Erstellt am: 18. 7. 2014 - 14:57 Uhr
Splasher's Ball
Das etwas orientierungslose Gefühl, wenn man gerade in ein Festival reingestolpert ist - es wird umso stärker, wenn dieses schon zwei Nächte Party in den Knochen hat und man selbst gerade einige Stunden Halbschlaf im bequemen Campingmobil. Dank eines sehr schönen HipHop-Abends in der Wiener Arena kommt unsere Reisegruppe nämlich erst zur Halbzeit in Splash!-Land an. Während die anderen zwei Drittel sogleich zur Verlegung entspannter Sounds auf der atmosphärischen Strandbühne schreiten, nutze ich die Möglichkeit zum Austausch mit alten Bekannten. Über die KIZ-Show inklusive etwas angsteinflößender Wall Of Death wird ebenso berichtet, wie über den Auftritt von SSIO aus Bonn, der eindeutig das Highlight des Vorabends gewesen sei.
Robert Winter
Ein anderer Act aus Nordrhein-Westfalen wird am selben Ort schließlich zu meinem persönlichen Live-Einstieg ins Geschehen werden: Witten Untouchable. Die Ruhrpott-Crew um Lakmann, eine Hälfte des großen Duos Creutzfeld & Jakob, übt sich nicht nur in Nostalgie und Lokalpatriotismus, sondern liefert zur Freude des Publikums eine energiegeladene Show ab. Auch der Kölner Sylabil Spill beeindruckt hier wenig später mit sehr druckvollen und tighten Reimen - davor steht allerdings ein kleiner Abstecher zur nächstgrößeren Bühne auf dem Programm: Vic Mensa, talentierter Homie von Chance The Rapper, der aber dank eines housigen potenziellen Sommerhits gerade dabei ist, seinen Mentor in Sachen Mainstream-Popularität links zu überholen. Über Soundprobleme bei Konzerten zu schreiben ist zwar sehr langweilig, aber Vic hat zeitweise sichtbar Probleme mit der Technik. Dank großem Körper-Einsatz seinerseits hüpft das Zelt aber trotzdem ordentlich mit. Und wenigstens rappt der junge Mann live, im Gegensatz zu A$AP Ferg, der danach leider ähnlich wie sein Kollege Rocky letztes Jahr eine Playbackshow mit etwas Drüberrappen abspult.
Pascal Kerouche
Etwas enttäuscht geht's zurück zum Strand, wo gerade der große Megaloh mit der am Festival vielbeschäftigten Live-Band Tribes Of Jizu sehr wohlklingend am Werken ist. Zufallsbekanntschaften beim Essen überreden mich dann, mit zu Yelawolf zu kommen, und sie haben recht: Der Mann aus einer Kleinstadt in Alabama sieht zwar auf der Bühne aus wie ein 35jähriger Keith Richards im Axl-Rose-Kostüm, aber rappt so unglaublich präzise und gut, das man sehr gut nachvollziehen kann, warum ihn der wahre Slim Shady als potenziellen Nachfolger mit Extraportion Dirty South-Appeal auf sein Label genommen hat. Mitunter wird die Country-Rap-Schublade hier schon etwas zu ernst genommen, wenn etwa Kid Rock die Hook singt, aber in der minimalistischen One-MC-and-One-DJ Kombination mit (einem ebenfalls ziemlich rock'n'rollig volltätowierten) DJ Klever ist die Show trotzdem sehr kurzweilig.
Paul Pack
Apropos Südstaaten-Rap: Die unbestrittenen Könige des Genres sind dieses Jahr auch eindeutig das Highlight des Splash! Big Boi und Andre 3000 alias Outkast haben seit mehr als acht Jahren keinen gemeinsamen Tonträger aufgenommen, ihre gemeinsame Band aber auch nie offiziell aufgelöst. Man könnte - ähnlich wie beim letztjährigen Headliner - munkeln, die sicher sehr guten Gagen hätten die beiden MCs dazu bewogen, sich wieder mal gemeinsam in den Tourbus zu quetschen - die Show wirkt aber nicht so. Angefangen vom explosiven Bombs Over Baghdad hanteln sich Outkast spielend durch ihren an Hits, Hits, Hits und Klassikern wahrlich nicht armen Katalog. Das ganze mit unglaublicher Live-Präsenz, Präzision und ab der Mitte auch mit sichtbarem Spaß zwischen den Akteuren vorgetragen, die mit ihrem langjährigen Hookline-Spezialisten Sleepy Brown, einem DJ und einer Bassistin nicht viel Unterstützung auf der Bühne brauchen. Zum absoluten Glück fehlt mir da nur ein Song, aber obskure Sieben-Minuten-Jams passen klarerweise nicht ins Best-Of-Set. Auch wenn man wegen der einigermaßen guten Chemie auf der Bühne nicht gleich über neue gemeinsame Songs der beiden phantasieren sollte, haben uns Andre und Big Boi zumindest ein Konzert lang sehr glaubhaft versichert, dass es sie noch gibt - zur Freude aller Beteiligten!
"How good of a friend are you?" steht auf Andres Overall, falls sich jemand gefragt hat!
Walter Wim Glöckle
Wegen des eingangs erwähnten Schlafdefizits muss ich die Afterparty mit Lunice oder Onra leider auslassen - Festival heißt eben auch, Kompromisse zu machen.
Dafür erlebe ich sonntags schon früh am Nachmittag, wie die Tribes of Jizu diesmal eine Solo-Show mit wechselnden Rappen spielen, höre Dexter beim Auflegen und Mitrappen zu - und lande schließlich bei Angel Haze aus New York. Die arbeitet sich mit Maschinengewehr-Raps über Rhythmen zwischen tiefergelegter 808 und 4/4 und begeistert damit das Publikum auf der Hauptbühne - auch wenn dieses Bild die Aufmerksamkeits-Probleme von Festivalbesuchern 2014 leider zu gut illustriert.
Pascal Kerouche
Interessant ist dann die folgende Left Boy-Show - auch im direkten Vergleich zu vor zwei Tagen. Tatsächlich wird hier ein fast Wort für Wort und Beat für Beat identes Bühnenspektakel veranstaltet, verschiedenste Bühnenhinter- und -vordergründe inklusive. Dem Großteil des Publikums gefällt es, vereinzelt wird mitgerappt, nur wenige gehen unter mehr oder weniger korrekten Unmutsbekundungen von der Hauptbühne weg - hier gibt es aber eben noch zwei andere Live-Stationen, in diesem Fall mit YG und Eko Fresh auch für verschiedene Geschmäcker sehr gut besetzt.
Paul Pack
Die Left-Boy-Show musste schon vorverlegt werden, alles andere für die Hauptbühne geplante muss jetzt erst einmal warten, denn der eigentliche Headliner des Splash!-Sonntags heißt WM-Finale. Obwohl das Festivalgelände nicht ganz so schwarzrotgold-getönt ist wie das Umland, ist das Abschneiden von Schland hier natürlich auch ein großes Thema. Das Musikfestival verwandelt sich also mehrheitlich in eine große Pablik-Vjuwing-Zone, die sich nur der furchtlose junge Fashawn aus Fresno, Kalifornien in Frage zu stellen traut. Seine Show ist dementsprechend nicht übertrieben gut besucht, amüsiert aber weit besser als die scheinbar nicht so ereignisreiche zweite Häfte. Fashawn hat gerade bei Nas' Label unterschrieben, das kommende Album "The Ecology" klingt vielversprechend, wie eine upgedatete und leicht poppigere Variante seines Erstlings Boy Meets World.
Robert Winter
Nach dem Abpfiff dürfen sich die Exil-Wiener Raf Camora, Chakuza & Joshi Mizu in allgemeiner Euphorie baden - der vorab ungünstig wirkende Slot entpuppt sich als Jackpot, das Publikum hüpft! Ich bin danach schon etwas weichgeklopft von Live-Rap und nehme nur noch im Vorbeigehen ein paar weiche Live-Raps von Wiz Khalifa mit. Ein "Battle" zwischen den besten Beatbastlern der zwei befreundeten Labels Melting Pot Music und Jakarta lenkt den Fokus richtigerweise auf die Produzenten, und lässt den Abend und das Festival musikalisch sehr schön ausklingen. Auf eine Entscheidung im Battlesinne wird am Ende einfach verzichtet, es geht ja schließlich um Musik - hochsympathisch!
Robert Winter