Erstellt am: 20. 7. 2014 - 16:49 Uhr
Mein Zuhause ist die Welt
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Klar, wieder mal nichts los. Ausgehtechnisch, in Sachen Kulturauftrag, hinsichtlich politischen Aufruhrs. Matt hängen wir in unseren Betten und grübeln darüber nach, was und wo es besser ist. Es ist ja aber auch so heiß, es ist ja aber auch alles so mühsam. Es nervt, den Motor anzuwerfen - dafür fehlt heute noch die Energie. Morgen, morgen, morgen werden wir kämpfen.
"Wohin mit dem Hass?" sang Jochen Distelmeyer 2009 im gleichnamigen Song auf seinem Album "Heavy" und wenn jetzt das junge Hamburger Trio mit dem schon sehr guten und adäquaten Namen Trümmer in seinem Song nach dem möglichen Aufenthaltsort der Euphorie fragt, dann zielen diese beiden Songs nicht, wie man in Hinblick auf das Verhältnis der Wörter "Hass" und "Euphorie" zueinander vielleicht meine könnte, auf unbedingt konträre Gemütsregungen ab.
Trümmer
Die Euphorie meint bei Trümmer nicht (bloß) Freudentaumel, blanken Überschwang und einen Zustand durch Glückshormone verminderter Hemmungen. In dem aufrührerischen wie melancholischen Song "Wo ist die Euphorie" bedeutet "Euphorie" eben auch den Willen zur Bewegung, die Schubkraft aus der Bequemlichkeit, eine Ruhelosigkeit mit Absichten und Folgen.
"Die Stadt zerfällt in ihre Einzelteile, Lethargie, Langeweile" singen Trümmer, und diese Stadt kann in diesem Falle angesichts dortiger Entwicklungen ausdrücklich der Wohnort Hamburg sein, genauso jede andere Stadt für jeden jungen Menschen, der eventuell gerne Benzinkanister und Streichholz im Wandschrank versteckt halten möchte.
Der Text ist schlicht, parolenhaft, voller jugendlichem Wollen und fast schon schlageresk. "Ich bin rastlos und spür, dass ich nicht dazu gehör." Gleichzeitig schwingt in dem Song eine bitterer Unterton mit, der vom Wissen um die Resignation, die Kapitulation kündet.
Den Punk-Gestus koppeln Trümmer gewieft mit Blitzlichtern aus dem Nachtleben und persönlichem Privat-Begehren: "Doch du bist viel zu schön, um jetzt schon nach Hause zu gehen", und später in kokette Arroganz verdreht: "Und wir sind viel zu schön, um jetzt schon nach Hause zu gehen". Revolution, Unbehagen, Sex, Nörgeln ohne Sinn und Zweck, das Umgestalten der kleinen eigenen oder der ganz großen Welt. Niemals, nie nach Hause gehen.