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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

3. 8. 2014 - 19:00

Angst vor CIA-Vergeltung im US-Senat

Trotz der nun bestätigten CIA-Spionage gegen die Abgeordneten haben bis jetzt nur drei Senatoren den Rücktritt von CIA-Direktor John Brennan gefordert.

Die ursprünglich für diese Woche erwartete Veröffentlichung des Berichts über die Foltermethoden der CIA wurde am Freitag überraschend erneut verschoben. Auf Verlangen der CIA-Spitze hatte das Büro des Obersten Geheimdienstkoordinators James Clapper, dem der Bericht zur Freigabe vorgelegt werden musste, so viele Pasassagen geschwärzt, dass die Ausschussvorsitzende, Senatorin Dianne Feinstein, die Publikation verschieben musste.

Vorausgegangen war dem ein politischer Paukenschlag: Am Donnerstag hatte CIA-Direktor John Brennan überraschend eingestanden, dass die Computer der mit dem Bericht befassten Senatoren von CIA-Agenten durchsucht worden waren.

Drei prominente Senatoren forderten daraufhin öffentlich den Rücktritt Brennans, den Äußerungen anderer Senatsmitglieder aber war eine noch beunruhigendere Erkenntnis zu entnehmen. Ganz offensichtlich grassiert am Capitol Hill die Angst vor einem Vergeltungsschlag des Auslandsgeheimdienstes, der die Veröffentlichung von Teilen des bereits Ende 2012 fertiggestellten Berichts mit allen Mitteln verhindern will.

John Brennan

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CIA-Direktor John Brennan (© CC-PD-Mark)

Die Eskalation des Konflikts

Seit Jahresanfang war der Konflikt zwischen den Mitgliedern des Senatsausschusses zur Kontrolle der Geheimdienste und der CIA-Führungsspitze eskaliert. Feinstein hatte die CIA bereits im März in einer öffentlichen Brandrede beschuldigt, in das PC-Netzwerk des Senatsausschusses eingedrungen zu sein.

John Brennan hat bereits 25 Jahre in der CIA hinter sich. Genau im fraglichen Zeitraum, nämlich ab 200,1 war er bereits stellvertretender Executive Director der CIA. Als Leiter des neu gegründeten Terrorist Threat Integration Center war er für die täglichen Top-Secret-Briefings von Präsident George W. Bush verantwortlich.

Brennan hatte die Vorwürfe seitdem wiederholt und ganz entschieden dementiert, bis er sich am vergangenen Donnerstag bei den betroffenen Mitgliedern des Ausschusses dafür entschuldigen musste. Daraufhin forderten mit Mark Udall, Martin Heinrich (beide Demokraten) und Rand Paul (Republikaner) drei Senatoren erstmals den Rücktritt Brennans.

Auffallende Moderatheit

Die Ausschussvorsitzende Feinstein, deren Brandrede eine interne Untersuchung der Vorwürfe durch den CIA-Generalinspektor ausgelöst hatte, schloss sich der Rücktrittsforderung hingegen nicht an. Die Senatorin äußerte sich vielmehr auffallend moderat und betonte die Wichtigkeit der CIA für die USA im Allgemeinen. Auch ihr Stellvertreter Saxby Chambliss und andere Senatoren streuten in ihre kritischen Stellungnahmen immer wieder Komplimente ein.

Dianne Feinstein

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Ausschussvorsitzende Dianne Feinstein: Brandrede gegen CIA-Chef, aber keine Rücktrittsforderung

"Sie sind hinter dir her"

Die Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus brachte die Dinge direkt nach Brennans Entschuldigung auf den Punkt. Nancy Pelosi kritisierte den Angriff des Geheimdienstes auf sein parlamentarisches Aufsichtsorgan zwar mit deutlichen Worten, vermied aber jeden Angriff auf die CIA insgesamt. Auf diesbezüglіche Nachfragen von Reportern sagte Pelosi dann, dass sie für frühere Äußerungen über die CIA-Aktivitäten "einen Preis bezahlt" habe und wörtlich: "Sie ѕind dann wirklich hinter dir her."

Dianne Feinstein wurde 1992 erstmals in den US-Senat gewählt und gehört diesem Gremium seitdem an. Bei den Wahlen im Jahr 2012 stellte sie mit 7,75 Millionen Stimmen einen Allzeitrekord für Senatsmitglieder auf. Seit 2009 ist sie mit der Leitung des Select Committe on Intelligence des Senats betraut. Im selben Jahr wurde die Untersuchung der CIA-Praktiken eingeleitet.

Angriff auf die Senatscomputer

Im Gegensatz zum Inhalt der für die Öffentlichkeit bestimmten 480 Seiten starken Zusammenfassung des Berichts über die CIA-Folterpraktiken sind die wichtigsten Erkenntnisse der internen CIA-Untersuchung bereits bekannt. Fünf Mitarbeiter der CIA waren in das Netzwerk jenes parlamentarischern Ausschusses, der ihre Aktivitäten kontrollieren soll, eingedrungen und hatten den E-Mail-Verkehr der Ausschussmitglieder durchsucht.

Der Angriff wurde damit gerechtfertigt, dass die Ausschussmitglieder angeblich nicht freigegebene Dokumente an sich gebracht hätten und man nur nach denen gesucht hätte. Der mit der Untersuchung des Spiongeangriffs auf den Untersuchungsausschuss betraute CIA-Generalinspektor konnte das jedoch nicht bestätigen, sondern stellte fest, dass dafür keine Hinweise gefunden worden seien.

Wer den Auftrag dafür gegeben hatte, konnte oder wollte der Generalinspektor nicht in Erfahrung bringen, denn die drei am Einbruch beteiligten CIA-Techniker hätten einen "Mangel an Offenheit" an den Tag gelegt. Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass diese Techniker entweder geschwiegen oder gelogen haben, wie auch CIA-Chef John Brennan in mehreren Leitartikeln als "Lügner" bezeichnet wird.

"Erweiterte Verhörtechniken"

Ebenso werden die mittlerweile sattsam bekannten Verhörmethoden - wie etwa das sogenannte Waterboarding - seitens der CIA auch weiterhin nicht als "Folter" bezeichnet, vielmehr bleibt man konsequent beim Begriff "erweiterte Verhörtechniken". Der Grund dafür ist klar: Wenn unmenschliche Praktiken wie der Entzug der Atemluft beim Waterboarding unter "erweiterte" oder auch "harsche Verhörtechniken" fallen, dann gibt es hierfür Deckung durch das US-Justizministerium. Werden sie hingegen als "Folter" bezeichnet, verstoßen sie nicht nur gegen amerikanische Gesetze, sondern sind ein Bruch des Völkerrechts. Das würde eine strafrechtliche Verfolgung nicht nur der folternden CIA-Mitarbeiter, sondern auch ihrer Vorgesetzten zwingend implizieren.

Nancy Pelosi

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Nancy Pelosi, Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus: "Sie ѕind dann wirklich hinter einem her."

"Volles Vertrauen" trotz "Folter"

Das aber wird immer wahrscheinlicher, und lange wird ein CIA-Direktor, dessen Mitarbeiter das eigene parlamentarische Aufsichtsorgan bespitzelt haben, nicht mehr zu halten sein. In seiner Stellungnahme am Freitag zu diesem neuerlichen CIA-Skandal hielt Präsident Obama zwar weiterhin an Brennan fest und sprach ihm sein "volles Vertrauen" aus.

Nancy Pelosi gehört dem US-Repräsentantenhaus bereits seit 1987 an. 2006 wurde sie als erste weibliche Abgeordnete zum Sprecher des Hauses gewählt, dieses Amt übte sie bis 2011 aus. Bereits im März hatte Pelosi mit mehreren Wortmeldungen zum selben Thema aufhorchen lassen. Die Kernaussage: Die Abgeordneten fürchteten die Rache der CIA.

Brennan habe sich stets für die Aufklärung des Skandals eingesetzt und einen Arbeitsstab eingerichtet, damit sich derartige Vorfälle nicht wiederholten. In der Sache selbst redete Obama hingegen am Freitag Klartext. "Ja, wir haben ein paar Leute gefoltert", denn "jeder aufrichtige Mensch würde diese 'verschärften Verhörmethoden' als 'Folter' bezeichnen".

Leak war "versehentlich"

Warum nicht nur die CIA, sondern der gesamte Geheimdienstapparat die Veröffentlichung der Zusammenfassung des Tausende Seiten umfassenden Folterberichts unbedingt verhindern will, zeigt sich anhand einiger mittlerweile durchgesickerter Details daraus. Die neuesten stammen aus einer E-Mail, die am Donnerstag aus dem Weißen Haus an die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) geschickt wurde.

Die Weiterleitung dieses vierseitigen Dokuments mit "besonders sensitiven Informationern" an AP war nach Darstellung eines Regierungssprechers eine "Einzelaktion" und auf ein "Versehen" zurückzuführen. Das namentlich nicht gezeichnete Dokument enthält die Argumentationslinie für eine Stellungnahme des Außenministeriums, die offenbar nach der Publikation des Berichts erfolgen sollte. Sie ist fast gleichlautend zur Argumentation Präsident Obamas, die tags darauf erfolgte.

Angst vor Reaktion der Öffentlichkeit

Dieser Bericht erzähle "eine Geschichte, auf die kein Amerikaner stolz ist" heißt es da, doch er sei auch Teil einer anderen Geschichte, auf die man stolz sein könne. Er zeige nämlich, dass die Prozesse des demokratischen Systems der USA wie vorgesehen funktionierten, um Aktionen zu beenden, die den Werten der Demokratie widersprächen.

Der Bericht von Associated Press vom Donnerstag. Zudem stellt die Nachrichtenagentur auch das gesamte Originaldokument des US-Außenministeriums zur Verfügung.

Aus dem dort aufgelisteten Katalog der nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts erwarteten Fragen der Medienvertreter geht ziemlich klar hervor, dass man sich im Außenministerium um die Reaktion der Öffentlichkeit sorgt. Zudem werden andere ebenfalls bereits durchgesickerte Informationen über das Folterprogramm der CIA bestätigt. Die wohl brisanteste darunter ist, dass die Folter - anders als von den Militärgeheimdiensten behauptet - gar nicht die erwünschten Erkenntnisse gebracht habe.

Behördlicher Mitteilungsdrang

Besonders auffällig in dieser Sache ist, dass sich in einer wachsenden Zahl von Medien immer mehr hochrangige Behördenvertreter anonym zu Wort melden. Sowohl Associated Press als auch andere Medien zitieren ungenannte Personen, denen der Untersuchungsbericht bereits bekannt ist, die dabei getätigten Aussagen sind dabei annähernd deckungsgleich.

Der Bericht von Jason Leopold bei VICE ist mit "Der Senat ist nicht allzu glücklich darüber, dass die CIA den Senatsbericht über CIA-Folter zensuriert habe" sehr moderat betitelt, der Inhalt ist absolut lesenswert.

So zitiert das Onlinemagazin VICE weitere Quellen, deren Aussagen dazu durchaus stimmig sind und eine Erklärung für die erbitterte Auseinandersetzung um die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts liefern. Hochrangige CIA-Beamte hätten demnach die parlamentarischen Kontrollorgane zwischen 2003 und 2005 gezielt belogen und der Presse Falschmeldungen über den Erfolg des Programms bei der Bekämpfung von Terrorismus untergejubelt.

Erwartetes Köpferollen

Darüber hinaus enthalte der Bericht des CIA-Untersuchungsausschusses Informationen über die Art und Weise der Unterbringung der Gefolterten und weitere bis jetzt noch unbekannte Foltermethoden, die noch über die bereits erlaubten Mittel hinausgingen. Das ist eine an sich hinreichende Erklärung für die über Washington liegende große Nervosität. Falls sich auch nur ein Teil dieser Informationen als richtig erweist, werden nicht nur in der CIA Köpfe rollen und strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden.

"Wenn er über den Einbruch Bescheid wusste, dann hat er offen gelogen. Wusste er es nicht, so ist ihm die Kultur der Gesetzlosigkeit, die sich in der CIA eingebürgert hat, entgangen" hieß es im Leitartikel der "New York Times" am Donnerstag.

Dann wird man nicht umhinkommen, auch die politisch Verantwortlichen dafür vor Gericht zu stellen. Bis jetzt weigerte sich das Justizministerium, strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen, trotz der vielfach in Aussagen der Opfer dokumentierten Foltervorwürfe ist das bis dato nicht erfolgt. Auch hier liegt eine plausible Erklärung auf der Hand: Das Justizministerium müsste in diesem Fall gegen jene Juristen im eigenen Haus strafrechtlich ermitteln, die im Jahr 2002 grünes Licht für die Einführung solcher Verhörmethoden gegeben hatten.