Erstellt am: 15. 8. 2014 - 16:47 Uhr
Abseits des Einheitsbreis
Seit ein paar Jahren ist die Gamescom in Köln jener Ort, an dem Sony und Microsoft ähnlich pompöse Pressekonferenzen abliefern wie sonst nur in den USA. Die internationale Fachpresse kann es sich nicht mehr leisten, nicht hier zu sein, zumal viele Games in Köln erstmals angekündigt werden.
Die Gamescom 2014 auf fm4.ORF.at:
Trotz obszön großer Bühnen, viel zu lauter Musikeinspielungen und stur vom Teleprompter abgelesener Präsentationstexte werden dabei die üblichen Schieß-, Fahr- und Schnetzelspiele teils ebenso lebendig präsentiert wie kleinere, abseitigere Titel mit ungewöhnlichen Ideen. Abseits der Diskussion, was diese Indiegames überhaupt sind und ob man als kleiner, unabhängiger Spieleentwickler den Begriff lieber nicht mehr benutzen sollte (die Gründe dafür liegen mitunter über zwei Jahre in der Vergangenheit), ist das eine positive Entwicklung. Hier eine rein subjektive Auswahl der besten Xbox- und Playstation-Neuankündigungen (sowie ein paar Wiederankündigungen) der Gamescom 2014 (bei Nintendo gab es nur Deutschlandpremieren).
"Wild" (PS4)
Die ungezähmte Wildnis ist immer faszinierend - unzählige Fantasy-Rollenspiele können ein Lied davon singen. "Wild" sticht durch eine einladende Welt hervor, die nicht von allzu bösen Viechern und Charakterklassen sondern der puren Lust an der Entdeckung durchsetzt ist. Anscheinend geht es um Urvölker, die im Einklang mit den Tieren leben und der Rückkehr des Riesenmenschen. Erinnert ein bisschen an "Shadow of the Colossus", und da der inoffizielle Nachfolger "The Last Guardian" ja vielleicht nie erscheinen wird, bietet "Wild" möglicherweise guten Ersatz.
"Ghost of a Tale" (Xbox One, Windows)
Anstatt den ewigen, allzu epischen Fantasy-Kampf Mensch gegen Monster ein weiters Mal auszufechten, wird es mal wieder Zeit, sich mit Details im Dungeon zu beschäftigen. Etwa, was die vielen Mäuse und anderen kleineren Tiere dort so machen. "Ghost of a Tale" versetzt uns in die Rolle eines tapferen Mäusekämpfers, der (oder die?) Rattenritter beseitigen und aggressive Krabben fern halten muss. Der Name ist nicht eingängig, die Protagonisten dieses Spiels sind es definitiv.
"Murasaki Baby" (PS Vita)
Obwohl nach der Pressekonferenz viel Enttäuschung zu vernehmen war, dass Playstation in Köln dieses Jahr die tragbare PS Vita quasi nicht erwähnt hat, hat "Murasaki Baby" einen frischen Trailer bekommen. Angekündigt wurde das Game schon vor einer Weile, nun dürfte die Veröffentlichung aber knapp bevorstehen. Das Spiel präsentiert sich in einer ungewöhnlichen Mischung aus Kawaii-Niedlichkeit und surreal-grotesken Zeichnungen, die - Alpträume machen es möglich - viel wabern und zittern. Ob das Gameplay interessant genug ist um uns länger an der Vita zu fesseln, lässt sich schwer sagen. Die Entwickler dürften jedenfalls ganz gut Gebrauch von dem Gerät machen.
"The Tomorrow Children" (PS4)
Der für mich mit Abstand beste Trailer der Gamescom 2014 rekrutiert Playmobil-Figuren in die Rote Armee, lässt eine unbekannte Menschheit in einer Paralleldimension um den Sinn des Lebens graben, und bringt antike Low-Poly-Overlords wieder an die Oberfläche. Was man in "The Tomorrow Children" dann wirklich tun, ob es sich zu sehr an "Minecraft"-Mechaniken anbiedern oder doch auch eine famose Geschichte erzählen wird, stellt sich hoffentlich schon in den nächsten Monaten heraus, wenn mehr Infos zu diesem Titel durchsickern.
"Below" (Xbox One)
Das verhalten inszenierte, sehr erwachsen wirkende Action-Adventure der kanadischen Spielezauberer Capy Games ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Die austauschbare Spielfigur ist immer - in einer Totalen - klein dargestellt und ohne besondere Fähigkeiten ausgestattet. Auf opulente Intros, Zwischensequenzen und plakative Anweisungen, Hinweise oder Text-Dialoge wird gänzlich verzichtet. Die Umgebung ist ebenso schön wie unwirsch, ein Treffer eines noch so kleinen Monsters bringt unsere Figur zum Bluten und führt zum Ableben, wenn man nichts dagegen unternimmt, wie Capy-Designer Nathan Vella im FM4-Interview auf der Gamescom erzählt. Wann "Below" erscheinen wird, steht noch nicht fest, irgendwann 2015 wird es aber soweit sein.
"The Vanishing of Ethan Carter" (PS4)
Gelungene Gespenstergeschichten gibt es im Gegensatz zu den ewigen Zombie-Apokalypsen in Computerspielen ja viel zu selten. Was uns spielerisch erwartet, darauf lässt der Trailer von "The Vanishing of Ethan Carter" noch kaum Rückschlüsse zu. Der an Krimis angelehnte Name kann aber ein Hinweis auf eine facettenreiche Hintergrundgeschichte sein.
"Screamride" (Xbox One, Xbox 360)
Freiwillig werden die Probanden wohl nicht in diese Funpark-Testhölle gekommen sein. Ähnlich wie in der "Portal"-Serie werden mit uns tödliche Tests durchgeführt - allerdings nicht in durchtrieben designten Kammern sondern in letalen Hochschaubahnen und anderen wilden Unterhaltungsparkattraktionen, die für heftige Kicks sorgen. Ob die angsteinflößenden Konstruktionen in "Screamride" den notwendigen Sicherheitsanforderungen entsprechen, darf bezweifelt werden. Aber dafür gibt es ja die vielen Testläufe. Versuchskaninchen zu sein war noch nie so eine lebensmüde Angelegenheit.
"Cuphead" (Xbox One, Windows)
Okay, der Trailer ist eigentlich schon von der E3 und im Showreel von Xbox wurde "Cuphead" in Köln auch nicht weiter erwähnt. Aber diese 32 Sekunden machen einfach sehr viel Lust auf das im Old-School-Cartoon-Stil der 1930er Jahre gehaltene Spiel, das in Sachen visueller Strahlkraft den jüngeren "Rayman"-Spielen den Kampf ansagen könnte. Wenn der WTF-Faktor schon im Teaser-Trailer ähnlich hoch ist wie bei vielen japanischen (Arcade-)Videospielen, gibt es Grund zur Vorfreude. Näheres ist über die zwei Häferlbrüder derzeit noch nichts bekannt, vermutlich gibt es im Laufe des Jahres aber weitere Updates.
"Superhot" (Xbox One, Windows, Linux)
Seit einer Weile kann man schon den Prototypen des aus einem Game Jam hervorgegangenen "Superhot" spielen, jenem First-Person-Shooter, wo die Zeit nur fortläuft, wenn man sich bewegt - ähnlich wie beim Indie-Klassiker "Braid". Für die Gamescom wurde ein neuer, durchgestylter Trailer produziert: Große Letters, runtergepitchte Vocal-Samples, viele Slow-Motion- und Bullet-Time-Einstellungen. Ähnlich wie bei "The Tomorrow Children" gibt es auch hier viele Closeups von Low-Poly-Figuren. Ein neuer visueller Spieletrend?
"Rime" (PS4)
Der neue Trailer zu "Rime" bringt wieder innerhalb von wenigen Sekunden Staunen über einen: Ein heller, bunter, aber völlig unkitschiger Anime-Stil à la Studio Ghibli, gepaart mit einer mysteriösen Welt, in der unbekannte Mächte langsam, aber mächtig walten. Assoziationen zu "Journey" oder - ein weiteres Mal - "Shadow of the Colossus" kommen auf. Inwiefern "Rime" tatsächlich frei erkundbares Terrain bieten oder ob das farbenfrohe Abenteuer doch eine stärker vorgegebene Geschichte liefern wird, erfahren wir hoffentlich bald.