Erstellt am: 2. 8. 2014 - 05:00 Uhr
Mit Clara Luzia durch Cornwall
Ich glaube, sie gehören zu einer aussterbenden Spezies Mensch, diese absoluten Musikfreaks, die Bands nachreisen, Platten nachjagen und Musik als Grundnahrungsmittel brauchen. Ich hatte das Glück, dass uns vor rund drei Jahren so einer begegnet ist und uns seitdem begleitet. Mark Sewell heißt unser Mann. Er hat fast mehr Konzerte von uns besucht als ich selbst und bald war ihm das auch nicht mehr genug, er entwickelte eine Art missionarischen Drang und organisierte Konzerte für uns in seiner Heimat England, um unsere Kunde in die Welt zu tragen. Wir spielten also letztes Jahr ein paar Konzerte in Bristol und London, sowie eine Live-Session in Marc Riley’s Show auf BBC6. Reicht natürlich nicht, also heuer gleich noch einmal retour nach England: Diesmal stand neben Marks Heimstadt Bristol das schöne Cornwall auf dem Plan: Kaum ein Dörfchen an der fabelhaften Küste, das Mark nicht mit uns beglücken wollte. And it was worth it!

Cathi Priemer
Das Schöne an England ist, dass die Popkultur im Mainstream verankert ist. Sie ist fixer Bestandteil britischer Kultur und kein geduldetes, milde belächeltes Paralleluniversum. Bands spielen überall und alle spielen in Bands.
Die Altersspanne, die unser Publikum aufwies, reichte von zwölf bis achtzig, und die heftigsten TänzerInnen und BrüllerInnen waren meist jene, von denen ich vor dem Konzert dachte, sie würden beim ersten Einsatz des Fuzz-Pedals empört gehen. Gut, wenn mir die eigenen Vorurteile so gründlich um die Ohren gedroschen werden. Die Konzerte, die ich mit Cathi Priemer (Schlagzeug) und pauT (Bass) spielte, waren also recht lebhaft und aufgekratzt, weil das Publikum die Interaktion mit der Band sucht und sich ständig mit Zwischenrufen, Cheers, Fragen und Mitsingversuchen ins Geschehen einbringt. Konzerte, die sich nicht wie Musikschul-Vorspielabende anfühlen - da sage ich nur, yeah, yeah, yeah!

Mark Sewell
Gespielt wurde in den örtlichen Pubs, die alle irgendwo irgendwie Platz haben für Live-Bands. Kleine PA, kleines Mischpult und geht schon! Drums meist nicht mikrofoniert und auch Gitarre und Bass kamen oft nur direkt aus dem Amp. Die Soundchecks wurden entsprechend beiläufig gehandhabt. In einer Bar wurden wir von der Schank aus gemischt, da das Mischpult in den Thresen eingebaut war. In einem anderen Pub war unser Soundmann der örtliche Pizzabäcker, der zwischen Mischpult und Küche hin und her flitzte - und beides war fantastisch: Sound und Pizza!

Mark Sewell
Die Antithese erlebten wir dann in einem kleinen Pub in irgendwo, wo uns John Cornfield mischte (Producer und Soundengineer von Supergrass, Muse, Stone Roses, Kashmir et al). Er kam mit einer Anlage angefahren, die problemlos auch eine 500er Halle beschallen könnte - wir spielten allerdings in einem rund dreißig Quadratmeter großen Hinterzimmer. Slightly over the top war das und ziemlich bizarr. Gehört hat uns so aber wenigstens gleich das ganze Dorf.

Mark Sewell
In die Bandgeschichte eingehen wird die (allzu späte) Entdeckung des englischen Ciders. Marks Warnung, das Getränk sei eine Zeitbombe, die unerwartet und zeitversetzt zuschlüge, wurde von uns freundlich ignoriert, um schließlich am eigenen Leib verifiziert zu werden. Der Rausch, in den uns dieses Teufelszeug versetzte, war ein zuverlässiger, nachhaltiger und äußerst humorfreudiger, der uns fantastisch schlafen ließ - daher war schnell und einstimmig geklärt: Täglich Cider!

Clara Luzia
Finanziert hat uns die Tour freundlicherweise unser Label Asinella Records. Also ich. Beziehungsweise meine Bank durch den dehnungsfreudigen Überziehungsrahmen meines Kontos. Gagen gibt es in England für derartige Konzerte ja nicht, nur kleine, eher symbolische Beiträge für die Benzinkasse. Die wurde auch meist noch am selben Abend von uns vertrunken, denn Catering spielt’s ja bekanntlich auch nicht, sprich Essen und Trinken, was zwischen Ankunft und Abfahrt konsumiert wird, muss man selbst bezahlen. Detto die Flüge, detto die Unterkunft, detto das Mietauto und detto Diesel. Lässt sich aber alles mit Cider schöntrinken. Und bei Bühnen mit Strandblick sage ich sowieso nur mehr: Danke! Danke! Danke!