Erstellt am: 31. 7. 2014 - 14:48 Uhr
Abgespaced und aberwitzig
Die fünfte Ausgabe des gerade über die Bühnen gegangenen Popfests hat wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, wie vielschichtig die heimische Musikszene ist. Neben etablierten KünstlerInnen konnte man viel Neues entdecken.
Überhaupt scheint die Stimmung der österreichischen Szene in diesem Sommer sehr angeheizt zu sein - im positiven, produktiven Sinne. Denn schon wieder sind viele neue Musikvideos in den sozialen Netzwerken zu finden - wie die folgenden:
Giantree - "Cosmic Highways"
Dass der Band Giantree eine gute Zukunft bevorsteht, war für mich immer schon klar. Nach ihren hittigen Songs wie "Time Loops" oder "Communicate" legt das Wiener Quintett mit seiner neuen Nummer "Cosmic Highways" noch einen drauf. Geschmeidig, poppig und mit Indie-Disco-Anleihen grooven sich Giantree mit ihrem internationalem Sound hoffentlich bald in Richtung Charts.
Die spacige Idee zum Video ist charmant umgesetzt, mit unverkennbarem Augenzwinkern. Der Blickwinkel von "Cosmic Highways" könnte durchaus der eines Aliens sein, auf der Suche nach MusikerInnen für seine intergalaktische Band. Ausgesucht werden die potentiellen Bandmitglieder aus Lebenslagen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Aber vielleicht macht ja das auch eine richtig gute Band aus, die sich interstellaren Erfolg erarbeiten will.
Wanda - "Auseinandergehen ist schwer"
Frech, rotzig und mit viel trockenem Witz und geschmeidiger Lässigkeit haben sich Wanda einen fixen Platz in der heimischen Szene erspielt. Clever arrangierte Songs und ebenso clevere Texte, unterstützt von dem eindringlichen Gesang von Marco Michael Wanda, überzeugen auf ganzer Linie.
Im Video zu "Auseinandergehn ist schwer" lauert hinter der vermeintlich sauberen, schnieken Oberfläche die dreckige Wahrheit. Egal ob es das erst auf den zweiten Blick auffällig fleckige Hemd von Schlagzeuger Lukas Hasitschka ist oder das große blutige Finale à la Shining. Wanda lieben es, mit Mehrdeutigkeiten zu spielen und haben das filmisch mit Humor und Extravaganz umgesetzt.
Polkov - "Kamaro's Song"
Die grüne Steiermark ist musikalisch in meinem Kopf irgendwie mit dem Begriff Noise-Pop-Rock verknüpft. Dabei gibt es auch großartige Singer/Songwriter und schöne Popmusik. Neben Effi oder The Base mausert sich gerade die Formation Polkov zu einem richtigen Highlight. Allein der Anfang von "Kamaro's Song" könnt von der Atmosphäre und der Stimme her auch vom guten Mr. E stammen. Dass der Song dann noch einen groovenden, rockigen Part mit herrlichem Backgroundchor zu bieten hat, ist eine schöne Draufgabe.
Auch schon der Anfang der visuellen Umsetzung von "Kamaro's Song" verzaubert. Landschaftliche Weite und heimelige Dorfatmosphäre, schön in Szene gesetzte Charaktere und passend zum Text eine bildliche Klammer machen Polkovs Musikvideo zu einem gelungenen Sommerfilmchen, das man sich nach dem ersten Mal gleich nochmal anschauen möchte. Vom Hören des vielschichtigen Songs ganz zu schweigen...
The Very Pleasure - "Sordid Pleasures
Dass Fritz Ostermayer, der sich - wie der ORF Kundendienst weiß - als Musiker in "generaldilettantischer Mission" befindet, und Naked Lunch-Frontmann Oliver Welter schon seit langem ein Herz und eine Seele sind, dürfte bekannt sein. Man sieht es auch gleich zu Beginn ihres skurrilen Musikkurzfilms "Sordid Pleasures", das sie unter dem Projektnamen The Very Pleasure realisiert haben. Auch wenn die wahnwitzig-grandiose Zusammenrottung schon vor zehn Jahren stattgefunden hat, präsentieren die beiden musikalischen Schwerenöter im September im Wiener Rabenhof ihr Album "Kongress der Unvernunft".
Der dürfte vielleicht in einer Wiener Gemeindebauwohnung abgehalten worden sein. Anwesend war dabei auch ein gewisser Christoph Grissemann, der sich vor allem durch sein geschicktes Mikado-Spiel mit ungekochten Spaghetti ausgezeichnet haben dürfte. Trotz eindeutiger Drum-Machine, Ukulelegezwirbel und Synthie-Flächen kann man sich am Ende dieses schaurig-schönen Stücks nicht mehr sicher sein, ob eine Rose wirklich eine Rose ist oder doch nur ein Stein. Und ob Kunst wirklich Kunst ist, oder doch nur dreckiges Vergnügen.