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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

4. 8. 2014 - 14:13

We are family

Freunde sind die bessere Familie, behauptet die deutsche Journalistin Susanne Lang.

Populärpsychologische Bücher sind lustige Taschenbücher. Auch in gebundener Form packt man die gern ein für den Badeausflug oder eine Zugfahrt. Denn sie lesen sich so leicht, wie man ein Eis isst. Man wird unterhalten und lernt nebenbei doch dazu.

"Ziemlich feste Freunde" von Susanne Lang ist ein sehr gutes Beispiel. Anders als in der strengen Sachbuchliga finden die Simpsons wie die Sopranos Eingang in die Analyse, werden wissenschaftliche Studien schon mal zerpflückt und allen voran persönliche Begebenheiten offenherzig als Fallbeispiele vorgebracht.

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"Warum der Freundeskreis heute die bessere Familie ist", will Susanne Lang darlegen. Grund dazu hat die Journalistin einen höchst privaten: Sie wollte nicht mit ihrem Mann in die nächste große Stadt ziehen, als er dort eine bessere Anstellung annahm. Der Grund: Es stehen viele Freunde in ihrer Stadt gegen den einen Freund in der anderen Stadt. Bloß, wie erklärt man das der Beziehung, ohne Schluss zu machen? Das berichtet Lang leider nicht. Dafür analysiert sie Freundschaftsmodelle, deren Idealbilder und reale Verhältnisse.

Die deutsche Journalistin Susanne Lang

Leonie Geiger

Hat ein anekdotisches Lebenserfahrungsbuch geschrieben: Susanne Lang

Historisch betrachtet ist die Freundschaft ein junges Phänomen. Richtig populär wird sie erst im 18. Jahrhundert, als der Prozess der Individualisierung beginnt. Die romantische Vorstellung von einer tiefen seelischen Verbundenheit zwischen Menschen unterscheidet Immanuel Kant von der tatsächlichen Umsetzung dieses Ideals. "A friend in need is a friend indeed", bei einem wahren Freund könne man davon ausgehen, dass er einem in der Not bestünde. "Dieses Wissen aber müsse sich nicht im Alltag beweisen. Im Gegenteil. Denn zur wahren Freundschaft gehören schließlich zwei, also nach dem Aufklärer Kant auch die Aufgabe, von jenem Freund nicht zu erwarten, dass er einem bedingungslos zur Verfügung stehe", fasst Lang kurz.

Die Hauptthese des Buchs: FreundInnen übernehmen mehr und mehr die Aufgaben, für die früher Familienangehörige zuständig waren. Jedoch haben sie keinerlei gesetzliche Verpflichtungen. Alles basiert - im Idealfall - auf Freiwilligkeit und individuellen Gefühlen von Verbunden- und Zugehörigkeit.

Die Freundschaft im Zeitalter des digitalen Kapitalismus, wie der Soziologe Steve Stiehler zitiert wird, birgt zudem ein "neuartiges Vereinbarkeitsdilemma". Die soziale und personale Selbstvergewisserung nehmen einen nicht geringen Stellenwert ein. Was das im Detail für Freundschaften bedeutet, wird nicht bloß angerissen, sondern in Anekdoten klar gemacht. Trotz oder vielleicht gerade wegen des Plaudertons und der lockeren Erzählweise nimmt man als LeserIn bekannte Situationen genauer wahr. Wie nebenbei analysiert man die eine oder andere eigene Freundschaft.

Eine indirekte Empfehlung findet sich im Buch für den subjektiv auch meinerseits besten Film mit Jennifer Anniston: "Friends with money".

Fakten aus soziologischen und ethnologischen Studien untermauern die Erkenntnisse nicht nur, sie werden von der Autorin Susanne Lang kommentiert und sogar zerpflückt. Das ist einmal ein erfrischend kritischer Zugang, der allerdings schlampertatschig ausgeführt wird. Langs Zitierweise sollte man nicht zum Vorbild für Uni-Seminararbeiten nehmen. Da wird schon mal das Zitat eines Zitats zitiert.

Das Buchcover zu "Ziemlich feste Freunde" trägt grafische Symbole

Random House

Susanne Langs "Ziemlich feste Freunde" ist bei Blanvalet erschienen.

Nachgegangen wird dafür zig zentralen Fragen: Kann ich auch mehr als einen besten Freund haben? (Ja, klar!) Welche Auswirkungen hat es, wenn ArbeitskollegInnen Freunde werden? (Diese Antwort fällt vielschichtiger aus - gemeinsame Ziele sind Eckpfeiler für Beziehungen und an Zielsetzungen mangelt es im Berufsleben nicht.) Warum sind die Freundeskreise von Männern differenzierter als jene von Frauen? (Komplex, nur soviel: Männer machen auch nicht "Schluss" mit Freunden, viel eher lassen sie Freundschaften eine Zeitlang ruhen) Wann droht die beste Freundin zur besten Verräterin zu werden? (Noch komplexer) Oder: Was ist überhaupt ein "Para-Freund"? (Jemand, mit dem die Beziehung nicht über computervermittelte Kommunikation hinausgeht)

Das menschliche Gehirn ist übrigens auf den Umgang mit einer Gruppe von etwa 150 Personen angelegt. Das will zumindest der britische Evolutionspsychologe Robin Dunbar anhand einer Langzeitstudie von Affen bestätigt wissen. Das ist nur eines der Fakten, die Lang zusammengetragen hat und die hängenbleiben. Ihre These von den Freunden als bessere Familie bestätigt sie im Buch schließlich nicht ganz so hart.

Höchstwahrscheinlich hat sich unser Familienbild nach der engen Kernfamilie einfach wieder erweitert. The more the merrier, wie die BritInnen wissen.