Erstellt am: 16. 8. 2014 - 12:35 Uhr
Jubiläen im August
Nach drei Wochen Landurlaub ist es immer wieder schön, mit dem Auto in Berlin anzukommen und durch die halbe Stadt ins heimatliche Kreuzberg einzufahren. Von der Autobahn auf den Berliner Ring, vorbei am alten Kontrollpunkt drei Linden, wo neben der Leitplanke auf der Mittelinsel der zierlich- bronzene Berliner Bär zur Begrüßung seine Tatzen hebt. Dann auf die Avus, vorbei am Funkturm auf die Stadtautobahn bis Tempelhof, entlang des leeren, riesigen Flugfelds und schließlich folgt man der U1, der Hochbahn, die auf den alten Stahlstelzen bis ins hintere Kreuzberg führt.
Dienstag nachts um halb 1 ist der Touri-Hotspot Kottbusser Tor relativ menschenleer, beim Vorbeifahren sieht man in den verglasten Bars nur noch wenige Gäste, auf der Straße ein paar Radfahrer, Fußgänger, Menschen mit Rollkoffern... eher beschaulich, aber auf dem Land wurden ja wochentags bereits um 21 Uhr die Rollläden runtergelassen und die Bürgersteige hochgeklappt. Jetzt also wieder Berlin, sagt sich die müde Wanderin, und in den nächsten Tagen wird rauszufinden sein: Was hat man verpasst, was ist los in nächster Zeit? Erste Recherchen ergaben: Der Berliner August war und ist voll von Jubiläen!
http://de.wikipedia.org/wiki/Berghain#mediaviewer/Datei:Berghain.jpg
Mit dem jüngsten Jubiläum „10 Jahre Berghain“ kann hier so mancher am wenigsten anfangen. Der Hype um den angeblich in aller Welt bekannten und laut New York Times (2009) besten Club der Welt geht vielen BerlinerInnen auf die Nerven. Und die Dauerberichterstattung über das Jubiläum, über die Ausstellung zum Jubiläum und über die zeitgleich erschienene Autobiographie des angeblich berühmtesten (Berghain) Türstehers der Welt erzeugt einen leichten Berghain- Überdruss.
Die ewigen Sex-und-Drugs-und-Entgrenzungsgeschichten aus dem ehemaligen Heizkraftwerk mag eigentlich auch keiner mehr hören, und irgendwie passt das bemühte Exclusivitäts- und Undergroundgehabe des Clubs schon lange nicht mehr so richtig zu den offenen Armen, mit denen man die etablierten Kulturinstitutionen dort empfängt, wenn sie - total verrückt! - in den heiligen Techno-Sex-Hallen ihre Tanztheater und Opern aufführen wollen. All das natürlich bei gleichzeitiger Wahrung einer strengen Türpolitik und mit Prügelstrafe verbundenem Fotografierverbot an den Clubabenden.
Das zweite Clubjubiläum im August feiert man in Kreuzberg. Das S0 36, einst nach der alten Postleitzahl Kreuzbergs SO ( Süd -Ost ) 36 benannt, von den Einheimischen liebevoll Esso genannt, wird 36! Weil es ein Wunder ist, das der alte Punkschuppen so lange überlebt hat, feiert man zwei Wochen lang. Beim Konzert der Berliner „Terrorgruppe“ vor der berühmten Gittertür musste die Oranienstraße gesperrt werden, und Augenzeugen sind nach diesem Abend der Ansicht, dass die Punkkultur, zumindest in Kreuzberg, niemals sterben wird.
SO36
Unwesentlich jünger, nämlich 31 Jahre alt, wird die Ufa Fabrik dieser Tage, sie steht weniger für Punk als für die Berliner Alternativkultur. Als das Gelände der UFA-Film Kopierwerke im Süden Berlins 1979 vom Abriss bedroht war, wurde dort ein europaweit einzigartiges Lebens- und Arbeitsprojekt, ein Modell für kulturelle, innovative, soziale und ökologische Lebensformen samt Kinderbauernhof, Biobäckerei, UFA Circus, Workshops, Freier Schule und Fahrradwerkstatt ins Leben gerufen.
die-berliner-mauer-de
Die Mauer: kaum jemand weiß noch, wo sie wie verlief...
Die berühmteste Berlinerin wäre am 13. August 53 Jahre alt geworden.Wäre sie nicht am 9. November 1989 zu Fall gekommen. Am 13. August jährt sich der Mauerbau, die Mauer selbst ist allerdings schon längst aus dem Stadtbild verschwunden. Selbst wer schon in den Achtzigern in Kreuzberg, in nächster Nähe zu ihr gelebt hat, weiß heute nicht mehr, wo sie genau verlief. Zum 53. Jahrestag des Mauerbaus wurden wie jedes Jahr Kränze zum Gedenken an die Mauertoten niedergelegt. Weil viele Berliner mit dem Datum gar nichts mehr anfangen können, hat der Berliner Tagesspiegel über 100 Fotos zum Mauerverlauf gesammelt und auf seiner Webseite verlinkt. Das große Mauerjubiläum, 25 Jahre Mauerfall, wird am 9. November 2014 gefeiert.
So manche August-Jubiläen ließen die Berliner dieses Jahr aber relativ kalt: 90 Jahre S-Bahn- Who cares?