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Pia Reiser

Filmflimmern

13. 8. 2014 - 13:05

Adieu, Lauren Bacall (1924-2014)

Die coolste Frau des Film noir und das letzte Bindeglied zur goldenen Hollywood-Ära ist 89-jährig verstorben.

An so etwas wie ein Fantreff, einem Meet and Greet, hatte ich nie Interesse, denn - wie ich es an manchen Teenager-Tagen bewusst Lydia Deetz-düster formulierte - alle, die ich verehre sind tot, gestorben bevor ich geboren wurde. Dass Cary Grant tot ist, erfuhr ich durch eine Trivial Pursuit Frage und von da an bezogen sich viele der Fragen, die ich meinen Eltern stellte, darauf, ob der oder die Schauspielerin noch am Leben sei. Die Antwort war meistens nein.

Jeder, der sein Herz schon mal an die Popkultur verloren hat, kennt dieses Gefühl der Trauer um Menschen, die man nie getroffen und schon gar nicht gekannt hat, die aber aus der eigenen Welt nicht wegzudenken sind.

Seit ich 14 bin, befindet sich immer irgendwo in Nähe meines Schreibtischs eine Postkarte mit Lauren Bacall drauf. Diese faszinierende Frau mit dieser dunklen Stimme und dem Blick von unten war die Leinwandheldin meiner Teenager-Tage. Und sie wurde im Laufe der Jahre zum letzten Verbindungsglied zu dieser Welt, die gerne mit der Floskel "Golden Age of Hollywood" bezeichnet wird. Denn auch, wenn früher alles nicht besser war, so bilden die Filme aus dieser Zeit das Zentrum meiner Liebe zum Film, wenn zu dramatischem Geigengedudel ein Filmtitel in schwarz/weiss eingeblendet wird, dann gehts mir wie Dorothy nach der Rückkehr aus Oz. There's no place like home.

Die US-amerikanische Schauspielerin Lauren Bacall (r) und ihr Ehemann, der Filmstar Humphrey Bogart (l)

APA/UPI

Lauren Bacall und ihr Ehemann Humphrey Bogart

In memoriam Lauren Bacall ändert ORF2 sein Programm und zeigt am Freitag um 23.05 Uhr „Mord im Orient-Express“

Mit dem Tod Lauren Bacalls ist diesem Zelluloid-Zuhause nun endgültig der letzte Verbindungsfaden zum Jetzt gerissen, Bacall ist 89-jährig in New York verstorben. Wie essentiell es sein kann, ab und zu einen Blick in die Vogue zu werfen, wird anhand ihrer Karriere klar. Die Frau des Regisseurs Howard Hawks erblickt 1944 ein Bild von Betty Joan Perske, so Bacalls bürgerlicher Name, im Magazin und schlägt ihrem Mann vor, sie zu einem Screen Test einzuladen. Bacall bekommt die Rolle in Hawks "To have and have not", doch zuerst wird ihr beigebracht, tiefer zu sprechen.

Diese tiefe, rauhe Stimme, angesiedelt außerhalb des natürlichen Stimmumfangs wird zu einem der Bacall-Markenzeichen, und ist eigentlich eine Funktionsstörung, genannt Bogart-Bacall-Syndrom. Und apropos Bogart: Den lernt Bacall bei den Dreharbeiten zu "To have and have not" kennen. In einem der berühmtesten Szenen aus dem Film fragt Bacall, im Türrahmen lehnend, nach einem Streichholz und Bogart wirft ihr eine ganze Schachtel voller Zündhölzer zu. Rückblickend steht das match hier nicht nur fürs Streichholz sondern auch für seine andere Bedeutung im Englischen, Bogart und Bacall finden im jeweils Anderen ihr Gegenstück, wer sich "To have and to have not" anschaut, sieht nicht nur, wie sich Slim und Steve ineinander verlieben, sondern auch Lauren und Humphrey. Die 20jährige und der 45jährige heiraten und bleiben bis zu Bogarts Tod im Jahr 1957 ein Paar. Sie hätte eine Bronzestatue von Bogart in ihrem Haus stehen, der sie jeden Tag einen guten Morgen wünscht, schreibt Bacall in ihrer Autobiografie "Die Rollen meines Lebens" - 34 Jahre nach Bogarts Tod.

In "To have and have not" findet sich alles, was Bacalls ikonenhaften Status zementieren wird: Ihr Film- und Lebenspartner Bogart, die tiefe Stimme und der Blick, der als "The Look" in die Gazetten eingehen würde.

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Lauren Bacall in "To have and have not"

Aus der Not machte Bacall eine Tugend, nicht nur fragte sie sich wie sie eine Frau spielen solle, wo sie doch ein Mädchen sei. Um ihr nervöses Zittern zu verbergen, presste sie das Kinn nach unten und blickte nach oben. Und schon lag man ihr zu Füßen, ausgerechnet ihr, die zwar grandios Femme Fatales spielte (die jedoch stets mit einer ungewöhnlichen Bodenhaftung ausgestattet waren) und die von blinder Verehrung und Legendenbildung nichts wissen wollte. "a legend is something that is not on the Earth, that is dead", erklärt sie 2005.

Sie widersetzt sich dem faulen sowie sich schnell ausleiernden Wahn der Floskelpresse, alles gleich mit Superlativen festzumachen. Als sie nach den Dreharbeiten zu "Dogville" nach der legendären Nicole Kidman gefragt wird, unterbricht sie den Reporter. "She's not a legend, she's a beginner". Und auch Kidmans Exmann verpasst sie eine Verbalwatschn: “When you talk about a great actor, you're not talking about Tom Cruise.”

Statt Bildergalerien bereiten viele Magazine ihr heute ein best of ihrer Zitate auf. Das ist nicht allzu oft bei Schauspielern der Fall.

Lauren Bacall, Frank Sinatra und Kim Novak

APA/EPA/LAS VEGAS NEWS BUREAU ARCHIVES

Lauren Bacall, Frank Sinatra und Kim Novak

Die Schauspielerei beschreibt sie stets unglamurös als das, was sie eben gelernt hat, einen Grund morgens aufzustehen und seiner Arbeit nachzugehen, Ruhm hingegen sei kein Beruf, sondern ein Unfall. Zuteil wird er ihr trotzdem, der vermaledeite Ruhm, vor allem als scharfzüngige, selbstbestimmte Film Noir Figur. Die Frauenfiguren dieses Genres sind zwar allesamt meistens unabhängig, stark und genauso abgründig wie die Trenchcoat tragenden Herren, doch Lauren Bacall sticht raus als jemand, der um die Macht der eigenen Reize weiß, aber nicht über deren Inszenierung und Wirkung definiert werden will.

Wenn sie am Schoß von Bogart sitzt, dann dreht sie die klassische Machtsituation um. Ihr Kopf ist höher positioniert als seiner, ihr Arm auf seiner Schulter. Klassischen Geschlechterzuschreibungen widersetzt sich Bacall - auch dank eines Skripts, dass klassisch noir angehauchte Zweideutigkeiten auch der Frau überlässt: You know how to whistle Steve .. you just put your lips together ... and blow.

Wie einzigartig ihre Persona im Tinseltown-Zirkus ist, merkt man auch daran, dass ihr als einer der wenigen weiblichen Hollywood-Ikonen gerne das Adjektiv cool verpasst wird. Man versuche mal, sich das bei Marilyn Monroe oder Audrey Hepburn vorzustellen. Hollywoods Frauenbild wird sich in den 1950er und 1960er Jahren radikal ändern, die Mutigen und Schnellzüngigen wie sie verschwinden. In der Komödie "How to marry a millionaire" wirkt Bacall stellenweise wie ein Fremdkörper (sic!) neben den klassisch wie Pinup-Girls posenden Betty Grable und Marilyn Monroe. Der schönste Moment in den Film ist sicherlich die wink-wink-nudge-nudge Liebeserklärung an Bogart.

Viele Rollen lehnt sie ab, manche bekommt sie nicht, wegen einer langen Fehde mit Studioboss Jack Warner - Meinungsverschiedenheiten ging Bacall nicht aus dem Weg. 1947 hüllt sie schließlich ihren Film Noir Gestus in einen ironischen und dramatischen Mantel und gibt in "Murder at the Orient Express" die theatralische, schnellsprechende und sarkastische Mrs Hubbard. Doch ihre wirklichen Erfolge feiert sie am Broadway und spielt in den Sopranos nochmal die, die sie eigentlich immer mehr oder weniger gespielt hat: Sich selbst.

Eine Oscarnominierung gibt es 1996 für "The Mirror has two faces", in Händen halten kann sie die Goldstatuette dann 2009 in Form eines Ehrenoscars - "in recognition of her central place in the Golden Age of motion pictures".

Ihre Filmrollen nach diesem Golden Age waren meist weniger aufregend als ihre Erscheinung, stets drahtig, agil und schlagfertig. Und auch wenn das wohl das letzte war, was sie sein wollte, so war sie ein Anknüpfungspunkt an längst vergangene Filmdekaden, die selbstbestimmte Frau, die im Türrahmen lehnt und nach Streichhölzern fragt. Und wenn's dann knistert und die Leinwand strahlt, dann ist daran nicht die kleine Flamme schuld, sondern die wunderbare Lauren Bacall.