Erstellt am: 18. 8. 2014 - 18:31 Uhr
AutorInnen vs. Amazon
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Diese Woche veröffentlichten über tausend deutsche Autorinnen und Autoren einen Protestbrief gegen Amazon. Mit dabei auch die österreichische Krimiautorin Eva Rossmann: "Dass Amazon versucht, Preise zu drücken, das weiß man schon seit langem. Aber dass sie jetzt versuchen, uns, die Schreibenden, in Geiselhaft zu nehmen, das ist neu und das können wir uns nicht gefallen lassen."
APA/EPA/UWE ZUCCHI
Amazon hat nämlich die Lieferung von Büchern bestimmter Verlage verlangsamt oder lässt nicht mehr vorbestellen, um die Preise zu drücken. In den USA ist das die Verlagsgruppe Hachette, in Deutschland Bonnier, zu der unter anderem die Verlage Piper, Ullstein und Carlsen gehören. Letzte Woche haben schon 900 amerikanische AutorInnen - darunter Steven King, Jonathan Lethem, Paul Auster und Siri Hustvedt - einen Brief gegen Amazon veröffentlicht.
Vertriebsweg ins Ausland
Nadine Kegele hat letztes Jahr den Publikumspreis beim Bachmannwettlesen gewonnen. Demnächst erscheint ihr Roman "Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause"
Österreichische Verlage sind im Gegensatz zu Hachette kleine Fische im Literaturteich. Aber auch für österreichische AutorInnen ist Amazon ein wichtiger Weg, um auf ausländischen Märkten präsent zu sein: "Ich existiere ohne Amazon fast nicht auf dem deutschen Buchmarkt", erzählt Nadine Kegele, deren Bücher bei einem kleinen österreichischen Verlag erscheinen. Denn, meint Nadine Kegele, Menschen suchen im Internet fast nur über Amazon nach Büchern. Somit ist die Seite sogar so etwas wie das Geburtenregister für Bücher. "Amazon gilt für manche Menschen sogar fast als Beweis, dass es ein Buch wirklich gibt!"
Aber auch wenn Amazon als Vertriebsweg vor allem ins Ausland fast unumgänglich ist, gibt es immer mehr Kritik an der Vorgehensweisen des Internet-Händlers. Letztes Jahr wurden die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren bekannt, was viele KonsumentInnen dazu brachte, ihr Online-Einkaufsverhalten zu überdenken. Jetzt wird auch noch öffentlich, wie der Handelsriese mit seinen Handelspartnern, den Verlagen umgeht.
Cornelia Travnicek war mehrmalige FM4 Wortlaut-Finalistin. Gerade wird ihr Roman "Chucks" verfilmt.
Die österreichische Autorin Cornelia Travnicek hat den offenen Brief gegen Amazon unterschrieben. Sie sagt: "Es geht hier nicht darum, gegen einen Vertriebsweg, also den Onlinehandel an und für sich, aufzutreten. Sondern es geht gegen eine Monopolstellung, die dafür ausgenutzt wird, Konditionen von Verlagen zu erpressen." Denn alle Buchhändler versuchen von den Verlagen Rabatte zu bekommen – je größer der Buchhändler desto größer die Rabatte, und desto kleiner die Gewinnspanne für Verlage und AutorInnen.
Wer das kauft, kaufte auch
Eva Rossmanns neuster Krimi "Alles Rot" erscheint morgen - für sie kein Grund den Brief gegen Amazon nicht zu unterzeichnen.
Unter anderem heißt es in diesem Brief, Amazon hätte die Empfehlungen manipuliert. "Das ist doch auch den Käufern gegenüber extrem unfair", sagt Krimiautorin Eva Rossmann, die den offenen Brief auch unterzeichnet hat. "Denn Amazon wirbt ja damit, dass sie einen offene Plattform sind und dass alle, die etwas kaufen, Dinge weiterempfehlen können. Das stimmt alles nicht und wird manipuliert, einfach weil sie billigere Preise wollen!"
Ein starker Vorwurf für Rüdiger Wischenbart, Experte für den deutschen Buchmarkt. Denn Amazon lebt von der Glaubwürdigkeit dieser Empfehlungen, und dass sie - ähnlich wie Facebook - die Plattform einer Community sind. "Wenn sich dieser Vorwurf erhärtet, dass da dran herumgefummelt wurde, das könnte auch rechtliche Konsequenzen haben. Ich selbst habe da aber noch keinerlei Beweis gesehen, dass das wirklich so ist.“
Mehr als Rabatte
Amazon hat am deutschen Buchmarkt einen Anteil von etwa 18 Prozent und ist damit der größte Player. Bei dem Streit um höhere Rabatte geht es aber nicht nur darum, diese Vormachtstellung für Amazon abzusichern, sagt Rüdiger Wischenbart: "Es geht um die Frage: Behalten wir dieses Kleinteilige, die unabhängigen Buchhandlungen und Verlage? Oder gibt es da einen radikalen Bruch und das ganze Feld wird neu sortiert. Und wenn da ein Teil rauskippt wegen geringerer Wirtschaftlichkeit, bei Verlagen wie bei Buchhandlungen, dann ist das halt dieser digitale Wechsel. So wie das Greißlersterben im Lebensmittelhandel vor 25 Jahren."
Amazon, so Wischenbart, will bei den Büchern eigentlich alles selbst in die Hand nehmen, von Inhalt über Produktion bis Vertrieb. Damit bräuchte man alle Strukturen dazwischen, die Verlage und den Handel, nicht mehr.
Symptomatisch für diesen Umbruch ist das E-Book, das ganz neue Möglichkeiten bietet. Ein Stein des Anstoßes im Streit mit Hachette war ja, dass Amazon eine Art E-Book-Flatrate einführen wollte, die ähnlich wie Film- oder Musikstreaming funktionieren sollte. Mit solchen Angeboten wird Lesen, auch das Kaufen oder Besitzen von Büchern gänzlich neu definiert, sagt Rüdiger Wischenbart. Damit ist für ihn eine Bruchstelle im Buchhandel erreicht, der ja über Jahre hinweg so getan hat, als würde ihn der digitale Umbruch nichts angehen: „Man hat gesagt, das sei ja ganz etwas anderes, die Bücher könne man ja riechen oder in der Badewanne sei der E-Reader nicht so praktisch.“
Und jetzt zeige sich eben, dass diese Digitalisierung auch das Lesen erfasse, ob das nun von Amazon oder von andern vorangetrieben werden, sei eigentlich egal. „Hier muss man sich realistischerweise eingestehen: Es gibt keinen Grund, warum der Bereich Buch oder Lesen aus diesem Digitalen ausgespart werden soll.“