Erstellt am: 23. 7. 2014 - 15:14 Uhr
Die Backstreet Grandpas in die Stadthalle
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharovs. Jeden Mittwoch in FM4 Connected (15-19h) und als Podcast.
"Die Leiden des jungen Todor"
Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es ab sofort im FM4 Shop.
Gebt zu, dass ihr manchmal davon träumt, eine Zeitmaschine zu besitzen! Einerseits wollen wir alle wissen, wie unsere Zukunft ausschauen wird. Andererseits wollen alle ab einem gewissen Alter zurück in die Vergangenheit. Und sie wollen auch dort bleiben. Eine Tante von mir sehnte sich zum Beispiel danach, für immer 36 zu bleiben. Sie zitierte die ganze Zeit Einstein, der meinte, dass "die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur eine besonders hartnäckige Illusion ist." Meine Tante hatte eigentlich nie Einstein gelesen. Ich auch nicht. Die Menschen, die Einsteins Werke gut kennen, kann man an einer Hand abzählen. Trotzdem sprechen alle über "Zeittunnel", "Sliding" -Effekte oder über das "Großvaterparadoxon".

APA / Herbert Pfarrhofer
Ich dachte an die Zeitmaschine, als ich letzte Woche bei dem "Backstreet Boys"-Konzert in Wien war. "Wer war dein Lieblings-Backstreet Boy?", frage ich meine liebe M. vor dem Konzert in der Stadthalle. "Backstreet Boys? Sind die denn noch am Leben? Sie müssen sich jetzt wohl in 'Backstreet Grandpas' umbenannt haben." Ich sage ihr, dass sie jetzt gerade auf Tour sind und in Wien ein Konzert mit allen alten Hits machen. Wahrscheinlich brauchen sie wieder Geld, scherze ich. Das teilnahmslose Gesicht von M. erleuchtet auf einmal. "Wirklich! Ich will unbedingt hin! Das ist meine Kindheit!"
Boy- und Girlbands und Tamagotchis. Meine Kindheit in die 1990er Jahre. Die Frisur von Nick Carter war der größte Hit unter den Jungs aus meiner Klasse. Jeder wollte wie dieser Nick aussehen, so wie die vorherige Generation wie Jim Morisson sein wollte. Man musste die Backstreet Boys entweder lieben oder hassen, niemand waren sie gleichgültig. Alle Mädchen schwärmten von denen. Jetzt sind all diese Mädchen erwachsen geworden. Alle kommen dem 30er immer näher, oder sind schon darüber. Auf dem Konzert sind sie aber für zwei Stunden wieder 12.

APA / Herbert Pfarrhofer
Auf dem Backstreet Boys-Konzert gibt es mehr Frauen, als ich je in meinem Leben in einem Raum gesehen habe. Es ist gut, dass Ohrenstöpsel verteilt werden, sonst wäre ich taub vom kollektiven Mädchengeschrei geworden. Die Zeitmaschine hat den Tunnel geöffnet und alle sind wieder Kinder, die ohne jegliche Hemmungen und aus vollem Halse schreien. Die stolzen Magistra und Doktorinnen, die Ärztinnen, die Anwältinnen und sogar alle Physikerinnen, die im Unterschied zu mir und meiner Tante Einstein gelesen haben, haben sich in verrückte, schreiende Teenies verwandelt, die ihre BHs auf die Bühne werfen. Niemand auf dieser Welt ist freier als die Kinder! Ich freue mich, diesen Zeittunnel miterleben zu dürfen. Backstreet Boys existieren seit 1995 und sind laut eigener Angabe die am längsten existierende Boyband der Welt. Eine ganze Generation reist in ihre Kindheit. Wen interessiert es, dass die Zeit der Boybands schon längst vorbei ist und dass die Smartphone-Teens neue Idole als die Tamagotchi-Teens haben?
Ich ertappe mich, dass ich die Backstreet Boys mag. Als sie populär waren, hasste ich sie aus ganzem Herzen, weil die Mädchen sich mehr für sie interessierten als für uns - die "echten" Jungs. Aber auf dem Konzert erlebe ich das "Großvaterparadoxon". Jemand, der über die Möglichkeit der Zeitreise verfügt, reist zurück in die Vergangenheit, zum Zeitpunkt vor der Zeugung seines Vaters und tötet seinen eigenen Großvater. Das Paradoxon in dieser Situation entsteht durch die Tatsache, dass der Zeitreisende ohne die Existenz seines Vaters, der nun wegen des Todes des Großvaters nicht geboren wird, selbst nicht geboren werden kann und folglich auch nicht in der Zeit zurückreisen hätte können, um seinen eigenen Großvater zu töten. Die Backstreet Boys sind cool. Selbst wenn sie sich in Backstreet Grandpas umbenennen sollen.

APA / Herbert Pfarrhofer