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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

28. 7. 2014 - 14:49

Blödmaschinen und Körpervirtuosen

Notizen zum Zustand des Spektakelkinos, anlässlich von „Transformers: Age of Extinction “ und „The Raid 2“.

Lange hat sich mein Körper mit jeder Faser gegen Michael Bays neuen Film gewehrt. Schließlich brannte sich die letzte Konfrontation mit den überdimensionalen Spielzeugrobotern als zermürbend in die Gehirnwindungen ein. Aber dann siegte vor ein paar Tagen die journalistische Berichterstatterpflicht und ich schleppte mich doch in den IMAX-Saal.

Das Schlimmste, dachte ich mir während des gefühlt siebenstündigen Showdowns von „Transformers: Age of Extinction“, ist weder die erwartungsgemäß reaktionäre Politik des Regisseurs, die sich diesmal hinter regierungskritischen Parolen verschanzt. Und auch nicht die schmerzhafte Infantilität des Films, die an sechsjährige Redneck-Buben als zentrale Zielgruppe denken lässt.

Wirklich unerträglich wird das endlos anmutende Epos durch die betäubende Langeweile, die sich vor allem mitten in den hysterischsten Zerstörungssequenzen entfaltet.

Pausenlos böllert Michael Bay aus allen verfügbaren digitalen Kanonenrohren, versucht sämtliche aktuellen Big-Budget-Apokalypsen zu toppen und die Gesetze von Raum und (Film-)Zeit auszuhebeln. Weil Hollywoods Feldmarschall aber weiterhin nicht einmal den Hauch eines Gespürs für Dramatik oder Timing besitzt, verpufft das jüngste Gericht im Nichts.

Michael Bay

Universal Pictures

Michael Bay am Hongkong-Set von "Transformers: Age of Extinction"

Loud is the new loud

Bay erweist sich nicht nur in keiner Sekunde als verkannter Künstler, als den ihn distinktionswütige Kritiker in jüngster Zeit gerne portraitieren. Er ist vor allem nicht einmal ein halbwegs tauglicher Handwerker, wie sie Hollywood an der Grenzlinie von B-Movie und Blockbuster öfter hervorbrachte. All die geballten Überwältigungsstrategien und das CGI-Sperrfeuer laufen ins Leere, erzeugen ein fast schon wieder meditatives Vakuum, wie man es auch von laserzuckenden Großraumrave-Acts und dauerbrüllenden Metalcore-Combos kennt.

Überhaupt kamen mir während des neuen „Transformers“-Sequels musikalische Vergleiche in den Sinn. Mir ist etwa der Erfolg von Bands wie Clawfinger oder Rammstein Mitte der 90er Jahre eingefallen. Als sich damals Rock und Metal künstlerisch totgelaufen hatten und ein Teil der reflektierenden härteren Community in Richtung Elektronik, Postrock und Indietronica verabschiedete, stürzten sich die erwähnten Bands auf die abgedroschen wirkendsten Elemente der Heaviness. Und übersteigerten diese noch, begleitet von Kassenklingeln und einem durchdringenden Beigeschmack des Peinlichen.

Transformers

Universal Pictures

Auch der Stadion-Electro der Gegenwart mit seinem Drang zur Maximalität und Funktionalität trat seinen Siegeszug erst an, als sich avancierte DJs, Bands und Konsumenten aus dem stagnierenden Genre verabschiedet hatten. Exakt an dem Punkt, wo man gewisse Beats und Samples nicht mehr hören konnte, ging es aber für die EDM-Stars erst richtig los. Auf die Übersättigung durch Plakativität reagierten sie mit entschieden mehr Plakativität und schufen ein globales Einheits-Bumm-Bumm, dass sich nur mehr aus Schlüsselreizen zusammensetzt.

Ist Michael Bay nun der Avicii des Destruktions-Kinos, der das hochfrisierte, aufgepimpte und spannungstechnisch oft am Stillstand befindliche CGI-3D-Spektakelkino unserer Tage mit seinen eigenen fragwürdigen Mitteln zu übertreffen versucht? Lässt sich ein Werk wie „Transformers: Age of Extinction“ mit der David-Guettarisierung der Welt vergleichen, mit Metalcore-Aggro-Schwulst oder dem Debilo-Rock einer Band wie Imagine Dragons, deren Dumpfgummi-Sound aus dem Abspann knallt? Das Motto „Loud is the new loud“ teilt Bay auf jeden Fall mit solchen Musiken. Bei aller verwandten Berechnung gelingt es dem Regisseur bei seinen Spielzeug-Schlachten aber nicht einmal die richtigen manipulativen Knöpfe zu drücken.

Transformers: Age of Extinction

Universal Pictures

Transformers: Age of Extinction

Menschliche Körper statt Einsen und Nullen

Irgendwann drängte sich für mich der Begriff Blödmaschinen angesichts der herumstampfenden CGI-Kampfroboter auf, wortwörtlicher kann man Georg Sesslens dystopische Beschwörung des kapitalistischen Verdummungsterrors nicht auf die Leinwand bringen. Es fröstelt einen jedenfalls beim Gedanken, dass es Zuseher geben könnte, die auch nur eine Spur von Emotion beim Tod eines Autobots empfinden könnten und das Kleinkindalter schon überschritten haben.

Wer wiederum bei „The Raid 2: Berandal“ nicht aufschreien und klatschen möchte und manchmal auf das Atmen vergisst, hat wohl jegliche Begeisterungsfähigkeit verloren. Weil bisweilen tatsächlich Wunder geschehen, hat es das irrlichternde Martial-Arts-Meisterwerk von Gareth Evans ungekürzt in die heimischen Kinos geschafft, nachdem der Film im letzten Herbst das Publikum bei /slashfestival geplättet hat.

The Raid 2

The Raid 2

Wie Michael Bay kümmert sich der britische Jungregisseur wenig um gängige Erzählmuster und dehnt die Zerstörungswut auch auf beinahe drei Stunden aus. Damit enden aber jegliche potentielle Gemeinsamkeiten.

Anstatt auf überdeutlich aus Nullen und Einsen generierte Blechkrieger-Kollisionen und sinnlose Stakkato-Schnitte zu setzen, lässt Evans menschliche Körper gegeneinanderknallen. Und das so knochenbrecherisch hart, atemberaubend inszeniert und elegant montiert, dass man die Verwundungen der indonesischen Stuntmen zu spüren vermeint.

War der Überraschungserfolg „The Raid“, der zur Gänze in einem Hochhaus voller Gangster spielte, ein extrem reduziertes Actionfeuerwerk, bei dem sich die Assoziation zum Videospiel einfach aufdrängen musste, will das Sequel eindeutig großes Kino sein. John Woo zu seinen besten Zeiten kommt einem bei dem mäandernden Gangsterstory-Geflecht in den Sinn, Takeshi Kitano oder Johnnie To. Letztlich geht es bei der Geschichte um den Undercovercop Rama (Iko Uwais), der ein finsteres Drogenkartell infiltriert, aber primär um Momente, deren pure physische Urgewalt einem die Kinnlade runterkippen lässt.

The Raid 2: Berendal

Koch Media

The Raid 2: Berendal

Hoffung am Blockbuster-Horizont

Gareth Evans, der in Jakarta lebende Regie-Autoditakt, hat mit seiner relativ billigen Art des Filmemachens eine Marktlücke gefunden, die ihn von Hollywoods Multimillionen-Zirkus und sämtlichen abgetakelten „Expendables“-Heroen abgrenzt: „The Raid 2“ zehrt einfach von der Faszination, die perfekte Körperbeherrschung und virtuose Artistik schon immer im Kino ausübten.

Es ist ein kinetischer Kick, der in einer Tradition mit den halsbrecherischen Slapstick-Akrobaten des Stummfilms steht, mit die Schwerkraft überwindenden Göttern wie Bruce Lee und Jackie Chan.

Weil es aber vielleicht sogar ein wenig fragwürdig ist, ein solches singuläres Action-Kunstwerk mit seiner radikalen Vision gegen ein Marketing-Monstrum wie „Transformers: Age of Extinction“ auszuspielen, wenn man den Zustand des Spektakelkinos diskutiert, möchte ich am Schluss noch Hoffnung des anderen Art schüren. Auch der amerikanische Sci-Fi-Bombast-Blockbuster birgt noch Qualitäten abseits von Michael Bay.

Wenn demnächst in „Dawn Of The Planet Of The Apes“ eine scharfsinnige und mitreißende Polit-Parabel in einer CGI-Verpackung anläuft, deren schiere Brillanz alles diesbezüglich dagewesene vergessen lässt, ist er wieder da, der Glaube an die Verknüpfung von artifizieller Form und bodenständigem Inhalt. Und wenn Ende August die „Guardians of the Galaxy“ endlich die Multiplexe rocken, so dermaßen voller Seele, Herz und glorioser Lässigkeit, dass ihnen der Han-Solo-Gedenkorden gebürt, werden Michael Bays Blödmaschinen hoffentlich schon verrostet und vergessen sein.