Erstellt am: 13. 8. 2014 - 23:07 Uhr
Schlummern, Posen und die kleine Trommel
FM4 Frequency 2014
Bilder, Reviews, Videos: Das war das FM4 Frequency 2014 - Ein handlicher Überblick über das Geschehen
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Die für den ersten Tag des FM4 Frequency angekündigte gar seltsame Programmdurchmischung gestaltet sich stromlinienförmiger als erwartet: Die vielversprechende, ja, so ist es, tolle! und vor Esprit sprühende englische Popmusikerin Chlöe Howl hat ihren Gig leider abgesagt, weshalb der whiskey-getränkte Rock-Rock der österreichischen Band Olympique kurz nach 15 Uhr die Mainstage in St. Pölten wärmen darf. Der und die können das. Die Straße führt also Richtung Rock'n'Roll, am besten ist sie staubig und gottverlassen.
Franz Reiterer / FM4
"There is Nothing That the Road Cannot Heal", so erfahren wir danach von Conor Oberst im gleichnamigen Song, wie er so diebisch unter seinem Hut hervorlugt. Begleitet wird er von der kalifornischen Band Dawes, neben den traurigen, gegerbten und schon ein wenig gereiften Wanderliedern über das Flüchten, Wachsen und Sich-Wandeln von seinem aktuellen, schlicht unter der Dachmarke "Conor Oberst" erschienen und wieder einmal recht fein gewordenen Albums "Upside Down Mountain" gibt's glücklicherweise Nostalgie-Pflege: Auch das Denkmal Bright Eyes wird poliert, beispielsweise mit dem nicht totzukriegenden Hit "Lover I Don't Have To Love" vom Klassiker-Album "Lifted or The Story is in the Soil, Keep Your Ear to the Ground". Ist auch schon wieder 12 Jahre alt und gut gealtert.
Conor Oberst und Kollegen schütteln ohne große Anstalten einen zurückgelehnten Folk-Rock aus den Ärmeln, ein bisschen Dylan-Georgel, dazwischen gibt's ein paar müde Witzchen vom Meister und einen kleinen Seitenhieb Richtung des später auftretenden Popper-Superstars Macklemore: Der habe nämlich, so Oberst, schon vor der Stage seinen eigenen Catwalk zum Drauf-Herumstolzieren in Position gebracht – die anderen Acts dürften den aber freilich nicht benutzen.
Franz Reiterer / FM4
Ein sehr gutes, knappes Konzert, dargebracht mit der nonchalanten Arroganz eines Typen, den man gerade aus der Hängematte geschüttelt hat und der trotzdem sein Werk ordentlich verrichtet. "Ordentlich", aber nicht im Sinne von "langweilig". Danach wird Conor Oberst wohl wieder ins Regal geschoben und darf weiterschlummern. Bitte mehr Acts, denen im genau richtigen Maße die Arroganz im Mundwinkel hängt! Nicht immer bloß sympathische.
Es folgt eine sympathische Band, sehr erfolgreich: Biffy Clyro. Eine Band, deren Mitglieder gleich mit nacktem Oberkörper und prächtig tätowiert die Bühne entern. Im Bühnenhintergrund prangt das Abbild eines gigantischen, güldenen Wildtieres mit imposantem Geweih. Möglicherweise ist hier ein psychoanalytisch motivierter Symbolismus im Spiel. Dabei hantiert die schottische Band mit Rock'n'Roll-Machismen in Wirklichkeit doch eh sensibel und gibt sich selbst recht zerbrechlich und zeigt, dass sie weiß, dass die dicke Hose eventuell nur eine Pose ist. Eine Pose, die es für die heavy duty Rock'n'Roll braucht?
Franz Reiterer / FM4
"We Are Biffy Fuckin' Clyro!" muss dann aber leider doch noch in die Menge geschrien werden, um dem international fixierten Festival-Kodex gerecht zu werden. Die Menschen freut's auch im heftigsten Regen, eine solide Mischung aus poppigem Rock und Punk, Grunge-Nachwehen, ein bisschen Pomp-Balladen-Metal und der Nachlassverwaltung von Nirvana, Axl Rose und Weezer auf Hart. Eine Band, die in dem was sie tut, ziemlich gut ist - und das was sie tut, ist sehr durchschnittlich. Formelhafte Jugendzimmer-Rebellionsmucke für den ersten Ausriss mit dem Moped, mit zwei Ohren für die richtigen Hooks. Sehr egal und schlau gebaut - erfolgreich.
Es wird besser, relativ gesehen: Die englische Band Bastille, mit millionenfach verkauftem Album im Gepäck noch weit erfolgreicher, findet einen Weg zwischen Synthiepop und Indie, zwischen R'n'B und Coldplay, der auch für eine Boyband gut gangbar wäre. Einst abenteuerliche Stilüberkreuzungen haben Bastille als glitzy Fertigbauplan begriffen. Raus kommen dabei Stücke, die gut grooven und vor Pathos vibrieren, geil ruckeln und demnächst wohl noch ein paar Ärzteserien-Staffel-Finale vertonen sollten. Wenn sie das nicht ohnehin schon getan haben.
Franz Reiterer / FM4
Zudem bearbeitet der Sänger zum Zwecke der Verdeutlichung von Wildheit und Aufmüpfigkeit im Stehen immer wieder ein Mini-Drumset, Dieses spätestens seit Arcade Fire hochpopuläre Gimmick möge bald zu Grabe getragen werden. Jedoch, Vorwarnung: Es wird wohl die nächsten Tage noch einmal auftauchen. Codewort: Imagine Dragons. Eine Band, die nicht erst schlecht ist, seit sie durch einen Zwischenfall in Österreich als "cool" bezeichnet worden ist.
Liebe Bastille, ein bisschen weniger die Songs schleifen und mundgerecht in Cremeformen spritzen und das coole Dreieck-Logo, das als Band-Symbol auf der Bühne herumsteht, einmotten. Und: Die Titel-Melodie von "Twin Peaks" als Auftrittsmusik zu verwenden, Freunde, diese Idee hätte auch vor 15 Jahren keinen Preis mehr gestiftet bekommen. Bastille covern den Dance-Evergreen von "Rhythm of the Night" von Corona, es ist "ironisch".
Man muss es sagen: Der Headliner am Mittwoch ist auch hinsichtlich Exklusivitäts- und Neuigkeitsfaktor im Vergleich mit dem Angebot, das da dieses Wochenende noch so kommen wird, führend. Das gerne gescholtene Party-Rap-Wunder Macklemore und Ryan Lewis. Hier ist die in allen Farben und Formen durchexerzierte, leibhaftige Manifestation der Tatsache, dass HipHop die aktuell universellste, größte Popmusik ist.
Franz Reiterer / FM4
Angesichts der halbgaren und falsch verstandenen (und wesentlich zu spät gekommenen) Verbildlichung der Formel "Hipster" im für alle verständlichen Schema, die die beiden gerne vorleben, neigt man dazu, zu vergessen, dass Ryan Lewis ein ziemlich guter Produzent ist. Auf Nummer Sicher konstruierter Feierlaune-Pop-HipHop, der sich vor allem stark auf süßlich singenden Philly-Soul und forsche Funk-Hupen verlässt. Deshalb kommen Macklemore und Lewis zu ihrer Show auch mit Streichern und Bläsern im Gepäck, dazu Nebel-Bombast, Tänzerinnen und Partykanonen. Wohl wissend, dass zwei Turntables und 1 MC hier wohl nicht reichen würden.
Tipp:
Mehr Bilder von den Auftritten gibt es hier: It's on
Ein besonders guter Akrobat am Mikrofon ist Macklemore nämlich nicht. Texte über das gute Leben, darüber wie das Leben ein besseres sein könnte, gut gemeinte und wichtige, aber gar schablonenhaft vorgebrachte Messages zur Weltoptimierung und der Song, der davon handelt, dass es total cool ist, sich seine schrägen Klamotten im Second-Hand-Shop zu checken. Inhaltliche und skill-technische Schwächen macht Macklemore durch kokette Grandezza, Kumpellhaftigkeit und Ansagen wett: "Austria, you guys make awesome sausages." Andocken ans Lokal-Kolorit – das haut immer hin. Irgendwas mit "Schwarzenegger" gibt's auch, und "Schnitzel".
Franz Reiterer / FM4
Wie viel von dieser mit allem Pomp und allem Licht geschnitzten Show nun vom Band kommen mag, ist egal. Ryan Lewis betätigt neben seiner Arbeit an den Turntables da und dort auch eine Standtrommel – wohl um zu signalisieren, dass so ein DJ auch in Echtzeit zu musizieren vermag. Man möge dieses Gimmick bald zu Grabe tragen.
Ausreichend gute Songs, um die ganze Nacht zu tragen, haben Macklemore und Lewis noch nicht – dennoch: ein kleiner Triumph einer Musik, die weiß, dass sie gar nichts anderes sein muss als dieser so genannte "Mainstream". Da macht es auch nichts, dass der Überhit als Zugabe, sonst unverzeihlich, ein zweites Mal gespielt wird: "Can't Hold Us." Das nächste Mal dann bitte aber auch Beyoncé oder gleich Lady Gaga.
Franz Reiterer / FM4