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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

19. 7. 2014 - 16:59

Ganz einfach Männerromane

Dunkle Zeiten in bohemistischen Zirkeln: Authentizität, Tod und Männer, die Jörg Fauser lasen.

Am 16. Juli wäre der Schriftsteller Jörg Fauser 70 Jahre alt geworden. Wäre er nicht im Sommer 1987, in der Nacht nach seinem 43. Geburtstag, von einem LKW überfahren worden, als er, alkoholisiert, nach einem Puffbesuch auf der Autobahn bei München spazieren ging.

Wie schon zu seinem 25. Todestag 2012 wird seiner jetzt in den Feuilletons gedacht – man feiert ihn als Rebell und frühen Popliteraten.

Interessant ist die Fauser-Rezeptionsgeschichte. Beim Stichwort Fauser schiebt die Erinnerung sofort einen speziellen Menschentyp vor das innere Auge: Männer, die Jörg Fauser lasen.

Jörg Fauser

Isolde Ohlbaum

Schaute man Ende der 70er Jahre in die Bücherregale der Wohngemeinschaften und Hippiekommunen, so konnte man ein Stadt-Land-Gefälle ausmachen. In den Dörfern, bei den Landfreaks, standen im Regal: Tolkiens „Der Herr der Ringe“, Jack Kerouacs „Unterwegs“, Castaneda, und „I Ging – Das Buch der Orakel“.

In den kleinen und größeren Städten kamen Wondratschek, Burroughs, Benn, Chandler und eben Fauser dazu. In der subjektiven Wahrnehmung erreichte der Anteil der Fauser lesenden Männer dann um 1985 in Berlin seinen Höhepunkt.

Der typische Fauser-Leser zu dieser Zeit war männlich, um die 30 Jahre alt (ist also heute um die 60) und von düsterem, leicht verwahrlosten Äußeren. Er war stets ernst, als müsse er ein dunkles Geheimnis bewahren, zumindest den Ekel über eine zu behütete Kindheit bewältigen. In Fauser-Leserkreisen war es nicht en vogue, in Gesellschaft lustig, charmant oder gar höflich und unterhaltsam zu sein. Fauser-Leser waren einsame Wölfe, die gerne schweigend allein am Tresen vor einem Glas Whiskey saßen.

Männer, die Jörg Fauser lasen, waren latent misogyn, eher homophob als schwul, eher Stoffel als Dandy. Sie verstanden sich als Außenseiter, Maler, Künstler oder Musiker, sie litten an sich, am Leben, an der Stadt und den Verhältnissen. Aus heutiger, aufgeklärter Sicht war den Fauser lesenden Männern eine etwas räudige Aura gemein: Humorlos, freudlos gingen sie durchs Leben, waren dem Selbstmitleid verfallen – ohne Selbstironie zu kennen. Und heute weiß man nicht mehr genau, was damals interessant an ihnen war.

Es waren aber auch dunkle Zeiten: Geschlechterverhältnisse wurden kaum in Frage gestellt, männliches Dominanzverhalten war der gesellschaftliche Normalzustand und Genderdiskussionen gänzlich unbekannt. Auch in bohemistischen Zirkeln mussten Männer eben tun, was Männer glaubten, tun zu müssen; sie sahen in Frauen in erster Linie das andere Geschlecht – zwar Objekt der Begierde, aber schlussendlich immer das domestizierende Wesen, das naturgemäß einen Mann davon abhalten will, zu tun, was ein Mann tun muss.

Fausers Authentizitätsgebot, seine Maxime „nur das schreiben, was man kennt“, seine Heroinsucht und Alkoholabhängigkeit, seine Suche nach Abenteuer, Leidenschaft, Exzess, seine „Männerthemen“ boten reichlich Identifikationspotenzial. Fauser war ein Rebell, ein Asphaltliterat, der für „lui“ und den „Playboy“ schrieb, der oft saufen und boxen ging. Ein deutscher Schriftsteller, der die deutsche Kulturszene geißelte, einer, dem die amerikanischen Beatpoeten näher standen als Böll und Grass und die ganze Gruppe 47. Einer, der die Welt der Bahnhofskneipen, Puffs, schmierigen Imbissbuden, trostlosen Vorstädte beschreibt und dessen Helden alles tun, was Männern Spaß macht. Jörg Fauser baute Charaktere, die dann von Rezensenten als „Männer, die das Leben schmecken“ beschrieben werden. „Sie nahmen Frauen hart ran und vertragen einen kräftigen Schluck“ hieß es 1990 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über Fausers Helden.

Wenn man jetzt nur wieder wüßte, was „hart rannehmen“ im Fauserschen Universum bedeutet! Nun, ein Mann, der Frauen hart rannimmt, wird wohl ungefähr das Gegenteil des modernen „Frauenverstehers“ sein.

Jörg Fauser bezog Stellung gegen „Wochenendbeilagen und Feuilletons westdeutscher Blätter“ mit ihrer „vom Feminismus und ähnlichen Gesinnungsdiktaturen genormten Kultur, aus der längst alles getilgt wurde, was Männern einmal Spaß gemacht hat“. Er wurde zum Männer-Kultautor, weil er männliche Instinkte pries, weil er seine Leser seine Bad-Boy-Radikalität miterleben, sie am Mut zum Risiko, den sie bei sich selbst vermissten, teilhaben ließ.

Jörg Fauser schrieb ganz einfach Männerromane, die weibliche Leserschaft konnte sich wenig für ihn begeistern. Gewiss blätterte man im Gedichtband „Trotzki, Goethe und das Glück“ oder in „Der Schneemann“, konnte aber nicht viel damit anfangen. Männerliteratur eben.

Jörg Fauser

Alexander Verlag

Stilbildend für das Genre „Männerroman“ könnte man die Autoren der Beatgeneration, aber auch Hemingway nennen, generell behandelt der Männerroman Männer-Themen. Unverzichtbar für einen Männerroman sind: Der einsame, von der bürgerlichen Umwelt als moralisch fragwürdig eingestufte Held, chaotische Wohnungen, Whiskeysorten, Drogen, leichte Mädchen, Rotlichtmilieu, Faustkämpfe, wahlweise auch Großwildjagd, gewaltige Naturerlebnisse, Schießereien.

Ein Hauptverdienst Fausers ist aus heutiger Sicht aber wohl, dass er in den trüben bundesrepublikanischen Jahren die typisch US-amerikanische Kombination aus Populärkultur und Underground in die deutsche Literatur eingebracht hat.