Erstellt am: 1. 8. 2014 - 22:41 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 01-08-14.
The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Gestern und vorgestern gab es prioritäre Wichtigkeiten; die anfallenden #fußball-journal14-Einträge dieser Woche werden am Wochenende gebündelt. Mit der Täglichkeit in diesem August sieht es weiter schlecht aus, sorry.
#blacksails #bewegtbild #tvseries #pirates
Ich kann mir vorstellen, dass es Lustigeres gibt als mit mir ein österreichisches Fußball-Match anzusehen; oder eine Dylan-Doku; oder ein Medienmagazin.
Klar, es ist bei allen, die sich in einem Gebiet echt gut auskennen, anstrengend, der sich-weniger-gut-auskennende Partner zu sein, und das Fachgenörgel mitzumachen. Denn das Niveau mag noch zu hoch sein: als Auskenner kann man sich auch an Details festbeißen.
starz
Bei Black Sails, der aktuellen Piraten-Serie des US-Pay-TV-Players Starz, die gerade auf Pro7 läuft, ist es umgekehrt: die Rolle der Expertin wird von der Mutter meines Kindes ausgefüllt, die sich nicht etwa Depp-Fan-mäßig, sondern wissenschaftlich mit Piraten-Literatur beschäftigt - ein fetter Teil der Bibliothek, die während ich das tippe, in meinem Rücken wuchert, ist dem Thema gewidmet. In einem davor liegenden kindergerechten dicken Bildband/Reader mit Zeichungen, Spielen, Gimmicks, allen gut erklärten Basics und einem grinsenden Jolly Roger samt Rubin-Auge blättert ein Eineinhalbjähriger jeden Tag voller Freude.
Wir hatten von Black Sails schon einiges gehört: das befreundete Paar, das sich die neuen Serien quasi zeitgleich zur US-Ausstrahlung immer runterrippt, hatte die erste Staffel schon früh im Jahr gesehen und gab die ersten Parameter an: Produzent ist Michael Bay, aber es kommt nicht so arg viel Tschin-Bumm wie man da erwarten mag; die Storyline entlang Stevensons (erfundener) Schatzinsel-Crew verfügt auch über einige historische Figuren; die zu wünschen übrig lassende Authentizität wird durch die Konzentration auf die politische Dimension durchaus wettgemacht. Schauspieler kenne man keine, außer dem Typen, der in Shameless den sexsüchtigen Jody gibt.
Und es war nun tatsächlich nicht schlimm. Für mich, oder besser den kleinen Buben in mir, der die Schatzinsel in drei Versionen gelesen und in sicher sieben Verfilmungen gesehen hat. Für die Expertin an meiner Seite war es nicht so einfach; das befürchtete Donnerwetter, die mögliche Verächtlichmachung als kompletter Vollschund blieb allerdings aus.
starz
Das hat mit dem halbweg realistischen Grundsetting zu tun: eine karibische Insel (New Providence Island auf den Bahamas), ein korrupter Gouvernor, der sich mit den Piraten der Region arrangiert und ihre Beute als Hehler vercheckt, die durch die ständig wechselnden politischen Machtverhältnisse zwischen Legalität und Rebellentum pendelnden Freibeuter, der Druck staatlicher Gewalt und die aus vielen Ich-AGs bestehenden Schiffs-Crews - alles zumindest nahe an der Realität.
Interessanterweise ist die Besatzung von Captain Flint, auf dessen Spuren sich Stevensons Geschichte von Treasure Island bewegt, auf der guten Seite. Billy Bones (der in der Schatzinsel Jim Hawkins die Karte überlässt und so die Story ins Rollen bringt), der noch beidbeinige John Silver (Stevensons wunderbarer Bösewicht), Flint selber, aber auch Sidekicks wie Redruth - sie sind Schlitzohren, aber noble Schlitzohren.
- Serien auf FM4
Bei den historischen Figuren von 1715 wie Charles Vane, Benjamin Hornigold, Jack Rackham und vor allem Anne Bonny bleibt ein zwiespältigerer Eindruck. Rackham und Bonny, die tatsächlich ein Paar waren, werden wie durchgeknallte Psychos dargestellt - Bonny wohl, um sie von den beiden anderen (erfundenen) Frauen-Figuren abzusetzen. Sie in jeder Szene mit tief ins Gesicht gezogenem Hut und Haaren vor zumindest einem Auge zu sehen, ist ein allzu angestrengtes Typecasting - obwohl es der Abbildung aus Captain Charles Johnsons Buch (dem wohl fälschlich Daniel Defoe zugeschriebenen Standardwerk jener Zeit - "A General History of the Robberies and Murders of the most notorious Pyrates") durchaus ähnlich sieht.
So differenziert die politischen Ränkespiele im permanenten Überlebenskampf dieses Mikrokosmos auch ausgeführt sind, so schön die Intrigen auch greifen, so schaurig-schmutzig-blutig die geschundenen Gesichter auch daherkommen, so klug etwa die Enterszene der (auch realen) Urca de Lima inszeniert ist, so geschickt eingewoben die Rolle der Schwarzen ist - es sind dann zentrale Kleinigkeiten, die Schwierigkeiten machen, komplett in die Geschichte einzutauchen. Die fälschlich eingesetzte irish folkmusic etwa. Und vor allem die John Silver-Figur etwa hat genau gar nichts von der abgebrühten Listigkeit, die später bei Stevenson die Hauptrolle spielt, sie versprüht nur üble Schmiere.
Die Frauenrollen sind, aller Stärke der Figuren zum Trotz, allzu vordergründig für den Endzweck beim Zuschauer geschaffen worden. Von allen Liebes-/Sexszenen wird nämlich die lesbische zwischen Max, der Hure und Eleanor Guthrie, der geschäftsführenden Tochter des Gouvernors, am deutlichsten ausgespielt. Zwar mit (in den USA verfemter) Schambehaarung, aber trotzdem rein voyeuristisch.
Klar, sagt die Expertin, das muss so sein, es ist boys territory, es ist und bleibt der Spielplatz der Buben. Dass sie sich seit Jahren mit diesem Thema beschäftigt, ist wohl nur der Tatsache geschuldet, dass man auch diese ewige alte Projektionsfläche nicht nur den Jungs überlassen soll, wenn man die Bezüglichkeiten neu sortieren will. Und natürlich hat ein angenehm irrer, offen bisexueller Kunst-Pirat wie Jack Sparrow die Tore für einen anderen Blick auf die einstens rein den Machos vorbehaltene Welt weit aufgemacht. Wenn jetzt die Serienmacher nachziehen (und es gibt zumindest eine Blackbeard-Serie im Tornister) dann liegt das Anspruchs-Niveau wohl eher schon dort. Mein level of acceptance hat mehr mit Robert Louis Stevenson und den Moral-Kodizes seiner Schatzinsel zu tun. Und kriegt damit dieselben Probleme wie alle Prequels; muss sich am vorliegenden Standardwerk messen lassen.
Black Sails geht sich, wenn man einmal weiß wer wer ist und warum wie handelt, zum Nebenbeischauen aus. Die dicht gewobene, aus sich selber heraus grandiose Geschichte, die dich in den Bann zieht und alles andere vergessen lässt, ist es nicht. Egal ob man Experte ist oder nur Buben-Literatur-Leser.