Erstellt am: 21. 7. 2014 - 17:15 Uhr
Knackende Knochen und brechende Zweige
EP 1 und EP 2 heißen sehr pragmatisch die bereits erschienen Werke, die große Erwartungen für ihr nächsten Monat erscheinendes Debüt-Album LP1 schüren. Es wird auf Young Turks, dem Label von Jamie XX erscheinen. Werfen wir also Aug' und Ohr auf FKA Twigs, FM4 Artist of The Week, und die Welt die sie baut.
Tahliah Barnett, die sich wegen ihrer beim Tanzen knackenden Gelenke (und eines Urheberrechtsstreits) FKA Twigs nennt, wirkt wie jemand aus der Zukunft. Eine Zeitreisende aus einer urbanen Sci-Fi-Utopie. Menschen, die sie live gesehen haben, beschreiben ihre Erscheinung als ein Realität gewordenes Update von Aaliyah in Queen of the Dammed. Fragil und souverän, emotional und distanziert.
Es ist eine sehr körperliche Welt, die sie durch ihre Musik und ihren teilweise mutierenden und bearbeiteten Körper in den Videos baut.
Ein Konzept, das in starkem Kontrast zu den Erzählungen steht, wie FKA Twigs aufgewachsen ist. Langeweile und Isoliertheit am Land in Südwest-England. "Das größte Problem war", erzählt FKA Twigs, "dass du zu spät gekommen bist, weil du hinter einem Traktor stecken geblieben bist." Gloucestershire ist ein Ort, an dem man viel Zeit hat, herauszufinden, wer und was man ist und was man sein will.
Orte, die nicht im Fokus der Popkultur stehen, scheinen FKA Twigs nach wie vor anzuziehen. Ich hätte gerne einen Audiokommentar der Zuseherinnen bei dieser Slow-Jam-Version von "Hide" in Yucatan.
FKA Twigs beginnt mit 16 Jahren Songs zu schreiben, mit 17 zieht sie nach London, um als Tänzerin zu arbeiten. Sie findet schnell heraus, dass eigentlich die Musik ihr Artikulationsmedium ist. Spuren von Massive Attack und Tricky hört man in ihren Beats, die Verschobenheit des Geisterpops von The XX. Ihre Stimme erinnert manche, mich überhaupt nicht, an Janet Jackson und andere, zum Beispiel ich, hören auch in der Gewähltheit und Vielfältigkeit des Ausdrucks Echos von Kate Bush. Ihr merkt es schon an den Künstlerinnen, die zum Vergleich herangezogen werden: von FKA Twigs wird Großes und sehr Spezielles erwartet.
Jamie XX ist auf jeden Fall ihr Fan. Er hat FKA Twigs nach ihrer selbst veröffentlichten EP 1 für sein Label Young Turks verpflichtet. Dort wird auch Anfang nächsten Monats ihr Album-Debüt erscheinen, welches pragmatisch wie alle FKA Twig Releases durchnummeriert ist, also LP1 heißt. Der venezolanische Producer Arca, Experte für Post-Festplatten-Absturz-HipHop, der auch schon bei Kanye's Yeezus an Bord war, hat FKA Twigs unterstüzt. Auf dem Cover von LP 1 ist Twigs Gesicht zu sehen, so geschminkt, dass es fast nicht mehr menschlich wirkt und auf brutale Weise an Hentai Porn erinnert.
Gleichzeitig schön, gewalttätig, widersprüchlich, an der Grenze zwischen verstörend und faszinierend sind die Gesten, die uns FKA Twigs in ihren Videos zeigt. In Papi Pacify geht es um das emotionale Schlachtfeld, auf das wir uns selber führen: Sex, Gewalt, Unterwerfung. Man sieht die Oberkörper und Gesichter eines verschlungenen Paares. Seine Finger, liegen auf Twigs Hals und dringen in ihren Mund ein. Glaubt mir es kommt sehr hart.
Pleasure und Pain wird uns wohl auch auf LP1 erwarten.