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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

30. 7. 2014 - 18:14

Zwischen Aufregung und Hetze

Wenn Social Media zum Schlachtfeld wird: Das Problem mit der UETD, also dem Verein, der den Erdogan-Besuch organisierte.

Bis vor wenigen Wochen hat vermutlich kaum jemand in Österreich von der Union Of European Turkish Democrats (UETD) gehört, Facebook-Freunde des Grün-Politikers Efgani Dönmez vielleicht mal ausgenommen.

Dönmez warnt nämlich schon länger, will heißen - auch schon vor dem Wien-Auftritt des türkischen Premierministers, vor diesem Verein.

Die UETD gilt vielen als Vorfeld-Organisation der Erdogan-Partei AKP, auch wenn das vom Verein selbst oft anders klingt. Im Juni haben sie den Wien-Besuch von Erdogan organisiert - und auch sonst scheint sich der Verein entlang Erdogans Positionen zu orientieren, auch was die Haltung zu Israel betrifft. Diskussionen über die ideologische Ausrichtung der UETD, aber auch über andere türkische Vereine bis hin zur Mili Görüs, gibt es schon länger, nun scheinen sie allerdings auch in Österreich auf breite Resonanz zu stoßen. Anlässe gibt es dabei gleich mehrere:

1. Die Anti-Israel Demo und Bischofshofen

Vorletztes Wochenende fanden in Europa und eben auch in österreichischen Städten zahlreiche Kundgebungen gegen den Gaza-Konflikt im Allgemeinen und gegen die israelische Politik im Besonderen statt. Kollege Ali Cem Deniz war vor Ort und berichtete von einem "bunten Haufen aus pro-palästinensischen, muslimischen und linken Gruppen."

Allerdings kam es auch dabei zu Vorfällen: Durchgestrichene Davidsterne sind da noch vergleichsweise harmlos, in Bregenz berichteten Teilnehmer einer Pro-Israel Demo, dass sie mit Steinen beworfen wurden. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, sieht in diesen Demos die Vorzeichen zu dem, was Tage darauf am Fußballplatz in Bischofshofen passierte.

2. Shitstorm gegen ZiB-Moderatorin

Die Kollegen vom Fernsehen wollten daraufhin eine Studiodiskussion zwischen einem Vertreter der jüdischen Gemeinde, Tamir Pixner, und Abdurrahman Karayazili von der UETD on Air bringen, die dann in der Nacht von Freitag auf Samstag auch stattfand. Wie schon bei einer früheren Diskussionssendung war Karayazili auch in dieser Debatte seinem Stil treu. So hat er etwa Pixner mit einer israelischen Politikeraussage konfrontiert - und wollte eine ja/nein Antwort auf seine Frage nach Distanzierung. Als die Moderatorin ihn kurz später zu einer ähnlichen ja/nein Distanzierungsfrage aufforderte, verlor Karayazili die Nerven. Es endete mit dem Abbruch des Gesprächs, der UETD Vertreter stürmte aus dem Studio.

Der eigentliche Skandal war aber dann das, was sich danach auf den Facebook-Seiten von Karayazili, der UETD und ähnlichen Walls abspielte - eine Welle an gehässigen und verletzenden Kommentaren, bis zu "behinderte schielende Moderatorin" oder "Hure", war die Folge. Ein Shitstorm gegen die Moderatorin, der Beobachter ratlos und angewidert zurück lässt.

3. Neue Hass-Kommentare

Wer dachte, dass damit nun Ruhe einkehrt, die Stürmer erkennen, was sie lostraten und eine überfällige Phase der Selbstreflexion eintritt - der irrte. Nach wie vor sind zahlreiche Facebook-User aus dem UETD-Umfeld aktiv, die sich etwa mit Profilbildern wie "Fuck Israel" herumtreiben. In ihrer Weltsicht ist Israel (die aktuelle Politik Israels ist übrigens nicht Thema dieses Artikels, es geht um die ganze Sache) schuld an allem Unheil dieser Welt - wobei ihr Fokus klarerweise auf Gaza liegt. Kritische Worte zum Umstand, dass etwa islamistische ISIS-Terroristen aktuell Christen mit Todesdrohungen aus dem irakischen Mosul vertreiben oder zur Boko Haram, sucht man vergeblich.

Dafür bekommt man ausführlich ein Narrativ zu sehen, das sich liest, als hätte sich Pierre Vogel auf eine Montagsdemo verirrt: "Die Medien" seien zusammen mit "der israelischen Lobby" dafür verantwortlich, dass im Nahen Osten kein Frieden einkehre - wenn man länger nachfragt, scheint die Lösung nur in einer "Vernichtung Israels" liegen zu können.

Interessant ist, wie jene, die dann auch gerne "Respekt und Toleranz der österreichischen Mehrheitsbevölkerung" einfordern, selbst mit allem was "anders" ist umgehen. Heute etwa zu sehen, als jemand auf Facebook einen Zeit-Artikel "Türkei: Frauen sollen in der Öffentlichkeit nicht mehr lachen" geteilt hat. Tatsächlich findet sich darunter ein Kommentar von Abdurrahman Karayzazili selbst. Auf die Frage ob er - und die UETD - sich vom kolportierten "Lachverbot" distanzieren, schrieb er auf diese private Facebook-Wall.

FB-Post

Facebook / Radio FM4

Danach gab es kein Halten mehr, es folgte eine Kommentarflut, teilweise in deutscher und teilweise in türkischer Sprache, die ob der Wucht des Hasses erneut die Beobachter erschaudern lässt. Und man fragt sich bei Kommentaren wie "Ihr Hunde seid einen Scheiß wert", oder "Du Trottel gottlose Penner, eine anständige Frau soll wissen wie man sich benimmt, nicht wie die Huren bei euch!", welches Bild diese Menschen von der österreichischen Mehrheitsgesellschaft haben, von der sie sonst Toleranz und Respekt einfordern. Auch bei der Frage nach Religion scheint man mit verschiedenen Maßstäben zu messen. Nachdem ich selbst in diesem Thread einem Diskutanten erklärte, dass mich als Atheisten Christen-Beschimpfungen nicht treffen, erklärte er mir, dass "Religion das einzige sei, das den Mensch vom Affen unterscheide."

Fotomontage einiger Postings auf einer privaten FB-Wall

Facebook / Radio FM4

Fotomontage einiger Postings auf einer privaten FB-Wall

Ein "Shitstorm in the making", der verstörend Problemfelder im Bereich Integration aufzeigt und natürlich auch die Frage, wie die österreichische Politik, aber auch Gesellschaft, künftig mit Vereinen wie der UETD umgehen will.