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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 8. 2014 - 09:00

The daily Blumenau. Weekend Edition, 03-08-14.

Wöchentliches Begehren, unausgespielte politische Macht, Kollers gefallene Prätorianer, Abstellungspeinlichkeiten, Hochstaffl-News und der Mythos von der deutschen 2. Liga - Notizen zur Fußball-Woche. #fußballjournal14

The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

1

Es war Hannibal Lecter, der den Satz "Wir beginnen, das zu begehren, was wir täglich sehen" prägte. Was wir - jede Woche - sehen, fußballerisch, im ORF-Sonntagsspiel, das ist der SV Grödig. Und (in geringem Umfang, aber doch) der SKN St. Pölten in der 1.-Liga-Live-Übertragungen in ORF Sport plus. Beide tauchen dann auch Donnerstag an den Euro-League-Abenden auf. Das andere bedingt das eine, rein regulativ.

In den letzten Saisonen waren es Rapid, die Austria und zuletzt Salzburg, die diesen Donnerstag-Sonntag-Rhythmus hatten. Damals schien das normal; und angebracht. Das Schicksal der wesentlichen Vereine so hautnah verfolgen zu können, das hatte was von einer daily soap, na gut, einer weekly soap.

Ganz eng dran sein an Grödig und St. Pölten ist sicher auch fein; aber nur für recht wenige. Nichts oder kaum etwas von den Wiener Großklubs oder den populären Grazern mitzubekommen, wiegt vergleichsweise schwerer. Ich will nicht behaupten, dass viele Fußball-Fans sich ein schnelles Ausscheiden der beiden kleinen Vereine wünschen, aber es werden auch nicht allzu wenige sein. Das ist egoistisch und gemein, aber eine Tatsacher. Wenn Grödig und St.Pölten weiterkommen, wird sich Rapid Wien dazugesellen und womöglich für ein Donnerstags-Sonntags-Doppel sorgen. Was dann wieder einigen zu viel an weekly-soap wäre.

2

In dieser Woche haben zwei Salzburger Teams international ohne Fan-Unterstützung gespielt.
Am Donnerstag der SV Grödig, der schon in der wenig weit entfernten Stadt Salzburg keine Sau (oder besser: nur 1986 Zuschauer; und damit 153 weniger als beim Match gegen die bereits besiegten Belgrader in der Runde davor... ) interessierte - und am Mittwoch Red Bull Salzburg in Baku, der Azerbeidjanischen Hauptstadt, in der Qarabag Agdam der Gegner war. Und zwar nicht weil keiner mitkommen wollte (wiewohl die roten Bullen auch über keine schlagkräftige Fan-Basis verfügen, die großen Distanzen auf sich nehmen um ihr Team zu unterstützen und die Zahl sicher nur dreistellig gewesen wäre), sondern weil die Einreise-/Visa-Bestimmungen nach Azerbeidjan so kompliziert sind.

Es existiert kaum etwas, was Diktaturen oder autoritäre Systeme, die sich einen (leicht durchschaubaren) demokratischen Anstrich geben, an sich heranlassen, wenn Staatengemeinschaften wie die UN oder die EU auf die Einhaltung von Menschenrechten oder andere, im normalen Umgang von Staaten selbstverständliche Usancen pochen. Es existiert nur ein Bereich, der auch die modernen Zaren zu Konzessionen verleiten kann: der Fußball. Es gibt z.B. nichts, wovor sich Putin mehr ins Hemd, macht als ein Entzug der nächsten Fußball-WM.

Ich wette dass die UEFA, dann wenn die Red Bull-Verantwortlichen und andere Betroffene (und es sind ja nicht nur die Aseris, die da ganz bewusste Abschottungs-Politik betreiben) ein wenig Druck machen würden, den an den nationalen Verband weitergeben könnten. Etwa mit dem Rute-ins-Fenster-Hinweis auf das Regulativ: schließlich kann die gezielt geplante Absenz von Auswärts-Fans die Resultate beeinflussen. Und, ja, so gesehen sind UEFA und vor allem FIFA potentiell deutlich mächtiger/einflussreicher als andere Organisationen ohne Durchsetzungs-Pouvoir. Die Fußball-Körperschaften sind, was das betrifft, in etwa gleich stark wie Groß-Konzerne. Warum Lobbyisten dieses Potential noch nicht erkannt haben, warum nicht etwa die EU einen ständigen Repräsentanten bei der UEFA hat, ist mir nicht klar.

Andersrum läuft das Spiel ja auch ganz schön rund: die Austria Wien verhandelt aktuell mit einem aserischen Groß-Sponsor; wird sich womöglich vor den PR-Karren eines unsäglichen Regimes spannen lassen.

3

Die etwas hoch ausgefallene Niederlage der österreichischen U19 im EM-Semifinale gegen den späteren Turniersieger (Deutschland, offenbar jetzt auf Jahre hin unschlagbar... ) hat es ein wenig überdeckt: die ÖFB-Junioren des Jahrgangs 1995 (und jünger) haben sich für die nächste, im fernen Neuseeland stattfindende U20-Weltmeisterschaft qualifiziert. Das ist die dritte Teilnahme seit 2007 (Kanada, Österreich wurden unter Gludovatz Vierter - danach folgte Kolumbien 2011, Out in der Gruppenphase unter Heraf) - eine sensationelle Quote.

Das Turnier wird zwischen 30. Mai und 20. Juni 2015 stattfinden und ich kann jetzt schon die vor Verlogenheit wimmernden Ausreden von einigen Vereinen hören, warum der eine oder andere dringend benötigte Jungkicker nicht abgestellt werden kann. Top-Kandidat ist der angeblich so sehr an Aus- und Fortbildung interessierte, international aufgestellte Red Bull-Konzern, der es schon im Juli nicht zulassen konnte, dass Tino Lazaro, eines der Top-Talente des Landes, die EM-Endrunde bestreiten durfte. Er wurde ganz urdringend daheim gebraucht um auf der Bank zu sitzen oder wenigminütige Kurzeinsätze zu absolvieren.

Das ÖFB-Team ist 2011 unter anderem daran gescheitert, dass eine ganze Menge an hervorargenden Akteuren (auch von Salzburg) nicht abgestellt wurden. Die ÖFB-Führung sollte daraus gelernt haben und mittlerweile geschickter verhandeln (Andreas Heraf und Sportchef Ruttensteiner kennen das Spiel jetzt ja schon); es obliegt aber auch der Fußball-Öffentlichkeit dieses Thema nicht schlcht zur Kenntnis zu nehmen, sondern entsprechenden Druck zu machen und die Sonntagsredner der Vereine in die Praxis-Pflicht zu nehmen. Nicht nur, weil diese WM vielleicht die einzige sein wird, die österreichische Kicker, auch die des Jahrgangs 1995, überhaupt jemals bestreiten werden können.

4

Etwas besser sieht es für die ab 2016 mit 24 Nationen durchgeführte EM-Endrunde aus. Aber auch da gilt es, die besten Kräfte zu bündeln, vor allem für den ÖFB. Dabei reißen die Rückschläge nicht ab. Und sie betreffen exakt die Spieler, die Koller für unverzichtbar hält und zu denen er auch eine echte persönliche Beziehung (aufgebaut) hat: seine Prätorianer.
So ist Robert Almer, der Einser-Tormann von Marcel Koller, nur als Bankerlsitzer bei Hannover untergekommen. Sein Trauzeuge, Kollers Kapitän Christian Fuchs, steht zwar im Kader von Schalke 04, soll aber noch im August ausgemustert/abgegeben werden. Und jetzt hat auch noch Kollers Stoßstürmer Mark Janko einen Vertrag im am allerweitest entfernten Fußball-Land überhaupt, bei Sydney in Australien unterschrieben. Normalerweise ist so ein Transfer das Ende einer Team-Karriere; Koller hat sich aber so sehr von Janko abhängig gemacht, dass er vordringlich daran denkt, wie er seinen zweiten Kapitän so schonend wie möglich über die Ozeane bringt anstatt sich mit Alternativen im Angriff auseinanderzusetzen. Man kann das als wunderbaren Beleg für die fast schon ausgestorbene Tugend der Treue ansehen; man kann es aber auch als bescheuklappte Fahrlässigkeit auslegen. Im übrigen hat auch Emanuel Pogatetz aktuell keinen Verein, und wie lange Aleks Dragovic noch in Kiev bleibt, steht in den Sternen.

5

Dieses Wochenende hat die 2. deutsche Bundesliga begonnen; die hierzulande diesmal - medienwirksam - als die Österreicher-Liga schlechthin bezeichnet worden ist. 18 Kicker und ein Trainer, das ist eine echte Menge - und tatsächlich mehr als die 15 österreichischen Spieler (und der eine Trainer), die sich im Oberhaus, der 1. Bundesliga tummeln.

Wenn man einem beschränkten Bildausschnitt folgt, dann mag das so wirken - das ganze Bild jedoch, the greater picture, zeigt eine andere Geschichte.

So sind es 19 bzw. 17 Spieler, die uns zu interessieren haben (Stipe Vucur, der hierzulande einem Österreicher gleichgestellte Kroate bzw. die Herren Leitner und Schmid werden da gerne unter den Tisch fallen gelassen) - kein allzu großer Unterschied; auch nicht im Trainer/Betreuer-Fach (6 zu 7).
Den macht vor allem der Nachwuchs: während sich in den Amateur- und Jugendmannschaften der Bundesliga-Vereine gleich zwei Dutzend österreichische Talente tummeln, sind es in Liga 2 ganze sechs. Auch ein schöner Gradmesser: in der Bundesliga sind nur drei "alte Bekannte", also auch vormals schon in Österreich tätige Legionäre, aktiv - in Liga 2 sind es mehr als dreimal so viele.

Die genauere Betrachtung sagt also: für den Mittelbau ist die zweite deutsche Liga ideal - weil kein Leistungsabfall zur heimischen Bundesliga eintritt. Zur Ausbildung oder gar um echte Karriere zu machen, geht man aber deutlich lieber in die Leistungszentren von Liga 1 im Weltmeisterland.

Fakt ist aber auch, dass die bislang von Österreichern gut besuchte 3. Liga nur mehr einen Bruchteil des Personals beinhaltet: bis auf das mit Österreichern in allen Bereichen gut besetzten RW Erfurt sind nur eine Handvoll Einzelkämpfer dort tätig. Und in den Regionalligen darunter sieht es mit der Ausnahme des Inn-Grenzklubs Wacker Burghausen noch düsterer aus. Insgesamt hat der Schub der heurigen 2. Liga also zu einem Niveauanstieg geführt.

PS

Weil in der heutigen Auslosung der 2. ÖFB-Cuprunde auch der eben pleite gegangene Regionalliga-Ost-Verein SC Ritzing dabei war (der Spielbetrieb bleibt dem Vernehmen nach aufrecht): hier hat sich, von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt eine echte Legende ein weiteres Denkmal gesetzt. Der vormalige FC Tirol-Manager (der den Innsbrucker Meisterverein mit 50 Millionen Schulden in die Pleite führte) Robert Hochstaffl ist "zuständiger Vereinsfunktionär". Diesmal hat er nur eine halbe Million Schaden verursacht. Schuld am Debakel ist aber nicht er, sondern die Verbände, die zugelassen haben, dass Hochstaffl wieder als Verantwortungsträger unterwegs ist.