Erstellt am: 30. 7. 2014 - 17:20 Uhr
Das Karussell dreht sich weiter
Begonnen hat es ungefähr mit Berlin Calling. Der sehr empfehlenswerte Soundtrack von Paul Kalkbrenner zum nicht recht empfehlenswerten gleichnamigen Film aus dem Jahr 2008 steht exemplarisch für eine Verschmelzung von Club- und Popmusik, die sowohl "schön", als auch "ein bisschen traurig" ist, und Stadien voll Menschen ebenso glücklich macht wie Radiostationen. Zur etwa gleichen Zeit wandte sich Oliver Koletzki in Kooperation mit seiner Frau Fran wie auch mit seinem Label Stil vor Talent einer eingängigen Form Technopop zu, heute ist die Palette mit etwa Milky Chance und Wankelmut um noch ein paar Facetten breiter. Irgendwann kam Julia Engelmann und brachte, wie vielleicht auch Leute wie Cro oder OK Kid, eine Art Generationengefühl auf den Punkt: Du kannst es schaffen, glaub an dich selbst, sei einfach mal glücklich.

Universal/Klangkarussell
In dieses Feld zwischen froh und melancholisch, Hoffnung und Eskapismus passen auch Klangkarussell mit ihrem Sound, aber wenn man Tobias Rieser und Adrian Held mit diesen Theorien konfrontierte, würden sie wohl nur freundlich mit den Schultern zucken. "Wir hören eigentlich keine Clubmusik und gehen kaum aus", sagen sie im Interview, "Sonnentanz ist uns einfach passiert. Mit dem Erfolg konnte ja keiner rechnen; wir freuen uns aber natürlich darüber." Der Track, vor zwei Jahren auf Youtube hochgeladen von einer fremden Person, hatte in kürzester Zeit an die fünfzig Millionen Klicks und hievte das Salzburger Duo in die Riege der weltweiten Festivalheadliner.
Der Major-Vertrag war schnell in der Tasche, und daraus, dass sie die Vocal-Version von "Sonnentanz" mit dem Soul-Sänger Will Heard ursprünglich nur aufgenommen haben, um auch auf BBC Airplay zu bekommen, machen sie kein Geheimnis. Eine Liveshow und endloses Songmaterial gab es damals noch nicht, dies hat sich mit dem Erscheinen von "Netzwerk" und der neu zusammengestellten Bandaufstellung, die durch einen Drummer und Keyboarder verstärkt wird, geändert.

Universal/Klangkarussell
Das Unprätentiöse ist ebenso wie im Gespräch mit den beiden auch Teil der Musik von Klangkarussell. Hier wird kein Genre erfunden oder neu definiert, man bekommt aber, was man erwartet, und das ist vor allem nicht wenig. Der Titeltrack "Netzwerk (falls like rain)" lässt das Saxophon weg, funktioniert als astreiner Mainstream-Sommerhit zwischen Radio, Youtube und Festivalbühne aber ebenso gut wie sein prominenter Singlevorgänger.
Es gibt mit "Symmetry" und "Moments" noch zwei weitere amtliche Popsongs darauf; sie sind mit Abstand die schlechtesten Momente der Platte, was ihrer Popularität natürlich keinen Abbruch tun wird. Am besten funktionieren Klangkarussell, wenn sie sich ein Stück weiter aus dem Fenster lehnen, auch wenn man die ihnen in einigen Rezensionen attestierte "Düsterkeit" noch mit der Lupe suchen muss. "We want your soul" beinhaltet ein Sample des gleichnamigen Tracks von Adam Freeland aus dem Jahr 2003. Die dazugehörigen Lyrics könnten in Zeiten von NSA und wöchentlichen Facebook-Neuerungen (danke für den neuen Zwang zur Messenger-App) gemäß ihrer ursprünglichen, von Freeland intendierten Bedeutung wieder neue Aktualität gewinnen.
Show us your children, your photos, your home.
Here, take credit, take insurance, take a loan.
Get a job, get a pension, get a haircut, get a suit.
Play the lottery, play football, play the field, snort some toot.
We want your soul.,
das wollen Rieser und Held im Interview aber nicht bestätigen: "Wir fanden einfach das Sample cool. Aber stimmt, irgendwie passt es ganz gut in die heutige Zeit." Es ist genau das, was man von den wirklich sehr sympathischen Klangkarussell und ihrem Album "Netzwerk" bekommt, harmonischen Technopop, der viele, viele Menschen froh und auch ein bisschen melancholisch machen wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Schulterzucken kommt danach.