Erstellt am: 13. 8. 2014 - 15:45 Uhr
Autostopp
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharovs. Jeden Mittwoch in FM4 Connected (15-19h) und als Podcast.
"Die Leiden des jungen Todor"
Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es ab sofort im FM4 Shop.
Fragt Jack Kerouac. Jedesmal lernst du verschiedene Leute kennen und jeder ist bereit seine Geschichte zu erzählen. Normalerweise sind die Leute, die anhalten, früher selbst mal so gefahren.

- gemeinfrei - Drodz
Ich bin schon in allen möglichen Transportmitteln mitgenommen worden. In einem teuren Cabrio, gefahren von einer Roma-Familie, die das Auto verkauft hat, während ich drin war. In einem alten sowjetischen Moskvitsch mit einem Mann und drei riesengroßen Kanistern hausgemachten Schnaps. In der Karosserie von einem LKW über den Balkanpass Schipka, während mein Freund Sascho bulgarische Rebellenlieder aus dem 19. Jahrhundert sang. Sogar in einer Pferdekutsche, schlafend im Heu. Vor Jahren dachte ich, dass ich mein ganzes Leben lang so reisen würde. Frei, ohne jegliches Gefühl von Zeit und Entfernung. Der Weg war mein Ziel.
Mit den Jahren hörte ich auf per Anhalter zu reisen. Der Gedanke, dass ich Stunden auf die nächste Mitfahrgelegenheit warten muss, ohne zu wissen, wann ich mein Ziel erreiche, machte mir Angst. Jeder Weg hat sein Ende.
Und so war das bis vor einigen Wochen, als ich Wien von einem Reggae-Festival in Niederösterreich aus erreichen wollte. Es war Samstag. Die Verwaltung der Busgesellschaften in Niederösterreich hatte entschieden, dass am Samstag niemand einen Bus von Poysdorf an der tschechischen Grenze bis nach Wien brauchen würde. Das sind ja auch nur mickrige 60 Kilometer. Oder zumindest 15 Kilometer bis zur nächsten Ortschaft, von der aus ein Zug nach Wien fährt. Ich musste wieder per Anhalter fahren.
Ich wartete lange. Ich war schon drauf und dran ein Taxi anzurufen, das die Hälfte von meinem Lohn, den ich auf dem Festival verdient hatte, auffressen würde. Dann hielt ein Auto.
„Wohin fährt ihr denn Kinder? Ich wollte nur zum Supermarkt, um für meine Mutter einzukaufen. Woher kommt ihr? Aus Wien? Wenn ich dich aber so anhöre, bis du nicht genau aus Wien. Aus Bulgarien? Du heiliger Himmel Jesus Christus! Wenn ich zurück im Dorf bin und erzähle, dass ich für jemanden aus Bulgarien angehalten habe, werden alle sagen, ich sei verrückt. Sie werden sagen: Wie kannst du denn nur Leute aus Bulgarien mitnehmen?! Liest du denn keine Zeitung? Sie hauen dir eine auf dem Schädel und weg bist du! Aber sie sind verrückt, nicht ich. Jetzt meckern sie alle, dass die ganzen Tschechen in den Süden fahren und unsere Straßen verstopfen. Schön war es früher, als die Tschechen da geblieben sind, wo sie hingehören. Und die Straßen gehörten nur uns Österreicher. Aber sie sind auch Menschen, die Tschechen! Sie dürfen auch in den Süden fahren! Und alle sagen ich sei verrückt! Die Tschechen sind auch Menschen, nicht wahr? Und ihr Bulgaren seid auch Menschen! Ich bin stark und ihr seid nur Kinder. Ich habe euch auf die Straße gesehen und ihr habt mir so leid getan. Wartet hier kurz, ich gehe nur kurz zum Supermarkt. Bald bin ich wieder da.“
Ich sitze im Auto und weiß nicht, was ich sagen soll. Meine liebe M. schaut mich auch sprachlos an. Bald kommt die Frau zurück mit drei riesigen Säcken mit Lebensmitteln.
„Nehmt jetzt diesen Sackerl. Da ist was für euch. Sandwiches. Und Kaffee. Und noch was anderes, damit ihr nicht hungrig bleibt, ihr seid ja gute Kinder. Ich kenne euer Fest. Vor einigen Jahren stürzte so ein junger Bursche von den Felsen und starb. Oh, Jesus Christus, du heiliger Gott! Und was arbeitest du mein Bursche? Im Radio? Sag was über mich im Radio! Ich bin Eva-Maria aus Falkenstein! Ich habe euch mitgenommen. Und ich habe keine Angst gehabt, sogar wenn ihr gesagt habt, dass ihr aus Bulgarien seid!“
Ich danke dir Eva-Maria! Österreich ist ein wunderschönes Land, weil es Leute wie dich gibt!