Erstellt am: 10. 8. 2014 - 18:00 Uhr
Neue "Transformer"-Drohnen für die US-Militärs
IT & Games auf FM4
Während die ersten schweren Helikopterdrohnen, die weltweit im Einsatz waren, gerade eingemottet werden, ist der Bau der ersten Prototypen für ein futuristisches Nachfolgesystem bereits im Gange. Die von Lockheed Martin und Piasecki Aircraft konstruierte Drohne soll mit drei Tonnen exakt dieselbe Last transportieren können, wie die nun stillgelegten K-Max-Helikopter. Das ist aber schon alles, was diese beiden autonomen Systeme gemeinsam haben.
Beim K-Max handelt es sich um einen konventionellen Lastenhelikopter, der für den unbemannten Betrieb umgebaut wurde. Mit dem Projekt ARES wird unter der Leitung der militärischen Forschungsagentur DARPA hingegen ein völlig neues Fluggerät entwickelt, das mehr einem "Transformer" ähnelt. Wie dieses Spielzeug, das in den späten 80er Jahren auf den Markt kam, soll sich die ARES-Plattform verwandeln können. Ursprünglich hatte das Projekt auch "Transformer Programm" geheißen.
"Transformer" wird zu ARES
Die Idee, einen Jeep mit Rotorblättern zu entwickeln, wurde erst nach vier Jahren Projekt-Laufzeit fallengelassen, weil sich das Interesse der US-Streitkräfte dafür sehr in Grenzen hielt. 2013 wurde aus "Transformer" das "Aerial Reconfigurable Embedded System" (ARES), ein luftgestütztes, modular aufgebautes System, für das sowohl die Navy, als auch die Army Bedarf angemeldet hatten.
DARPA
Da viele Einheiten der US-Streitkräfte nicht über eigene Helikopter verfügen, wurde das ARES-Design so adaptiert, dass beliebige Lasten bis zu drei Tonnen unter den Rotoren angedockt werden können. Dieselbe Rotoreinheit, mit der etwa ein Jeep und vier Soldaten befördert werden können, soll sich auch bei Landungsunternehmen von Navy und Marines verwenden lassen. In allen Fällen geht es darum, verhältnismäßig kurze, aber höchst gefährliche Distanzen zu überwinden.
DARPA
Der K-Max von Kamann
Das war die zentrale Aufgabe der jetzt von den Marines außer Dienst gestellten K-Max-Helikopter in Afghanistan, nämlich Vorposten mit Nachschub zu versorgen. Weil der als "Experiment" deklarierte Einsatz an sich erfolgreich verlief, wurde das Projekt von den geplanten sechs Monaten auf mehr als zwei Jahre verlängert. Zwischen Dezember 2011 und Juni 2013 transportierten die beiden K-Max-Drohnen für die US-Marines insgesamt mehr als 2.000 Tonnen Nachschub durch eine der gefährlichsten Weltgegenden, nämlich durchs südliche Afghanistan.
Die ursprüngliche Ausschreibung für das "Transformer"-Projekt und seine Wiedererstehung als ARES-Programm zu Jahresbeginn 2014
Die für Maschinen generell feindlichen Umweltbedingungen - im Winter und Sommer extreme Temperaturen, Sandstürme und ständig Feinstaub in der Luft - konnten den robusten "fliegenden Lastwagen" nicht viel anhaben. Wie die US-Fachmagazine für Rüstungsgüter übereinstimmend berichten, hatten die Bedienungsmannschaften nach einiger Zeit so viel Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Robot-Helis, dass sie zur Be- und Entlandung nicht einmal mehr landen mussten. Weil das im Schwebeflug geschah, konnte insgesamt weit mehr Fracht vom Camp Dweywer der Marines an Vorposten ausgeflogen werden, als ursprünglich angenommen.
Public Domain
Im Juni 2013 fand der Einsatz der beiden K-Max allerdings ein jähes Ende, als einer davon eine Crash-Landung hinlegte. Dem waren "technische Änderungen" zur Erweiterung des Einsatzspektrums vorausgegangen, von offizieller Seite wurde nur erklärt, dass der Absturz nicht durch einen mechanischen Defekt verursacht wurde. Damit bleiben eigentlich nur Fehler in der Bedienung, vor allem aber Mängel in der Software als Ursachen für den Absturz übrig, wobei der im Fall des K-Max nicht einmal einen Totalschaden verursachte.
Vom Lastenheli bis zum "RQ 8 Fire Scout" handelt sich bei allen US-Hubschrauberdrohnen um Umbauten eines konventionellen Systems, dessen Design auf Steuerung durch Piloten konzipiert wurde. Die Software steuert das Fluggerät daher nicht direkt, sie emuliert vielmehr einen Piloten und das führt ganz offensichtlich zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit des Systems bei Veränderungen. Dass bereits kleinere Adaptierungen potenziell fatale Folgen nach sich ziehen können, zeigt sich am überhaupt ersten umgebauten konventionellen Helikopter, der bei Streitkräften weltweit eingesetzt wurde.
Neben dem K-Max wurde auch die Heli-Drohne Hummingbird von Boeing als Aufklärer in Afghanistan eingesetzt. Diese etwa zehn Meter lange Helikopterdrohne kann in Höhen zwischen sechs und neuntausend Metern operieren und soll mehr als zwanzig Stunden in der Luft bleiben können.
Brandwächter auf Abwegen
Der von Northrop Grumman umgerüstete "MQ-8B Fire Scout" basiert auf dem Kleinhubschrauber "Schweizer 333" und sollte ursprünglich - wie schon der Name sagt - zur Brandbekämpfung eingesetzt werden. Seinen Jungfernflug hatte das "MQ-8B Fire Scout", das bereits seit der Jahrtausendwende entwickelt wurde, im Jahre 2006 absolviert. Weitere vier Jahre vergingen bis zum ersten Einsatz und ab da häuften sich die Schwierigkeiten. Die Auslieferung der ursprünglich von der Navy bestellten 168 Stück verzögerte sich, parallel dazu stiegen die Kosten um mehr als 50 Prozent.
Bis dato konnten gerade einmal 16 Stück an die Navy ausgeliefert werden, zwei davon sind bereits ohne Feindeinwirkung abgestürzt. Auch von den drei in Afghanistan kurzfristig eingesetzten Exemplaren sind 2013 nur zwei zurückgekehrt. In keinem dieser drei bekanntgewordenen Fälle wurden Gründe für den Absturz angegeben, die bereits für 2012 geplante Auslieferung der nächsten Tranche wurde auf Mitte 2014 verschoben, doch bereits im Frühjahr 2014 hatte die Navy die Bestellungen reduziert. Die restlichen 126 Exemplare schlagen mit 3,5 Milliarden Dollar zu Buche, das ist um ein Viertel mehr, als die ursprüngliche höhere Stückzahl kosten sollte.
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Auch der Einsatz der beiden K-Max in Afghanistan war nicht eben günstig, dabei sind nur die Zahlen für den sechsmonatigen Einsatz bekannt, der mit 48 Millionen Dollar budgetiert war. Die Grund dafür, dass die beiden autonomen Helikopter im Museum landen könnten, ist ihr enorm hoher Betriebsaufwand in Kombination mit neuen Anforderungen.
Skepsis bei den Logistikern
Die Logistiker der Army hatten bereits 2012 Alarm geschlagen und vor dem Ankauf weiterer solcher Geräte explizit gewarnt. Allein die Größe des K-Max mache neue, entsprechend große Wartungshangars nötig, damit sei ein dezentraler Einsatz wie bei den leichten Aufklärungsdrohnen der Army unmöglich. Zudem könne der K-Max mit etwa zwei Tonnen durchnittlicher Nutzlast nicht einmal die Hälfte von der Fracht befördern, die ein UH-60 Blackhawk trägt, von den dreizehn Tonnen eines CH-47 Chinook einmal abgesehen.
The Case Against a Cargo Unmanned Aircraft System in der Zeitschrift "Professional Bulletin of United States Army Sustainment.
Ebenso dürfe man keineswegs vergessen, schrieb Captain Andrew P. Betson in der Logistik-Zeitschrift der US Army, dass der Crash eines solchen, mit "sensitiver Technologie" bestückten Geräts, das umgehend geborgen oder zerstört werden müsse, erst recht wieder den Einsatz von Bodentruppen vor Ort erforderlich mache. Es sei "eine riskante Sache, Gerätschaften zu bergen, die deshalb eingesetzt wurden, um Truppen fern von der Schusslinie zu halten."
Warnung vor Neuentwicklungen
Die Skepsis, die aus diesem Artikel spricht, bezieht sich nicht nur auf den K-Max, sondern auf Lastendrohnen insgesamt, wobei speziell vor Neuentwicklungen gewarnt wurde, ohne das ARES-System jedoch explizit zu nennen. Wenigstens einem der kritisierten Nachteile, nämlich dem enormen Platzbedarf des existierenden Geräts, wurde bereits Rechnung getragen. Durch die Verwendung von Mantelpropellern ("ducted fans") wurde der Platzbedarf bei gleicher Leistung deutlich reduziert.
Gerade für die Navy ist das ein auschlaggebendes Feature, während die Bergung abgeschossenen Geräts auf See kein Thema ist, wohl aber bei den Landstreitkräften. Entsprechend heißt es im Frühjahr im Anforderungsprofil der DARPA, dass die ARES-Flieger mit halb so großen Landungsplätzen auskommen müssten, wie vergleichbare bemannte Helis.
DARPA
Steuerung über Apps
Die Helikopterdrohne mit den weltweit meisten Einsätzen und der höchsten abgesetzten Stückzahl ist der Aufklärer Camcopter S-100 des Wiener Neustädter Unternehmens Schiebel. Diese weitaus kleinere und leichtere Heli-Drohne hat ein Gesamtgewicht von 300 Kilogramm.
Von der Reisegeschwindigkeit angefangen bis zur leichten Manövrierbarkeit sollten die Flugeigenschaften von ARES hingegen einem herkömmlichen Propellerflugzeug gleichen. Als weiteres, wichtiges Feature wurde die optionale Fernsteuerbarkeit genannt, wobei es wörtlich heißt: "Die Truppen könnten die Flugmodule über Apps auf Smartphones oder Tablets steuern". Gerade diese Anforderung dürfte so manchen Militärlogistiker schaudern lassen, sind diese unbemannten Systeme bereits ohne Steuerung durch Smartphones schon fragil genug.
Wann mit Abschluss der gerade laufenden, dritten und letzten Phase des ARES-Projekts - die Produktion eines flugfähigen Prototyps - zu rechnen ist, wurde noch nicht bekanntgegeben. Ob mit der für Juni 2014 geplanten Auslieferung der erneut modifizierten "Fire Scouts" begonnen wurde, ist ebensowenig bekannt, während die Fortführung des K-Max-Projekts mittlerweile recht unwahrscheinlich ist. Offiziell heißt es zwar, dass darüber erst nach einer Kosten-Nutzung-Rechnung entschieden werde, die Produktion der Zivilversion des "fliegenden Lastwagens" für pilotierten Einsatz wurde bereits 2003 eingestellt.