Erstellt am: 15. 8. 2014 - 01:58 Uhr
Rocken, Rauchen.
Die sehr guten, delikaten Acts hat man wieder einmal hauptsächlich in der kleinen Halle namens "Weekender Stage" versteckt. Hier kann man dann doch immer wieder die feinen Bands entdecken, die nicht hauptsächlich als Bespaßungsmaschinen funktionieren müssen.
FM4 Frequency 2014
Bilder, Reviews, Videos: Das war das FM4 Frequency 2014 - Ein handlicher Überblick über das Geschehen
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So eine Band wie Arthur Beatrice, die dort am Donnerstagnachmittag gegen 16 Uhr auftritt und die solch drögen Attributen wie "bezaubernd" und "zauberhaft" ausnahmsweise einmal und im nur besten Sinne gerecht wird, gehört da aber auch hin, in die Halle, ins Dunkle, ins Intime.
Patrick Wally / FM4
Wenn die Bühne dann immer wieder mit wärmenden Rottönen ausgeleuchtet wird, kann man sich mit ein wenig Anstrengung auch den mit schwerem Samt ausgekleideten Nachtclub ausmalen, ein Nachtclub in dem nur stilvolles Unterhaltungsprogramm dargebracht wird, für den Arthur Beatrice ihre filigrane, weich fließende Popmusik ersonnen haben dürften.
Dieses Jahr hat das englische Quartett ein sehr gutes Debütalbum namens "Working Out" veröffentlicht, das natürlich wieder einmal viel zu unbekannt ist. Arthur Beatrice weben da einen gar feinstofflichen Sound aus Art-Pop, geschmeidigem Soul und Zeitlupendisco für den ersten Kuss beim Schulschikurs-Tanzabend. The xx minus Elektronik, die Wild Beasts mit Frauen- und Männerstimme, Sade und Rhye im allerdünnsten Seidenmantel.
Arthur Beatrice können diese Musik auch schon recht zwingend und mitreißend auf die Bühne stellen, wenngleich derlei Musik in erste Linie natürlich an anderen Dingen interessiert ist: Einlullen, am Herzen rühren, der Zärtlichkeit eine Hymne singen. Diese Band wird am Ende des Wochenendes sicherlich eine der besten gewesen sein, die zu erleben gewesen ist. Nicht im Sinne von Feierlaune und Autodrom, sondern von: Idee, Gefühl, schönen Liedern, Kunst. Die paar Leute, es sind, der Vollständigkeit halber, nicht gar so viele, die dem Konzert von Arthur Beatrice beiwohnen, scheinen zu fühlen.
Patrick Wally / FM4
An dieser Stelle sei noch ausdrückliche der Song "Grand Union" empfohlen, den Arthur Beatrice in der Live-Darbietung etwas derber, mit leisem Funk und höflichem Nachdruck geben. Ein Song des Jahres, eine Band, die man sich merken soll.
Eine weitere Erkenntnis, am Rande, gewinnt abermals neues Feuer: Oft ist es der Stimmungstemperatur im Raum nicht sonderlich zuträglich, den guten Menschen am Mischpult die Musikauswahl vor, zwischen und nach Konzerten in die Hand zu geben: Während Arthur Beatrice mit ihrer dünnhäutigen Puppenstubenmusik ein wenig verzagt noch einen kurzen Soundcheck absolvieren, wird die Weekender Stage mit einer Nummer von Eminem, und zwar mit keiner der nachdenklichen "Balladen", und danach mit Nu Metal, vermutlich Korn, bespielt. Und das nicht in der Lautstärke von begleitender Umgebungsmusik. Die feinfühlige Begrüßung einer lieben Band geht anders.
Später ist in der Weekender Stage die großartige Brody Dalle zu sehen: Sicherlich nicht unbedingt feingliedrig, jedoch mehr als sinnvoll aus den Instrumenten geknüppelte Rockmusik, mit vierzig Einfällen, Hooks und Melodien, eine Euphorie-Explosion an der Kreuzung von Punk, polterndem Blues-Rock und den nur guten Außenposten von Grunge. Da und dort gibt’s durch den Krachfilter geschobenen Dreampop.
Patrick Wally / FM4
Patrick Wally / FM4
Zudem ist Brody Dalle eine Frontfrau von höchster Elektrizität. Attitude, ja, Energy und Gefahr. So läuft der Rock’n’Roll. Man muss sicher nicht in irgendeiner ollen Nostalgie graben, dennoch: Kennt jemand noch die Gruppen L7 und Babes in Toyland? Man darf und soll sich gerne an sie erinnern oder neu kennenlernen, man soll aber auch Brody Dalle hören. So sind Lederjacke und schnelle Stiefel nicht bloß hohle Symbole, sondern ein Leben.
Auf der Hauptbühne gibt’s derweil Ausschussware: Jimmy Eat World, einst eine ziemlich gute Band, als "Emo" noch kein Schimpfwort war. Immer noch ziemlich gut, soundtechnisch eben müde geworden, den Paycheck abholen für die schönen Dingen, die man einmal getan hat. Man kann es ihnen nicht übelnehmen. Über die Band Imagine Dragons ist hier letztes Jahr schon geschrieben worden: Imagine Dragons sind nicht besser geworden.
Patrick Wally / FM4
Pathos wird hier nur als Selbstzweck vorgegaukelt. Man ahnt es schon: Es werden wieder herumstehende Trommeln beklopft und der Schmerz, der das Leben so notwendig selbstmitleidig betankt, wird richtig durchfühlt. Es ist klar, dass man so eine Musik brauchen muss, in den verwirrenden, prägenden Jahren, in denen man versucht, halbwegs ein Mensch zu werden. Später wird man zurückblicken und sagen: Ja, auch ich habe einmal, früher, ganz früher, die leerste Musik der Welt gehört und sie als Läuterung und Mission verstanden.
Es folgt der Band gewordene Penis-Witz Blink-182: Hier werden die komplementären Facetten, die infantilen, haha, lustigen, des Teenager-Daseins bespielt: Party, was muss bei der Masturbation beachtet werden?
Ungleich Besseres, wenngleich nebenbei Abgespultes passiert auf der Green Stage: In der modernen Sprachwissenschaft wird das Verhältnis zwischen den beiden Wörtern "Snoop Dogg" und "Bemühen" als Beispiel zur Erklärung des Begriffs "Antagonie" geführt. Snoop Dogg ist zum FM4 Frequency mit seinem Alter Ego "Snoop Lion" angereist. Er darf ja mittlerweile auch schon alles machen, der Gute. Auch halbgare Reggae-Projekte, die die Schläfrigkeit nicht einmal neu definieren, sondern gerade mal so schemenhaft andeuten.
Franz Reiterer / FM4
Tipp:
Mehr Bilder von den Auftritten gibt es hier: Von James Hersey bis Qotsa
Gerüchten zufolge konnte Snoop Dogg noch im letzten Moment davon überzeugt werden, doch nicht zu müde (in Worten: zu müde) zu sein, um den Weg auf die Bühne zu schaffen. Die Idee "Snoop Lion" nimmt er dann bei seinem Auftritt entsprechend nicht genau. Lieber Compton als Kingston.
Es gibt also einen wilden Querschnitt aus dem Werk des Snoop Dogg zu hören, aus allen Epochen, Shout Outs an Tupac und Biggie in Songform ("2 of Amerikaz Most Wanted" und "Hypnotize"), "The Next Episode", "Drop It Like It's Hot", "What's My Name?", den Gastbeitrag aus 50 Cents "P.I.M.P.", Kate Perrys "California Gurls" und einiges mehr.
Franz Reiterer / FM4
Es funkelt, es kocht. Zwischenzeitlich verkommt die ganze Angelegenheit ein bisschen zur Karaoke-Partyhits-Show, beispielsweise wenn Snoop "Jump Around" von House of Pain oder "I Love Rock'n'Roll" von Joan Jett zum Besten gibt. Aber, hey, then again, why not? Manchmal ist es mehr als okay, schlicht ein gottgleicher Superstar im blauen Adidas-Tracksuit zu sein, dem in jeder Sekunde in Zeitlupe dicker Qualm aus dem Mund fließt. Man ist so einer ja nicht bloß durch Beihilfe von Luft und Liebe geworden.
Patrick Wally / FM4
Der Headliner auf der Main Stage am Donnerstag, ein geiles Schlachtschiff, DER Headliner des vielleicht gesamten Wochenendes, ist eine Band, die man sich als Headliner für so ein Wochenende nur sehr gerne einreden lassen möchte: Eine große, große Rock’n’Roll-Band, eine der besten der Gegenwart, eine Band, die die Party rockt, (auf dem Papier) Menschen zieht und dabei nicht stumpf agiert. Außer manchmal mit voller Absicht.
Es ist die Band des Ehemanns von Brody Dalle. Die Queens of the Stone Age. Eine Band, die ohne Frage komplett Rock’n’Roll IST, die Maschen, Modes und Codes von Rock’n’Roll oft aber eben bloß auch wissend und doppelbödig darstellt und gerne auch augenzwinkernd - nie zu "trashig" - bespiegelt und bricht.
Dass sich diese Band "Queens" und eben nicht "Kings" genannt hat, ist ausdrücklich ein klitzekleines, jetzt nicht sonderlich super weitgedachtes Spielchen mit Queerness. Frontmann Josh Homme ist natürlich auch eine Sexkanönin, mit Gold in den Hüften. Wie die Queens of the Stone Age immer wieder einen lasziven Funk, Ideen von Disco und Glam, freilich dargeboten mit den Mitteln einer kernigen und kerligen Gitarrenband, als Duftnoten unbemerkt in ihre Rockmusik schummeln, gibt Grund zu hoher Euphorie.
Patrick Wally / Radio FM4
Leider locken die Queens of the Stone Age nicht gar so viele Leute wie man sich das erwartet hätte. Es ist bitter. Sind sie bei Jan Delay vor der Green Stage? Die Band selbst kann da wenig dafür- sie hat sogar einen Song im Gepäck, dessen Text ein einziges Register von Rauschmitteln ist. Selbst wenn man gar nicht mehr an die Rockmusik hat glauben wollen, die Queens of the Stone Age können die Bekehrung bringen. Dennoch: Zerknirschung, Ernüchterung - wenn nicht einmal mehr diese Band genügt? Es müssen wohl immer die Hosen sein.
Patrick Wally / FM4