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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

19. 8. 2014 - 16:57

Enjoy The Science

Ein Depeche-Mode-Tributealbum voller Chipmusik. Inklusive Beiträgen der österreichischen Artists Herbert Weixelbaum und dem Game Boy Music Club.

Es gab in den letzten Jahren bereits Chiptunes-Coveralben zu Kraftwerk, den Beatles, Devo, Weezer und sogar zwei zu Daft Punk. Nun hat auch Depeche Mode einige 8-Bit-Mäntelchen umgehängt bekommen.



Kompiliert hat das jüngste 8-Bit-Tributealbum ein weiteres Mal der britische Elektronikmusiker Jeremy Kolosine, der bereits in den frühen 1980ern flirrenden Elektro-Wave gemacht hat (klingt z.B. so) und sich seit gut zehn Jahren unter den Namen Receptors und 8-Bit Operators schwerpunktmäßig mit Chipmusik beschäftigt - sowohl als Musiker als auch als Kurator.

Jeremy Kolosine alias Receptors performed auf einem Game Boy.

Nullsleep

Jeremy Kolosine alias Receptors

Kolosine ist Jahrgang 1960, quasi gleich alt wie Wolfgang Kopper, ehemaliger Musiker und Gründer des Wiener Chipmusik-Kollektivs Game Boy Music Club (GBMC), der nun schon seit stolzen 13 Jahren besteht. So jung die aktiven Mitglieder der internationalen Chipmusik-Gemeinschaft meist sind, so wichtig sind auch ihre pionierhaften Vaterfiguren, die schon vor über 30 Jahren bemerkt haben, dass sich Pop bestimmt nicht an Gitarre, Bass und Schlagzeug erschöpfen wird. Zusätzlich dazu birgt 8-Bit-Musik immer diesen schönen Widerspruch in sich, gleichzeitig rückwärtsgewandt und avantgardistisch zu sein.

Chipped in Austria

Das aktuelle GBMC-Album "Das Tor geht nicht zu, weil der Wind so weht" ist 2012 bei laridae erschienen und frei zum Download.

Irene Grabherr und Michael Suszynski sind bereits von Anfang an beim GBMC dabei und gehören weiterhin zu den aktivsten Mitgliedern. Sie haben gemeinsam "Dreaming Of Me" aufgenommen, ein Depeche-Mode-Stück aus dem Jahr 1981. Eingesungen wurde bequem im Klo der gemeinsamen Altbauwohnung - da war dank der unfreiwillig schiefen Wände die Akustik einfach am besten. Ansonsten ist das Cover langsamer und reduzierter als das Original ausgefallen, ohne überhöhte Professionalität beim Produzieren, dafür mit einer menschlichen Brechung des oft allzu perfekt piepsenden Game-Boy-Sounds. "Wir gehen mit einer Wiener Wurschtigkeit an die Sache heran", meint Suszynski dazu, und betont, dass das Gemeinschaftsgefühl und das Werken und Musizieren im Kollektiv beim GBMC seit jeher im Vordergrund gestanden ist und weniger die technische und musikalische Raffinesse.

Genau dieser Perfektionismus hat aber Herbert Weixelbaum angetrieben, seines Zeichens ehemaliges Game-Boy-Music-Club-Mitglied und später Teil der mittlerweile wieder aufgelösten Abspaltung dot.matrix. Weixelbaum hat sich mittlerweile weitgehend von der Musik zurückgezogen, für das Depeche-Mode-Coveralbum und "Enjoy The Silence" aber "die Game Boys nach langer Zeit wieder mal eingeschaltet", wie er per E-Mail verraten hat.

Weiterchippen

"Enjoy The Science" kann man als Download oder Audio-CD kaufen.

Nachdem die Chipmusik- und Bitpop-Szene rund ums Jahr 2010 kurz etwas ins Stocken geraten ist, hat sich die 8-Bit-Community in den letzten Jahren mit neuen und neu erstarkten Netlabels, speziellen Podcasts bzw. DJ-Mix-Shows und Retro-Computerspielsoundtracks wieder zu einem Höhenflug aufgerappelt. Ein paar Beispiele davon kann man im Artikel "Chip mal wieder" auf Seite 4 der famosen, frisch gegründeten Indie-Games-Zeitung "Independence Amazing" nachlesen, die nun auch online frei verfügbar ist.