das: Man darf im Museum nicht nur plantschen, sondern auch übernachten. Ganz alleine, ohne Kameras, ohne Aufseher. Schlafen darf man in einem "Aufzugbett", das man selber per Kopfdruck 3,5 Meter in die Höhe fahren kann. Total abgefahren.

Carsten Höllers Aufzugbett

Attilio Maranzano

Für heute Nacht mein Schlafgemach!

Bett, Rutsche und Schwimmbecken als Kunstobjekt

Der Künstler Carsten Höller

John Scarisbrick

Der Künstler Carsten Höller

Carsten Höller hat in der TBA21 ein experimentelles Kunstlabor angelegt. Seit den 1980er Jahren arbeitet der studierte Agrarwissenschaftler an seiner humorvollen Verbindung von Philosophie, Naturwissenschaft, Soziologie und Kunst. Seine Arbeiten sollen zur Interaktion einladen, im Besucher Emotionen wecken.

2006 hat Carsten Höller in die riesige Halle der Tate Gallery of Modern Art in London ein gigantische Rutsche hineingebaut. Da durfte man wie ein kleines Kind runter rutschen, so oft man wollte. Die Arbeit hat mich damals schwer begeistert, denn wer baut schon Rutschen in ein Museum? Aber ich musste damals lange anstehen für dieses Vergnügen. Und in diesem Jahr hat in Weil am Rhein sein "Vitra Rutschturm" eröffnet. Eine 30,7 Meter hohe Outdoor-Rutsche. Ein Traum.

Nun darf man in Wien in den heiligen Hallen der Kunst ein Nickerchen machen. 2010 hat der Künstler dieses Bett für seine Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin gebaut. Dort sind überall lebendige Renntiere durch die "Ausstellung" gelaufen. Durch das ausfahrbare Hochbett konnte man sich in Sicherheit wiegen und die Wildtiere von oben beobachten. In der TBA21 im Wiener Augarten gibt es keine Renntiere, dafür soll man sich selber inmitten der sterilen Hallen erspüren.

Ein Bad im Psychotank, eine Nacht im Aufzugbett, dazu zwitschern einem zwei Gimpelpaare in zwei riesigen Käfigen ein Gute-Nacht-Lied. Diesen Finken wird für die gesamte Ausstellungsdauer bis Ende November immer wieder das selbe Lied vorgespielt. Angeblich haben diese Vögel die Fähigkeit, Lieder von Vogelgeneration zu Vogelgeneration weiterzugeben. Dieses Lied sollen sie erlernen und dann nie wieder vergessen und nach der Ausstellung auf ewig weiterzwitschern. Forscher haben entdeckt, dass manche Lieder schon über 200 Jahre lang innerhalb einer Gimpelfamilie weitergegeben worden sind. Interessant.

Falls du Lust bekommen hast, in der TBA21 zu übernachten und zu baden: Auf der Website der TBA21 können Normalsterbliche eine Nacht im Museum buchen.

Bis 23. November ist das möglich. Den musealen Naturtrip inklusive Übernachtung gibt es ab 390 Euro.

Achtung: Wer über die Facebookseite der TBA21 bucht, kann das Schnäppchen um 120 Euro ergattern.

Bullfinch_Scale

Attilio Maranzano

Vor der Nachtruhe soll man sich übrigens noch mit einer gemeinsam vom Künstler und einer Wiener Apotheke entwickelten "trauminduzierenden Kräuterzahnpasta" die Zähne putzen. Man darf zwischen den Geschmacksrichtungen "männlich", "weiblich" und "kindlich" wählen, dementsprechende Traumbilder hat man dann. Kollegin Conny Lee hat sich die "männliche" Paste ausgesucht und berichtet nach der Nacht von einem ritterlichen Ninja-Schwertkampf.

Frisch gebadet und die Zähne geputzt blickt man vom ausgefahrenen Aufzugbett durch eine Glasfront an der Decke hinaus in den Wiener Augarten. Falls die Zahnpasta und das stundenlange schwimmen im Psychotank die totale halluzinogene Wirkung entfalten, darf man natürlich danach zur Erholung im Augarten noch etwas frische Luft schnappen. Oder seinen Namen tanzen. Hippie-Feeling garantiert!