Erstellt am: 11. 8. 2014 - 17:17 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 11-08-14.
The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Mit Items aus diesen Themenfeldern. Im August wegen Väterteilzeit und Urlaubstagen leider höchst unregelmäßig.
Es ist - wie so oft - das Zimmerservice schuld. Da war unvermutet von einer "The Joker"-Coverversion von Fatboy Slim die Rede, für dessen What the Fuck ich auch noch einen Wunsch hatte, der dann nur nicht mehr gespielt wurde, weil er zu lang war um pünktlich vor dem Sumpf enden zu können. Ich bin also mit Fatboy Slim im Kopf raus aus dem Studio; und immer (oder zumindest meist) wenn das passiert, und das ist nicht unglaublich oft der fall, deshalb geht sich das ohne Redundanzfalle aus, dann fährt mir eine Bassline in den Kopf.
Herr Flea von den Chili Peppers wird so gut sein sie vorzuspielen:
Es sind zugegebenermaßen nur die ersten zwei Takte dieses viertaktigen Motivs. Und daran ist Fatboy Slim, also der Mann dahinter, nämlich Norman Cook schuld. Denn er hat diese Takte, die einem der schwerblütigsten Agit-Polit-Songs aller Zeiten entstammen, in seinen ersten Gehversuch als (damals noch fluffiger) Dancefloor-Produzent gesteckt.
Friends tell me I am crazy / That I'm wasting time with you / You'll never be mine
That's not the way I see it / Coz I feel you're already mine / Whenever you're with me
People always talk about reputation / I don't care about your other girls / Just be good to me
Friends are always telling me you're a user
I don't care what you do to them / Just be good to me
Friends seem to always listen / To the bad things that you do / You never do them to me
You may have many others/ But I know when you're with me / You are all mine
People always talk about reputation / I don't care what you do to them / Just be good to me
Friends are always telling me You're a user
I don't care what you do to them / Just be good to me
Love is a game of chances / So I'll take my chance with you / And you I won't try to change / We talk about it and I'd Rather have a piece of you / Than all of nothing / Just be good to me / In the morning / Just be good to me / In the afternoon or evening / Just be good to me
I'm not the jealous kind / I won't tie you down / When you need me / I'll be around / I'll be good to you / You'll be good to me / We could be together, be together / Just be good to me
Nicht gestohlen, sondern gesampelt, sauber mit Rechteabklärung und allem.
Norman Cook war damals, 1990, noch nicht Fatboy Slim, sondern nur der ehemalige Bassist einer politisch engagierten Soul/Indie/Chorgesang-Band namens The Housemartins (größter Hit: Caravan of Love), der nach dem Break-Up was Neues auf die Beine stellen wollte. Und zwar in einem Projekt mit der Sängerin Lindy Layton namens Beats International. Und für ein Re-Work von Just Be Good To Me von der SOS Band holte er nicht nur die damals besten RnB-Produzenten (Jimmy Jam & Terry Lewis, die mit Jackson und Prince arbeiteten und die das auch das Original produziert hatten) sondern auch die beste Bassline possible. Daraus wurde dann Dub be Good to Me. Cook, selber Bassist, wusste genau was er tat.
Ich mag dieses an fatale Selbstaufgabe grenzende, auf einer Zuckerwatte-Wolke schwebende Stück Musik, auch wenn die Umkehrung der Positionen die klassischen Mann/Frau-Muster wieder aufleben lässt. Mir erzählt dieser hinter einer halbwegs fröhlichen Anmutung versteckte Song der Verzweiflung um die Aussichtslosigkeit einer Amour Fou eine sehr allgemeingültige Geschichte.
Das Stück enthält viele schlau eingesetzte Samples, die Italo-Western-Harmonica etwa, aber die Schaumkrone auf der es reitet, ist diese unpackbare Bassline.
Die stammt von Paul Simenon, dem Bassisten von The Clash, der rund um den Band-Shift vom Proto-Punk zu bewusstseinsbildenden Aussage-Rockern auch beschlossen hatte, songwritermäßig tätig zu werden. Rund um dieses Riff baute er einen der allerbesten Songs der Clash, das in vielerlei Hinsicht stilprägende Stück Guns of Brixton
When they kick out your front door / How you gonna come? With your hands on your head / Or on the trigger of your gun
When the law break in / How you gonna go? Shot down on the pavement / Or waiting in death row
You can crush us / You can bruise us But you'll have to answer to / Oh, Guns of Brixton
The money feels good / And your life you like it well But surely your time will come / As in heaven, as in hell
You see, he feels like Ivan / Born under the Brixton sun His game is called survivin' / At the end of the harder they come
You know it means no mercy / They caught him with a gun No need for the Black Maria / Goodbye to the Brixton sun
You can crush us / You can bruise us But you'll have to answer to / Oh, the guns of Brixton
When they kick out your front door / How you gonna come? With your hands on your head / Or on the trigger of your gun
You can crush us / You can bruise us And even shoot us But / Oh the guns of Brixton
Die Bilder, die diesem Video zugrundeliegen stammen aus den Brixton Riots von 1981 den ersten gewalttätigen Unruhen in der Einwanderer-Vorstadt, wo diverse unterprivilegierte Gruppen ihrer Wut gegen die bewusste Unterdrückungs-Politik des Thatcher-Systems, gegen die hochgehaltene Arbeitslosigkeit, Rassismus und andere Probleme Luft machten.
Guns of Brixton kam 1979 heraus. Es erzählt also nichts nach, sondern fasst schon im Vorfeld eine Stimmung zusammen, die erst Monate später kippen und zur Explosion führen sollte. Und das im vor allem über die Bassline zum Ausdruck gebrachten schwer vom Reggae beeinflussten Beat.
Außerdem erzählt mir auch Guns of Brixton eine von der konkreten Situation losgelöste, allgemeingültige Geschichte: es verhandelt eine der ganz zentralen Fragen. nämlich wie man leben soll: im Zustand des Zugeständnisses oder im Zustand der Wehrhaftigkeit.
Paul Simenon, der wegen seiner stechenden Augen, seiner aggressiven Bühnenpräsenz und auch seiner Beyond-Madonna-Zahnlücke als der sauvage, der gefährliche Mann bei The Clash galt, stellt diese Frage überdeutlich und beantwortet sie nie direkt, nur implizit, aber ganz deutlich. Guns of Brixton wurde in nur zwei Takes eingespielt und der Fama nach hat Simenon das Stück eingesungen, als er einen auf Studio-Besuch weilenden Executive der Plattenfirme (CBS, das Vorgängerlabel von Sony) durch die Glasscheibe fixierte und quasi als Feindbild direkt anagitiert hat.
Im echten Leben war/ist Simenon deutlich mehr Feingeist als es sein Image erahnen lässt. Er ist zwar im Hackler-Vorort Croydon geboren, hat sich aber via Kunststudium befreit und war sowohl vor als auch nach The Clash als Maler aktiv.
1980, auf der Tour bei der Guns of Brixton erstmals live dargeboten wurde, war die Nervosität von Simenon, der es sich nicht nehmen ließ sein Stück (es sollte das einzige von Belang bleiben) auch live zu singen, wofür er sogar das Instrument (mit Joe Strummer) tauschte, um nicht abgelenkt zu sein, deutlich sichtbar.
Hier sieht man das schön, hier auch. Wie immer am übelsten: Auftritte in TV-Shows...
Shot down on the pavement / Waiting in death ro His game was survivin' / As in heaven as in hell
You can crush us / You can bruise us But you'll have to answer to / Oh, the guns of Brixton Oh, the guns of Brixton
Simenon ist das Ex-The Clash-Mitglied mit dem entspanntesten Afterlife, er lebt von Royalties, seiner Kunst und ein paar Hin-und-Wieder-Projekten.
Lindy Layton singt immer noch da und dort. Norman Cook ist Fatboy Slim, also larger then life.
Und die Bassline, die ist immer noch und immer wieder in meinem Kopf, leitmotivisch.
PS
Noch eine Coverversion, die den Reggae-Ursprung der bassline betont, eine von Jimmy Cliff, dessen The Harder They Come Simenon in seinem Text ja zitiert: