Erstellt am: 24. 8. 2014 - 08:53 Uhr
Vermögen zu Erben
„Das einigende Element der Gesellschaft ist nicht die Familie oder der Clan, sondern das Individuum“ – und daraus kann man die politische Notwendigkeit nach einer Besteuerung von (großen) Erbschaften ableiten.
Liberale für 100% Erbschaftsteuer
Nein, das ist nicht die Position der SPÖ Sektion 8 oder von Christian Felber, obiges Zitat stammt vom englischen Liberalen John Stuart Mill aus dem 19. Jahrhundert. Damals, und noch viele Jahrzehnte später, waren vor allem angelsächsische Liberale gegen die steuerliche Unantastbarkeit von Erbfällen. Man glaubte an den freien Markt und das moderne Konzept des Privateigentums, eine Perpetuierung von Startvorteilen über Generationen lehnten die damaligen liberalen Ökonomen ab. Darin sah man ein Überbleibsel des Feudalismus: vormoderne Strukturen durch Geburtsrecht.
Fallweise forderten manche liberalen Denker gar Erbschaftsteuern von 100 Prozent, denn Erbe war in dieser Sichtweise „unverdientes Vermögen“.
To tax the idle rich
In der Zwischenkriegszeit der 30er Jahre, also während des sogenannten „New Deal“ unter dem US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, betrug etwa der Erbschaftsteuer-Spitzensatz in den Vereinigten Staaten bis zu 75 Prozent, ab einem Freibetrag von 5 Millionen Dollar. Erst George W. Bush wollte, zu Beginn seiner Amtszeit, die US-Erbschaftsteuer ganz abschaffen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen – so gibt es in den Vereinigten Staaten, aber auch in Deutschland oder anderen EU-Staaten, nach wie vor Erbschaftsteuern. Selbst Winston Churchill sprach einst von „to tax the idle rich“.
Und auch in Deutschland, wo die "vermögende Einheit" traditionell stärker als Familie verstanden wird, gab es liberale Ökonomen, die das korrektive Potenzial von Erbschaftsteuern begrüßten - etwa die Freiburger Schule und Alexander Rüstow.
Interessant ist dabei zweierlei:
Erstens, dass die eingenommene Perspektive dieser durch und durch liberalen Überlegungen prinzipiell jene des Erben war, nicht des Erblassers. (Der ja in der aktuellen, heimischen Debatte perspektivisch strapaziert wird, um „die Ungeheuerlichkeit einer Doppelbesteuerung“ zu dramatisieren).
Und zweitens, dass die Gleichen, die hier aus Gründen von Wettbewerb und Chancengleichheit - also allesamt keine sozialistischen Argumente - für Erbschaftsteuern ins Feld zogen, andererseits vehement gegen eine Substanzsteuer, wie die momentan wieder diskutierten Vermögenssteuern, waren. Ideengeschichtlich lässt sich diese Trennlinie am eben Skizzierten festmachen: Während eine Steuer auf Vermögenssubstanz, auch mit Freibetrag, tatsächlich für das Individuum als eine weitere Besteuerung von bereits versteuertem Vermögen verstanden werden kann, trifft die Erbschaftssteuer eben nur die Transaktion von Vermögen.
Da Erbfälle allerdings noch ungleicher als Finanzvermögen verteilt sind, ergibt sich aus einer steuerfreien Transaktion über Generationen natürlich die Perpetuierung dieser ungleichen Startvoraussetzung - im Prinzip gegen das marktliberale Credo von „jeder ist seines Glückes Schmied“.
Und noch einen Vorteil hat eine Steuer auf Erbe anstatt einer auf Vermögenssubstanz: Da etwa im US-Modell sowohl Erblasser wie auch Erbe ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen müssten um die Steuer zu umgehen, ist es wesentlich schwieriger, hier Steuervermeidung zu begehen. Denn gerade dies ist ja der große Bauchweh-Trigger bei den verschiedensten Modellen von Vermögenssteuern, wie sie etwa die SPÖ fordert: Wenn man, wie angekündigt, Betriebsvermögen ausnehmen will (und das ist sinnvoll, wie österreichische Erfahrungen zeigen) und Freibeträge hoch ansetzt, besteht die Gefahr, dass am Ende der Ertrag so einer Steuer kaum der Rede wert ist, weil sich die tatsächlich großen Vermögen ohnehin nicht greifen lassen. Also, befürchtet etwa die ÖVP, werden am Ende wieder Herr und Frau Häuslbauer zum Handkuss kommen, um sich nicht die Blöße zu geben, so eine Vermögensteuer wieder wegen Erfolgslosigkeit abschaffen zu müssen.
2008 abgeschafft
Abgeschafft wurde die Erbschaftsteuer in Österreich am 1. August 2008. Jener Finanzminister, der 1994 die Vermögensteuer in Österreich abschaffte, ist übrigens, wie man hört, nach wie vor gegen deren Wiedereinführung, könnte sich ein Revival von Erbschaftsteuern aber vorstellen.
Und heute?
TV-Hinweis
Die ORF Sommergespräche gehen am Montag, 25. August, in ihre dritte Runde. Zu Gast ist Eva Glawischnigg von den Grünen.
Wenn man, wie etwa in den bisherigen ORF Sommergesprächen, mit den Chefs von NEOS und Team Stronach, österreichischen Politikern zuhört, könnte man zum Schluss kommen, Vermögens- und Erbschaftsteuern wären untrennbare Zwillinge. Und zwar sowohl bei den Befürwortern (Gerechtigkeit muss sein, Vermögen müssen stärker belastet werden) wie auch bei den Gegnern (gegen neue Steuern, der Staat nimmt genug ein, wir haben ein Ausgabenproblem).
Möglicherweise wäre es den Menschen leichter zu erklären, dass es ungerecht ist, wenn leistungsfreies Erben steuerfrei ist, während auf harte Arbeit 50% fällig werden, als bestehende (und bereits versteuerte) Substanz zu beschneiden.
Und möglicherweise sollten wir diese beiden grundverschiedenen Ansätze auch endlich getrennt voneinander besprechen.