Erstellt am: 27. 7. 2014 - 16:57 Uhr
Wenn wir cruisen
Die Promofotos, die 2010 anlässlich des ersten Albums von Perfume Genius zirkulierten, zeigten den dazugehörigen Künstler, einen zierlichen, dünnen, jungen Mann, mit nacktem Oberkörper und einem blauen Auge. Der in Seattle lebende Musiker Mike Hadreas inszeniert sich in seinem Projekt als komplett angreifbar, unmittelbar, direkt, nackt. Perfume Genius geht dahin, wo es weht tut, und oft geht er auf Konfrontationskurs. Angriff scheint ihm gute Verteidigung.
Die Songs handeln beispielsweise von Drogenmissbrauch und von sexuellem Missbrauch, von Suizid, dem Verhältnis zum eigenen Körper und von körperlichem Unbehagen, von mehr als bloß komplizierten sexuellen Beziehungen und davon, wie die Welt um Hadreas herum auch heutzutage noch teilweise auf seine Homosexualität reagiert. Nicht selten ablehnend.
![© Perfume Genius Perfume Genius](../../v2static/storyimages/site/fm4/20140730/dzhdhih-650x325_body.png)
Perfume Genius
Es sind Lieder vom Schmerz, zerbrechlich, verwirrt, topinformiert über die Uneindeutigkeiten und Komplikationen des Lebens, gleichzeitig meist enorm selbstsicher und kämpferisch, bisweilen auch schelmisch und kokett vorgetragen. Die Musik dazu war bislang schrottig und minimalistisch angerichtet. Intime Lo-Fi-Balladen aus dem Spielzeug-Keyboard. Karge Rumpel-Elektronik, kleine Klaviermelodien, Ambient-Fauchen und Zischen, über das Hadreas seine brüchige Stimme legt. Musik, die ächzt und in den Gelenken quietscht.
Die aktuelle Single namens "Queen" ist der Vorbote auf das im September erscheinende, dritte Album von Perfume Genius, das schon in seinem Titel "Too Bright" verkündet, dass ab jetzt gestrahlt wird. Kraftvoll auftreten, Stolz zur Schau tragen. "Queen" ist das bislang poppigste und pompöseste Stück von Perfume Genius, schick und slick, und es könnte wohl der künftige Theme Song dieser wunderbaren Unternehmung werden.
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Mike Hadreas schaltet die ganz gewaltigen Lichter an. "Queen" handelt von Hadreas' Erfahrungen mit dem Umstand, dass nicht verschleierte Homosexualität im direkten Umfeld nach wie vor für Unwohlsein sorgen kann und von so genannter "Gay Panic".
"Don’t You Know You' re Queen", singt Hadreas. Der Song handelt davon, wie die eigenen Ängste und die Mulmigkeit in Triumph umschlagen können. "No Family is Safe When I Sashay" lautet der Refrain, wobei das nicht gar sonderlich gebräuchliche und so im besten Sinne etwas prahlerische, theatralische Wort "sashay" in etwa "stolzieren", "gleiten", "tänzeln" bedeutet. Wenn Mike Hadreas auf der Piste ist, muss eine an traditionellen "Werten" interessierte Welt erzittern. Ein großes Lied, das hoffentlich wieder ein paar Bornierte ärgern wird.