Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Das unterirdische Datencenter der Königswarte"

Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

29. 7. 2014 - 18:37

Das unterirdische Datencenter der Königswarte

Wie die ersten Luftbilder der Überwachungsstation zeigen, befindet sich darunter ein enormes Datencenter mit etwa 2.000 Quadratmetern Grundfläche pro Etage.

Die Station Königswarte des österreichischen Bundesheers für Satellitenüberwachung ist weitaus größer dimensioniert, als es bis jetzt den Anschein hatte. Wie aus Luftaufnahmen hervorgeht, die ORF.at zugespielt wurden, befindet sich dort ein unterirdisches Rechenzentrum mit einem Mehrfachen an Grundfläche der beiden Gebäude darüber.

Diese in den Berg hinein gebaute Anlage erstreckt sich von den drei größten Parabolspiegeln im Westen bis an die Ostgrenze des Geländes. Wenigstens ein Drittel des laut Grundbuch 6.192 Quadratmetern großen Grundstücks ist solchermaßen unterirdisch ausgebaut. Die Luftaufnahmen zeigen auch, dass es an der von außen nicht einsehbaren Ostseite des Geländes eine Einfahrt zu diesem unterirdischen Rechenzentrum gibt. Anzahl und Dimension der vielen, auf den Luftaufnahmen erkennbaren Abluftschächten deuten zudem darauf hin, dass es sich um mehr als nur eine Etage mit Maschinenräumen handeln dürfte. Die Detailaufnahmen dazu finden sich weiter unten.

Königswarte

Nomen Nescio / CC BY-SA 2.0 AT

CC BY-SA 2.0 AT, Luftaufnahme der Königswarte aus Nordost

Durchmesser zwölf Meter

Im ersten Teil:
Warum zivile VSAT-Internetanbindungen, aber keine militärischen Satelliten über die Königswarte angegriffen werden und warum unter den Benutzern von Sat-Internet besonders viele "Personen von Interesse" für die Geheimdienste sind

Die Schätzungen für die Durchmesser der Spiegel müssen anhand der Luftaufnahmen ebenso nach oben revidiert werden. Die größten zwei Parabolantennen (rechts oben im Bild) haben jeweils an die zwölf Meter Durchmesser, das zeigt ein Vergleich mit der am Turm montierten blauen Schüssel. Dabei handelt es sich um einen terrestristischen Datenlink zu einem Standort des Bundesheers in den Leiser Bergen bei Laa an der Thaya. Wie dieses Foto vom Turm der Königswarte zeigt, hat der größere der beiden Datenlinks einen Durchmesser von vier bis fünf Metern.

data links

Roland Winkler/ORF.at

Der Turm der Königswarte während der Runderneuerung im Herbst 2013

Für die anderen beiden großen Antennen (im Bild unten), die ebenfalls nach Osten gerichtet sind, können daher Durchmesser zwischen acht und zehn Metern angenommen werden. Diese Dimensionen sind deshalb nötig, weil diese Antennen auf Kommunikationssatelliten zielen, die weit im Osten am Äquator wie Perlen auf einer Kette aufgefädelt sind. Da die Königswarte ziemlich genau am 17. Längengrad steht, müssen sich die Ziele dieser vier großen Antennen jenseits von 40 Grad Ost befinden. Das erklärt auch die Dimension der Schüsseln, denn die Sat-Signale werden umso stärker gedämpft, je länger ihr Weg durch die Erdatmosphäre ist.

Königswarte

Nomen Nescio / CC BY-SA 2.0 AT

CC BY-SA 2.0 AT, Die Königswarte aus dem Süden aufgenommen, Frühjahr 2014

Jenseits von 40 Grad Ost

Auf 42 Grad Ost stehen die Satelliten der Türksat-Gruppe, deren neuester erst im Jänner 2014 ins All geschossen wurde. Wie alle neueren Satelliten hat auch Türksat 4A neben den üblichen TV-Kanälen einen deutlich höheren Anteil an Transpondern, die für Datendienste genutzt werden, als ältere Modelle. Mit Türksat 4A werde die Transponderkapazität der Flotte verdreifacht, hieß es dazu im Frühjahr seitens des Betreiberkonsortiums.

Anhand der bekannten Kosten für die etwa gleich große Schweizer Onyx-Anlage zum Abfangen von Satellitendaten wurden die Kosten für die Königswarte auf mindestens 150 Millionen Euro geschätzt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gehört die Königswarte mit der Schweizer Onyx-Station und der BND-Anlage in Bad Aibling zum Echelon-System der NSA

Bereits der ebenfalls auf derselben Position von 42 Grad befindliche, ältere Türksat 3A bedient drei verschiedene terrestrische Datencenter, von denen aus der Satverkehr in Glasfasernetze weitergeleitet wird. Die Daten kommen von soganannten VSAT-Terminals, das sind transportable Sende- und Empfangseinheiten, die für den Uplink - je nach Standort - nur kleine Schüsseln von 60 Zentimetern bis 1,80 Metern benötigen. Das Einzugsgebiet allein der Türksat-Gruppe erstreckt sich von Zentralasien, Teilen des indischen Subkontinents und dem Nahen Ostens bis ins südliche Afrika.

Thuraya-2, Eutelsat und Co

Direkt daneben am Äquator steht mit dem Thuraya 2 des gleichnamigen Konsortiums für Satellitentelefonie aus Abu Dhabi auf 44 Grad Ost ein weiteres, wahrscheinliches Ziel der vier großen nach Osten gerichteten Antennen der Königswarte. Auf 46 Grad folgt Azer-Sat (Aserbeidschan) als weiteres, mögliches Zielobjekt mit vergleichbaren Datendiensten. Von 47,5 Grad Ost aus bedient Yahsat 1B Südwestasien Russland, das östliche Europa und den Nahen Osten mit Datendiensten.

Kommunikationssatellit Eutelsat 3B

Eutelsat_SA/Astrium

Der erst im Mai 2014 ins All gebrachte Eutelsat 3B wird gemeinsam mit der Es'hailSat Corporation aus Katar betrieben. Für die Position auf drei Grad Ost ist einer der kleineren Spiegel an der Südseite der Königswarte ausreichend.

Welche der vier großen Antennen der Königswarte genau welches Zielobjekt am Äquator anvisiert, lässt sich bei weniger als zwei Grad Distanz derselben ohne Einmessung vor Ort natürlich nicht genau sagen. Dazu kommt, dass die Positionierung der Satelliten am Himmel selbst nicht alleine den Ausschlag dafür gibt, welche Gebiete abgedeckt werden. Gerade die neueren Kommunikationssatelliten verfügen über sogenannte Widebeams, die weit entfernte terrestrische Positionen verbinden können. Manche dieser Beams sind auch verstellbar, dazu kommen sogenannte Spotbeams - wie sie bereits Thuraya 2 an Bord hat - mittels derer sich genau abgezirkelte Zielgebiete punktuell ausleuchten lassen.

Das unsichtbare Datencenter

Die Verarbeitung so großer Datenmengen, die rund um die Uhr aus dem All abgegriffen werden, erfordert natürlich ein entsprechend dimensioniertes Datenzentrum und das befindet sich im Untergrund. Wie diese Detailaufnahme zeigt, befindet sich an der nichteinsehbaren Ostseite der Überwachungsstation dafür eine Einfahrt.

Königswarte

Nomen Nescio / CC BY-SA 2.0 AT

CC BY-SA 2.0 AT, Ostansicht der Königswarte mit der Einfahrt zum Dartencenter

Bezeichnend dabei ist, dass der untere Teil des halbrunden Gebäudes mit einer strahlungsabweisenden Fassade in grau versehen ist. Auf dem Dach wiederum sind drei Luftschächte zu erkennen, die dreiecksförmige Aussparung in der Mitte des Gebäudes enthält noch einen weiteren. Ebenso sind seitlich am Turm zwei runde Luftschächte auszumachen, die aus dem Boden kommen, weitere werden im Vordergund eingebaut. Bei den drei rundlichen Objekten handelt es sich gleichfalls nicht um Blumenkübel, sondern um weitere Auslässe bzw. um Luftzufuhr.

Unter der grünen Rotunde rechts vorne im Bild befindet sich ein Wartungseinstieg und wahrscheinlich ein ebensolcher Luftschacht, wie auch direkt daneben zwei weitere Auslässe zu sehen sind. Das Baustofflager links im Bild wiederum zeigt die eigentlichen Dimensionen dieser Auslässe, von denen nur die wesentlich schmäleren Abzugsrohre an der Oberfläche sichtbar sind. Diese runden Gitter für die Luftschächte haben je etwa zwei Meter Durchmesser.

Ein weiterer Einstieg zum unterirdischen Datenzentrum ist in dem Häuschen gleich daneben. Das gesamte auf diesem Bild sichtbare Gelände ist daher mit mindestens einer Etage unterkellert, wobei sich die Frage nach der Größe stellt. Im Grundbucheintrag für die Königswarte ist davon natürlich nicht die Rede, auch das halbrunde Gebäude findet sich dort nicht. Die ausgewiesenen 362 Quadratmeter verbauter Grundfläche beziehen sich nur auf das etwa 30 Meter lange Hauptgebäude mit dem Turm.

Königswarte

Nomen Nescio / CC BY-SA 2.0 AT

Diese Totale des mehr als 6.000 Quadratmeter großen Grundstücks zeigt das gesamte Datenzentrum im Untergrund. Es erstreckt sich von der grünen Fläche am linken unteren Bildrand bis hin zu den drei großen Parabolantennen am anderen Ende der Überwachungsstation im Westen.

Diese unterirdische Struktur wurde nicht etwa erst im letzten Jahrzehnt ausgegraben, zumindest Teile davon sind bereits vor 100 Jahren entstanden. Wo heute eine der modernsten Echelon-Stationen zur Satellitenüberwachung steht, befanden sich bereits im Ersten Weltkrieg Bunkeranlagen, ab den 50er Jahren wurde die Königswarte direkt am "Eisernen Vorhang" zu einem Horchposten im Kalten Krieg ausgebaut.

Nachsatz

Die Königswarte ist nicht nur eine der modernsten Echelon-Stationen weltweit, sondern die einzige mit benachbarter Aussichtswarte, die es der Zivilgesellschaft ermöglicht, sozusagen auf die Hintern der militärischen Antennen zu schauen. Die Aussichtswarte ist am rechten Bildrand sowohl des obersten wie auch des untersten Fotos abgebildet.