Erstellt am: 1. 8. 2014 - 11:41 Uhr
In your face, Facebook!
Der Kampf David gegen Goliath, österreichischer Facebook-Nutzer gegen das US-Unternehmen Facebook geht weiter: "Wir wollen erreichen, dass Facebook im Bereich Datenschutz endlich rechtskonform agiert", sagt Max Schrems von Europe vs. Facebook.
Am Donnerstag hat der 26-jährige Salzburger eine 44 Seiten lange Klage beim Handelsgericht Wien eingebracht. Waren es wegen Facebooks Datenschutzverstößen bisher immer Anzeigen gegen Facebook Ireland bei der irischen Datenschutzbehörde, so greift Max Schrems jetzt zum nächsten juristischen Mittel: Er klagt Facebook Ireland auf datenschutzrechtliche Unterlassungsansprüche und Schadenersatz beim Handelsgericht Wien.
"Nachdem wir gemerkt haben, dass die Datenschutzbehörden in Irland in den drei Jahren kein Interesse hatte, substanzielle Änderungen durchsetzen wollten, haben wir jetzt den zweiten Weg eingeschlagen. Neben Anzeigen bei der zuständigen Datenschutzbehörde, kann man ein Unternehmen auch einfach direkt klagen", erklärt Max Schrems, "und als Konsument kann man praktischerweise die Klage an seinem Heimartort einbringen".
Und der Inhalt der Klage?
Salopp gesagt: die bereits bekannten Ärgernisse von Nutzern und Nutzerinnen aus dem Facebook-Universum: dass die Datenschutzrichtlinien von Facebook unverständlich und ungültig sind, dass Facebook Nutzerdaten an das NSA-Überwachungsprogramm "PRISM" weiterleitet, dass Facebook das Surfverhalten von Facebook-Nutzer über den Like-Button verfolgt, die unerlaubte Weitergabe von Nutzerdaten und die Einführung der Facebook-Suche "Graph Search".

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Max Schrems ruft alle Facebook-Nutzer und Nutzerinnen auf, sich bei seiner Klage anzuschließen und daraus eine Art "Sammelklage" zu machen. "Mit jedem zusätzlichen Teilnehmer, steigt auch der Druck auf Facebook", appelliert Schrems.
Wer sich also von Facebook in seinem Grundrecht auf Datenschutz verletzt fühlt (bzw. wem die oben aufgezählten Punkte der Klage auch nicht gefallen), kann sich dem Verfahren von Max Schrems über eine App für Computer und Smartphone unter www.fbclaim.com anschließen. Nutzer müssen sich dort über Facebook anmelden und ein Foto/eine Kopie eines Ausweises hochladen. Über die App treten Nutzer und Nutzerinnen die eigenen Schadenersatzforderungen an Max Schrems ab und beteiligen sich so an einer Art "Sammelklage".
Mitmachen können alle, die Facebook privat und außerhalb der USA und Kanada nutzen, das sind etwa 81,2% der aktiven Nutzer weltweit, und volljährig sind.
"Viele Nutzer und Nutzerinnen beschweren sich über die Datenkrake Facebook, die ohne Rücksicht auf Privatsphäre der Nutzer Daten sammelt. Aber niemand wehrt sich", bringt Max Schrems das Problem auf den Punkt, "im Rahmen dieser Sammelklage kann jetzt jede/r Einzelne einen Beitrag für mehr Datenschutz leisten."
Österreichische "Sammelklage"
Die "Sammelklage" steht unter Anführungszeichen, da es sich um eine österreichische Lösung handelt: Eine Sammelklage im eigentlichen Sinn gibt es in Österreich nicht. Es ist aber möglich, dass viele Nutzer ihre finanziellen Ansprüche an eine Person übertragen, also "abtreten". Das Verfahren bleibt juristisch gesehen ein Verfahren zwischen zwei Parteien (Max Schrems und Facebook Ireland Ltd., der Tochterfirma von Facebook Inc.), wirtschaftlich wird damit aber eine "Sammelklage" bewirkt.
Schadenersatz bei Datenschutzverletzungen?
Und welche Summe fordert man als Kläger ein, wenn man sich in seinen Datenschutzrechten verletzt fühlt? "Eine Summe für den Schaden an der Privatsphäre ist nicht objektiv bestimmbar", so Max Schrems, "daher wurde der Schaden mit symbolischen 500 Euro pro Nutzer angesetzt. "Eine niedrige Summe", ergänzt der Datenschutzaktivist. "Uns geht’s nicht um eine monströse Summe, sondern um eine Summe, die Facebook wehtut. Ist die Summe nicht groß genug, wird Facebook die Klage nicht ernsthaft betrachten", meint Schrems, "aber wenn viele Tausend Nutzer teilnehmen, würden wir eine Summe erreichen, die Facebook spürt." Max Schrems selbst verdient nichts an der Klage, er betont: "Das ist für mich ein politischer Akt".
Prozesskostenfinanzierung
Für Facebook-Nutzer und Nutzerinnen, die sich an der Sammelklage beteiligen wollen, besteht kein Kostenrisiko, erklärt Max Schrems, der als alleiniger Kläger auftritt. Denn finanziert wird die Sammelklage von der Prozesskostenfinanzierungsgesellschaft ROLAND ProzessFinanz AG. "Für einen "Normalsterblichen" ist das finanzielle Risiko aus eigener Tasche gegen einen großen Konzern zu klagen, viel zu groß", so Schrems, "denn die Gerichtskosten müssen von der unterliegenden Partei übernommen werden." Diese Kosten übernimmt bei einem negativen Ausgang der Klage die Roland ProzessFinanz AG, im Erfolgsfall erhält der Prozessfinanzierer 20%. Alle erlangten Ansprüche werden, (abzüglich Kosten und Prozessfinanziereranteil) an die Teilnehmer ausgeschüttet.
"Wir haben große Sympathien mit dem Anliegen von Max Schrems, den Datenschutz in Europa zu verbessern", sagt Arndt Eversberg, Vorstand der ROLAND ProzessFinanz AG, "und die Prozesskostenfinanzierung ist eigentlich ein altes Geschäftsmodell: bei einer Sammelklage vielen Kleinen eine Stimme gegen einen Großen zu geben. Und genau das wollen wir, die Davids gegen den Goliath unterstützen".
Max Schrems ergänzt: "Wir können den Leuten natürlich nicht versprechen, dass sie viel Geld aus dem Verfahren bekommen. Aber es geht auch darum dass Nutzer und Nutzerinnen sagen: Ich find das nicht okay, dass große Konzerne mit meinen Daten tun und lassen, was sie wollen. Facebook ist jetzt nur ein Beispiel. "
Nachlese
Beinahe drei Jahre sind jetzt seit den ersten (insgesamt dann 23) Anzeigen gegen Facebook Ireland wegen Datenschutzverstößen bei der irischen Datenschutzbehörde verstrichen. Passiert ist seitdem seitens Facebook eher wenig. Okay, das US-Unternehmen hat ein bisschen oberflächliche Gesichtskosmetik betrieben: Facebook hat die Datenschutzrichtlinie weltweit geändert, der Inhalt ist aber derselbe geblieben, nur eben ein bisschen anders formuliert. Und Facebook hat medienwirksam die automatische Gesichtserkennung auf Facebook gestoppt.
Wer vom "Facebook-Typ" Max Schrems schon genervt ist, dem sei gesagt: der junge Jurist fordert nur sein Recht auf Datenschutz und Privatsphäre ein. Facebook ist nur ein Beispiel von vielen, aber irgendwo muss man ja anfangen.