Erstellt am: 24. 7. 2014 - 15:07 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 24-07-14.
The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
#musik #weltretten #gaza #mh17
Es ist durchaus unvorsichtig von mir, mich schon eine Woche nach einem Erlebnis wie diesem in ein neues Rock-Konzert-Erlebnis hineinzuwagen. Kann ja nur schiefgehen. Wird schon nicht, dachte ich mir, ist ja Neil Young, der alte Säulenheilige, der Mann, der dich mit diesem Sieben-Sekunden-Auftritt in seinem 87er-Tourfilm unsterblich gemacht hat, dein alter Held. Und es ist nicht irgendeine Begleitband, sondern Crazy Horse.
Und es beginnt gut, wiewohl der Opener eines dieser vielen neueren Young/Horse-Stücke aus den letzten, sagen wir, 15 Jahren ist, die allesamt nichts zu erzählen haben und sich musikalisch letztlich auch nur als Wiedergänger-Varianten von alten Classics ausweisen können. Jedoch verfügen die meisten von ihnen über ausgedehnte Instrumentalpassagen, in denen sich die Band eingrooven kann. Und das tut sie auf ihre hochindividuelle und einzigartige Weise: sie kuschelt sich zusammen. Young, Co-Gitarrist Sampredo und Bassist Rick Rosas (der Mann, der so ausschaut, wie Armin Thurnher Michael Jeannee sieht) drücken sich direkt und eng vor Ralph Molinas Schlagzeug zusammen: Opa-Gruppenkuscheln.
Es wird dann keine Romance am Brokeback, aber eine Bromance in der Stadthalle. Und die ist ihrer selbst so felsenfest sicher, dass sie das Publikum fast eine Stunde lang mit mediokren Spätwerken langweilt; Stücken, bei denen man zuhört und mitwippt, weil ihr Sound an besseres Älteres erinnert, und weil die Gesangspassagen mit meist ins Peinliche kippenden Texten so kurz sind; und durch zwei Background-Sängerinnen auch noch übersteigert werden.
Als sich Young dann die Akustische umschnallt und damit Blowing in the wind und Heart of Gold, also die Kennmelodie des einzigen noch Größeren und seine eigene darbietet, ist es fast zu spät. Denn darauf folgt mit dem Titelstück des 2012er-Albums Psychedelic Pill wieder so ein naja-eh-okayer später Song, der keinerlei Anspruch erhebt, mehr als nur ein Deja Vu eines Echos aus der Vergangenheit zu sein. Und als sich dann bei der endlosen Instrumental-Einleitung im Stück danach der Verdacht einstellt, es könnte sich tatsächlich um Cortez The Killer, eines der Hauptwerke der der Young/Horse-Kollabo, handeln, glaube ich - erschüttert durch die Selbstkopiererei des bisherigen Abends - erst daran, als Young die erste Zeile (She came dancing cross the water) intoniert. Danach folgt Keep on Rocking in The Free World, und weil das gerne das Schlusslied eines Sets ist, stellt sich der entsetzliche Verdacht ein, es könnte nach eineinhalb Stunden, nach drei Originalen, vielleicht vier gelungenen und sicher sechs uninspiririerten Selbstkopien schon Schluss sein.
APA / Hans Klaus Techt
Ist es dann auch.
Obwohl ja noch eine Zugabe folgt. Mit einem neuen Song, der sowohl musikalisch als auch inhaltlich auf einem Level daherkommt, bei dem selbst für Fremdgeschäme keine Zeit bleibt: "Who's Gonna Stand Up And Save The Earth?" heißt er, und er beantwortet die Frage mit einer klaren Delegierung - > wir sollen.
Der alte Mann übergibt den Stab, den torch an sein (teilweise eh nur knapp jüngeres) Publikum. So nach dem unausgesprochenen Motto: Wir, die Generation, in der Popkultur noch etwas ausrichten konnte, sowohl inhaltlich als auch finanziell, haben's verkackt, also kümmert euch selber um euren Scheiß.
Das ist wahr, nachvollziehbar und bitter.
Es ist aber rein künstlerisch nicht akzeptabel.
Auch weil das Instrumentarium, dass Young vorgezeigt hat, das ganz einfach nicht kann: Mit Kopien von Ideen, mit Deja Vus von Echos aus der Vergangenheit, mit gegenwärtiger Bezugslosigkeit wird sich die Erde nicht retten lassen. Auch nicht mit sehr allgemein und simpel formulierten Botschaftelchens, die man gerade noch mitsingen kann.
Die Weltrettung liegt aktuell in Beeinspruchung von Verhandlungs-Details des TTIP oder in konstruktiver Allseitenbeschauung von Globalkriegs-Ausbruchs-Krisenherden, egal ob in Gaza, Lugansk oder Bischofshofen.
Ich will ab jetzt nicht alles daran messen: aber nur die direkte Übertragung von persönlicher Zerrissen- und Verzweifeltheit in ein von Unsicherheit und Angst geprägtes Abbild individueller und kollektiver Zustände, wie es Cat Power letzte Woche gezeigt hat, kann Kunst im allgemeinen und Popmusik im Konkreten als Akteur ins Spiel bringen. Nur die private Entäußerung kann Anstöße geben.
Mit der Vorspiegelung eines Konzertabends, wie ihn Neil Young und Crazy Horse gestern begangen haben, mit dem Abspulen eines Programms, das so tut, als wäre schon die Kopie eine Idee und als wäre schon die Wiederholung eines Weltrettungssatzes eine Teilnahme, trägt man anno 2014 nur zur Perpetuierung von Missständen, zur Nicht-Aufräumungsarbeit bei und bleibt Teil der Gaffer.