Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "My Body is a Wonderland"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

13. 7. 2014 - 16:35

My Body is a Wonderland

Der Song zum Sonntag: Bat For Lashes - "Skin Song"

Wollen wir der körperlichen Ertüchtigung ausnahmsweise einmal nicht allzu viel Bedeutung zumessen? Entspringen einem kranken Körper eventuell die krankeren, also besseren Ideen? Anfang 2015 soll unter dem Namen "Body of Songs" ein von verschiedenen Musikerinnen und Musikern gestaltetes Album die Wechselbeziehung zwischen Körper und Kunst beleuchten, die Herren Goldie und Ghostpoet haben schon ein paar Anatomie-Stunden hinter sich und verhandeln in ihren Stücken die Abenteuer mit dem Gehirn bzw. mit der Leber.

Bat For Lashes

Bat For Lashes

Natasha Khan

Die englische Musikerin Nathasha Khan widmet sich mit ihrem musikalischen Alter Ego Bat Für Lashes in dem pragmatisch betitelten "Skin Song" der Haut. Der Haut als Symbol für das Fühlen im weitesten Sinn, auch das Fühlen in uns drinnen, das sich vielleicht mit dem Ding Liebe beschäftigt, gleichzeitig der Haut als leidlich bekanntem Protokolleur des Alterungsprozesses. Natasha Khan weiß, dass sie jetzt mal wieder ein bisschen älter geworden ist, und es ist voll okay so. "I'm a little older now/ There's scars and there are frowns /There's memories in the dust" öffnet der "Skin Song".

Natasha Khan singt davon wie sie in ihrem Leben vor ein wenig kleiner Scham rot geworden ist und wie sie sich verletzt hat. Wie sie das Verstreichen der Jugend gespürt hat, das Bluten – und das Wiederheilwerden. Natasha Khan zählt die Narben und die Liebhaber, die sie in ihrem Armen gehalten hat. In ihre Haut, in ihren Körper sind das Vergehen der Zeit, der Schmerz, die Erinnerungen eingeschrieben, die wohligen, die bitteren, die elektrisierenden, die hässlichen. Aus den Falten in der Haut sprechen Echos aus dem Gestern zu uns.

Nun ist Natasha Khan mit ihren Mitte 30 noch nicht gar alt und hat ihren Körper und ihren Geist hoffentlich noch nicht zu Ende verbraucht – man darf sich aber ab und zu auch mit, zum Beispiel, 17 Jahren schon die eigene Vergangenheit mal besonders verklärt, mal im Dienste des Selbstmitleids als über die Maßen unangenehm herbeiimaginieren.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Mit aller Zeit der Welt wogt der Song auf einer beruhigend dröhnenden Orgelmelodie dahin. Keine Hast, keine letzten Erledigungen. Ab und zu faucht es, zischelt und raschelt es. Die Oberfläche bekommt winzige Sprünge und Risse. Freilich ist nicht zuletzt das Altern des Körpers, sein Verfall im so genannten Show-Geschäft kein unbedeutendes Thema.

Bei ständigem Pochen auf zweifelhafte, quasi unausgesprochen als selbstverständlich zu akzeptierende Ideale, findet gleichzeitig die Auseinandersetzung mit Abweichungen von der aufoktroyierten Norm unter dem Teppich, im Flüsterton, statt. Natasha Khan nähert sich ungerührt, sie ist im Reinen mit der Welt: "Cause I have my time / It dances in the skin when I smile / And for the years that pass me by / My body's an old good friend of mine". Es war schön, es wird schön sein.