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Paul Pant

Politik und Wirtschaft

23. 7. 2014 - 14:27

Prozessauftakt im Fall #Puber

Der Sprayer aus Zürich bekennt sich teilweise schuldig. Er will in Wien etwa 20 bis 30 Mal "Puber" hinterlassen haben. Der Staatsanwalt bezeichnet die Schriftzüge als "Plage". Die Verteidigung kritisiert "Fehler in der Anklage".

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Im Wiener Landesgericht sitzt heute Renato S. auf der Anklagebank. Er soll jener Sprayer sein, der in ganz Wien seinen Tag "Puber" an Häuserwände gemalt haben soll. Insgesamt 232 Fakten finden sich in der Anklageschrift gegen Renato S., Staatsanwalt Berghammer spricht in seinem Eröffnungsplädoyer von der "Plage" Puber, der sein "Unwesen" treibe und "Hauseigentümer quäle". Von diesen Hauseigentümern sind zahlreiche zum Prozess erschienen.

Berghammer wirft dem Sprayer vor, einen Schaden von mehr als 50.000 Euro verursacht zu haben, was ein Strafmaß zwischen sechs Monate und fünf Jahren Haft bedeute. Puber habe Wien "sicherlich seinen Stempel aufgedrückt", sagt der Staatsanwalt.

"Puber" in Handschellen

APA/HERBERT PFARRHOFER

Mehr als vierzig Nachrangstücke, also Schadenersatzsansprüche, sind von den Hauseigentümern bei Gericht eingelangt, während und nach seinem Urlaub beschwert sich Richter Wilhelm Mende zu Beginn des Prozesses: "Alleine heute früh sind drei gekommen". Jeder einzelne muss für sich überprüft werden. Das ganze strapaziert sichtlich die Nerven des Richters. Er klopft zu Beginn der Verlesung auf den Tisch und meint launisch: "Dann werden wir beginnen, Holz zu hacken".

Der Züricher Sprayer bekennt sich zu Beginn der Verhandlung teilschuldig. Er gibt an, den Schriftzug zwanzig bist dreißig Mal gesprayt zu haben. Es geht um Beträge zwischen 168 Euro bis hin zu 3.800 Euro. Bei den Schäden werden nicht nur beschädigte Hauswände beklagt, sondern auch bemalte Mistkübel, Stromzählerkästen und Altkleiderkästen. Alle 232 Anklagepunkte werden verlesen, zu jeden muss Renato sagen, ob er es war oder nicht. Kurz vor 13 Uhr ist man noch immer nicht mit der Angklage durch, der Prozess hat um 9.30 Uhr begonnen.

Zu Beginn der Verhandlung hat Verteidiger Phillip Bischof sein Eröffnungsplädoyer dafür genutzt, scharfe Kritik an dem "fehlerhaften Strafantrag" der Staatsanwaltschaft zu üben. Das erschwere die Verteidigung sehr, sagt er. Hier sei geschlampt worden, manche Fakten kämen doppelt vor, bei anderen sei nicht festzustellen, ob ein Schaden entstanden sei. Renato wurde außerdem wegen schwerer Sachbeschädigung angeklagt und das sei laut Anwalt Bischof fragwürdig. Denn es sei hier festzustellen, ob nicht eher eine Verunstaltung vorliege, also nur eine Verschmutzung und nicht eine Sachbeschädigung. Er verweist außerdem darauf, dass die Qualifizierung als schwere Sachbeschädigung den Strafrahmen erheblich erhöhe, auf sechs Monate bis fünf Jahre.

"Puber" vor Gericht

APA/HERBERT PFARRHOFER

Renato S. ist nicht der einzige Sprayer, der heute vor Gericht steht. Ein junger Brite ist wegen schwerer Sachbeschädigung zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, davon vier Monate unbedingt. Da der 23-Jährige seit März in U-Haft saß, wurde er entlassen. Ihm wird vorgeworfen, seine Tags "GN" und "T-BAG" an ÖBB-Zügen hinterlassen zu haben, wodurch ein Schaden von rund 189.000 Euro entstanden sei.

"Ich bin nicht wie Puber, der die Stadt verunstaltet, ich sprühe meine Tags nicht auf der Straße. Sie sind nicht für alle gedacht, sondern nur für Personen, denen ich sie zeigen möchte, andere Graffitikünstler", entgegnete der 23-Jährige. Der Vorwurf, dass der junge Mann seine Tags auch in der Stadt Salzburg hinterlassen haben soll, wurde fallen gelassen.

Bischof merkt hier an, dass Schadensansprüche von Hauseigentümern auch im Zivilrecht verhandelt werden könnten, mit der Möglichkeit den Schaden wieder gut zu machen. Ein weiterer Kritikpunkt an der Anklage sei, dass viele Schäden nicht überprüft worden seien, es habe keine Erhebungen zu einigen Fakten gegeben, es gebe keine Fotos und in einem Fall wurde sogar die Schadsumme zunächst mit 10.000 Euro angenommen und habe sich dann auf 500 Euro verringert.

Der Hauptkritikpunkt der Verteidigung ist aber, dass es "keinen Herrn Puber gibt", wie es Anwalt Bischof sagt. Vielmehr sei der Schriftzug Puber sehr beliebt und werde von vielen Sprayern verwendet. Für den Prozess ist am Donnerstag ein weiterer Verhandlungstag anberaumt, ob er ausreichen wird für die Urteilsfindung ist fraglich. Richter Mende meint gegenüber einen Hauseigentümer, der auf seine Schadensersatzansprüche pocht: "Ich werde mir das später ansehen, wahrscheinlich heute um Mitternacht". Um 13.00 Uhr beginnt die Zeugeneinvernahme.

Ein älterer Herr meldet sich, auf seine Fassade sei "Puber" geschmiert worden. Der Schaden betrage 3.000 Euro und das ärgere ihn, schließlich sei bereits vor zwanzig Jahren die Mauer beschmiert worden. Auf Nachfrage der Verteidigung, wie lange bereits auf seine Fassade getaggt wird und wann sie zum letzten Mal renoviert worden sei, entgegnete der Mann: "Na, seit zwanzig Jahren. Der erste war der Banksy. Und jetzt steht da groß der Puber drüber." Renoviert wurde die Mauer seit 20 Jahren nicht mehr.

"Puber" vor Gericht

APA/HERBERT PFARRHOFER

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