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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

16. 7. 2014 - 14:59

Hauptsache gegen Deutschland

Warum werden Menschen so ernst, wenn es um Fußball und die WM geht? Es bleibt mir ein Rätsel, warum die Österreicher nichts mit den Deutschen am Hut haben wollen.

Mit Akzent

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Viele Leute in Bulgarien wollen Deutsche sein. Ich habe neulich in der bulgarischen Presse ein Artikel gelesen, wo der Autor 15 Gründe aufgelistet hat, warum er gerne Deutscher wäre. Währenddessen wollen sich die meisten Menschen in Österreich von den Deutschen abgrenzen. Für die Bulgaren ist das ganz logisch erklärbar: wenn man in einem Land lebt, in dem Ordnung ein abstrakter Begriff ist, sehnt man sich nach einem Leben im Land, in dem Ordnung eine Tatsache ist. Warum aber die Österreicher nichts mit den Deutschen am Hut haben wollen, bleibt mir ein Rätsel. Ob das eine Frage eines möglicherweise nationalen Komplexes ist oder eines sehr starken Nationalstolzes weiß ich nicht. Andere können es sicher besser erklären als ich.

Sebatian Schweinsteiger mit Deutschland-Flagge um die Schultern gewickelt und mit dem WM-Pokal in der Hand vor Fans

APA/EPA/ALEX GRIMM /Bongarts/Getty

Ich sah mir das zweite Halbfinale der Fußball-WM mit einer großen Gruppe Österreicher an. Alle haben das Ende des Spiels sehnlichst erwartet, um zu wissen, wer gegen Deutschland spielt und wen man anfeuern soll. Beim Finale war ich in der Gruppe der einzige, der für Deutschland war. Alle anderen waren für Argentinien oder besser gesagt gegen Deutschland. Nach dem Spiel: traurige Österreicher. Mir war es natürlich völlig egal wer gewinnt, aber um alle anderen zu ärgern, feuerte ich Deutschland an. Freunde, mit denen ich vor kurzem zusammen gelacht habe, schauten mich grimmig an. Der zerbrechliche Frieden zwischen den Nationen war auf dem Weg sich aufzulösen. Es fiel mir ein, dass ich einem meiner österreichischen Freunde Geld schulde. Immer wenn Deutschland im Ballbesitz war, sah er mich grimmig an. War ich denn so dumm, Deutschland im schlechtesten Moment zu unterstützen? Der Konformist in mir erwachte. Ich erzählte, wie Bulgarien Deutschland bei der WM 1994 geschlagen hatte. Das machte mich wieder ein bisschen vertrauenswürdig.

Und das alles wegen eines Fußballspiels, wo weder Österreich noch Bulgarien mitspielte. Warum werden überhaupt Menschen so ernst, wenn es um Fußball geht? Ich erinnere mich, als Frankreich vor Jahren Europameister wurde. Damals äußerte sich der französische Botschafter in Sofia empört, dass sich die Bulgaren "nicht genug über den französischen Sieg gefreut hatten". Ich frage mich, was passiert wäre, wenn die Menschen in Bulgarien die Franzosen ausgepfiffen hätten. Ein Bombenangriff?

Jubelnde Fans am Brandenburger Tor, die die deutsche Nationalelf und Fußballweltmeister empfangen

APA/EPA/KAY NIETFELD

Wir leben im vereinten Europa. Wir arbeiten alle für unsere gemeinsame Zukunft. Und wir versuchen immer rückwärts zu schauen. Ich verstehe nicht viel von Autos, aber ich weiß, dass wenn man nach vorne geht und die ganze Zeit nach hinten schaut, die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls ziemlich hoch ist.