Erstellt am: 3. 8. 2014 - 17:57 Uhr
Musik ist meistens da als absoluter Trost
Minutenlang gehen die Rufe nach Zugaben noch weiter, nachdem Benjamin John Power und Andrew Hung bereits die Bühne verlassen haben. In der letzten Stunde haben die beiden in gewohnt strenger, minimalistischer Aufstellung an einander gegenüberstehenden Tischen wieder einmal bewiesen, warum es nichts gibt, das so ist wie ihre Band Fuck Buttons. Noise und Drone werden in ihrer Musik zu einem sich ewig morphenden Koloss aus Beatrollen und schneidenden Synthesizerflächen, so eindringlich, dass es weh tut, so harmonisch, dass man sich fallen lassen will. Es ist ebenso Ambient wie Rave und funktioniert als avantgardistischer Soundentwurf ebenso wie als Musik der reinen Körperlichkeit. Hinter den Musikern bewegen sich auf der Leinwand ihre Silhouetten auf magische Weise als Wärmebilder oder Negativschatten mit.
Sebastian König
Dass nach einem solchen Konzert im Allgemeinen und vor allem auch im Kontext des restlichen Lineups eine Band wie Fuck Buttons als Headliner auftritt und aus den durch die intensive Dröhnung zwar doch merklich gelichteten, aber nicht minder euphorischen oder kontemplativ lauschenden Besucherreihen solchen Zuspruch bekommt, ist exemplarisch für die besondere Stimmung in den Hallen und die Aufgeschlossenheit und den Liebreiz der Menschen, die das STUCK! Festival anzieht.
Sebastian König
Es ist ein Ort, an dem ein junger Mann im Publikum die gesamten Texte von Denas Debütalbum "Flash", das die Berlinerin am Freitagabend in Zweier-Besetzung gewohnt sympathisch und funky zur Aufführung bringt, auswendig mitrappen kann. Wo ein Freundestrio extra aus Wien wegen der noch unbekannten, isländischen Zauberelfen-Elektronik-(mit Klarinette!)-Band Samaris nach Salzburg fährt und im strömenden Regen am Campingplatz übernachtet, weil alle Hotels und Herbergen ihre Preise wegen der Festspiele verdreifacht haben. Wo man sich nicht einfach auf den trommelnden Elektronik-Bastler Slow Magic freut, der sich im Laufe seiner Show leider etwas zu oft auf den antreibenden Effekt des Trommelns verlässt, sondern sich wie zwei Besucher die große, bunte Maske, die der anonym agierende Produzent zu allen Zeiten aufhat, aufwändig zuhause aus Karton nachbastelt und den ganzen Abend am Hinterkopf trägt. So ein Festival ist das.
Sebastian König
Der zweite Floor des Rockhouses wird Samstagnacht außerdem zu dem Ort, wo beim Konzert der Band Trümmer alles Gute, das Popmusik ausmacht und auszulösen vermag, zusammenkommt. Als eigentlich einzig richtig rockiger Act des diesjährigen STUCK!-Lineups hauen sie nicht nur ordentlich in die Saiten und es sei nur nebenbei bemerkt, dass Trümmer auch versierte Musiker sind und die Schrammeligkeit des DIY-Punks ihnen rein technisch fern liegt.
Sebastian König
"Wir lassen es uns gut gehen, doch es geht uns nicht gut" - der reine Protest gegen eine Gesellschaft, in der jeder vom normierten Weg abgelegene Lebensentwurf bestraft und nahezu unmöglich gemacht wird, ist Trümmer zu wenig, auch wenn er der Nährboden und Motor ihres Schaffens ist. Den Zeigefinger und die ausformulierte Theorie braucht es hier gar nicht, um die Message dieser Band zu übermitteln, denn Trümmer verstehen, ebenso wie etwa Tocotronic oder Ja, Panik auf ihren letzten Platten, Popmusik als Chance, Gefühle zu vermittlen, als Anregung zum Nachdenken ebenso wie als Quelle positiver Energie, die man braucht, um weiter zu machen. Trost, Aufbruch: Euphorie. Wir wollen Straßen voller Schmutz und dunkelrotes Licht und ein paar verlorene Seelen, ein paar wie dich und mich.
Sebastian König
Der immergute Dorian Concept wird später in dieser Nacht noch eines seiner letzten Livesets spielen, die sich hauptsächlich auf Microkorg und Laptop beschränken. Wer ihn noch nie live gesehen hat und auf die Wucht aus verschlungenen Melodiesträngen und Beatbrechungen nicht vorbereitet war, wundert sich mitunter sogar, ob denn das ganze Geflitze über die Tasten überhaupt echt sei und die Geschwindigkeit, mit der sich Oliver Johnsons Finger bewegen, noch im Rahmen des menschlich Möglichen. Sein Liveset ist nur zu zehn Prozent vorausgeplant, denn Dorian Concept hantelt sich anhand einiger Angelpunkte in den Tracks in jene Richtung, die ihm Körper, Geist und Publikum des jeweiligen Abends eingeben. Musik wie eine Südfrucht voll ungeahnter Aromen und Säfte, ein Beat, der atmet, Geschmacksexplosion.
Sebastian König
Sebastian König
salute., mit frisch bestandener Matura in der Tasche und kurz vorm Umzug zum Studium nach Brighton, mixt unmittelbar danach am zweiten Floor R'n'B, Bass Music, House und HipHop in beeindruckender Geschwindigkeit und unbedingter Tightness zueinander. Kaum hat sich eine neue Bassline vorgestellt, wird sie schon von der nächsten abgelöst und durch zerhackte Vocals überlagert. Hier kommt eine Behauptung: es ist das Set, bei dem das Publikum beim diesjährigen STUCK! am meisten die Kontrolle verliert. Hinein in den Taumel mischt sich allerdings bereits eine erste Unruhe, dass es nun bald vorbei ist mit der diesjährigen Edition des Festivals und man nun wieder ein Jahr warten muss, bis man mit blauem Festivalbändchen am Handgelenk, den STUCK!-Timetable in der Hand auf dem Vorplatzerl des Rockhouses mit freundlichen Menschen sich gegenseitig gut verstehen kann.
Sebastian König