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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

10. 7. 2014 - 18:55

Königswarte kostete mindestens 150 Millionen

Trotz des rigiden Sparkurses beim Bundesheer wurde die Königswarte runderneuert und der Antennenpark ausgebaut. Die gesamte Anlage kostete mindestens 150 Mio Euro.

Im ersten Teil:
Warum zivile VSAT-Internetanbindungen, aber keine militärischen Satelliten über die Königswarte angegriffen werden und warum unter den Benutzern von Sat-Internet besonders viele "Personen von Interesse" für die Geheimdienste sind

Seit einem Jahr geistern Gerüchte über einen Vertrag des Bundesheers mit der NSA über die gemeinsame Nutzung der Königswarte durch Österreichs Medien. Nachgewiesen werden konnte dieses "Joint Venture" zur Satellitenüberwachung bis jetzt zwar nicht, wie auch die Kostenfrage nicht gestellt wurde. Mit mindestens 150 Millionen Euro an Errichtungskosten ist die Überwachungsstation eine der teuersten militärischen Anschaffungen überhaupt. Obwohl beim Bundesheer ein harter Sparkurs eingehalten wird, wurde das Gebäude der Königswarte in den letzten Monaten runderneuert und der Antennenpark weiter ausgebaut.

150 Millionen sind die unterste Grenze der Kostenschätzungen von Experten für das gleich dimensionierte Sat-Überwachungssystem Onyx in der Schweiz. Allein bis 2003 waren dort bereits 150 Millionen Schweizer Franken angefallen. Der laufende Betrieb für diese Anlage mit etwa einem Dutzend riesiger Parabolantennen und angeschlossenem Maschinenpark wird dort auf eine Summe zwischen zehn und 20 Millionen Euro pro Jahr eingeschätzt.

Aktuell dazu auf ORF.at
Als Reaktion auf den zweiten schweren Spionagefall durch die US-Gehiemdienste innerhalb einer Woche hat Deutschland den obersten Geheimdienstler an der amerikanischen Botschaft in Berlin ausgewiesen.

Sowohl Onyx als auch die Königswarte sind jeweils doppelt so groß wie die berüchtigte, nunmehr vom deutschen BND betriebene ehemalige NSA-Station in Bad Aibling. Von allen drei Anlagen ist die auf der Königswarte am modernsten, weil sie als letztes errichtet wurde, was für höhere Kosten als 150 Millionen spricht.

Königswarte runderneuert

Während der Rotstift über das Bundesheer waltet, sodass zuletzt sogar die Luftraumüberwachung zurückgefahren werden musste, wurde das gesamte Gebäude der Königswarte rundum mit einer neuen, strahlungsabweisenden Fassade versehen. Im Herbst 2013 wurde zudem ein weiterer Spiegel am Turm installiert, der, wie das gesamte Equipment dort, dem oberen Preissegment zuzurechnen ist. Der größere der beiden terrestrischen Datenlinks am Turm ist mit etwa fünf Metern Durchmesser das größte Format, das vom Hersteller, der US-Firma RFS, für solche terrestrische Funkstrecken überhaupt zu haben ist.

data links

Roland Winkler/ORF.at

Mit dem ansteigenden GHz-Bereich steigen auch die Kosten für jede Vergrößerung der Spiegel nichtlinear an. Faustregel dabei ist, dass ab einem für die Wellenlänge gebräuchlichen Durchmesser für jede weitere Vergrößerung ein Vіelfaches an Kosten anfällt. Die Fehlertoleranz beträgt hier nämlich nicht einmal ein Zehntel der verwendeten Wellenlänge und die ist im GHz-Bereich nur wenige Zentimeter. Zudem müssen diese Richtfunkschüsseln millimetergenau auf ihr weit entferntes Gegenstück eingerichtet werden, auch dabei werden nur minimale Abweichungen toleriert.

Wohin die Schüsseln schießen

Die erst gegen Ende 2013 montierte, kleinere der beiden Schüsseln zeigt auf den Flughafen Schwechat und die dahinter liegende Burstyn-Kaserne des Bundesheers in Zwölfaxing. In "Schussrichtung" der großen Schüssel - Nordwesten - liegen die Leiser Berge, wo das Bundesheer eine Radarstation auf dem Steinmandl betreibt. Diese beiden Datenlinks verbinden also zwei weitere Standorte mit der Königswarte, die ebenfalls im Eigentum des Bundesheers ist.

Die Heeresverwaltung wird auch als Eigentümer des Grundstücks mit der Einlagezahl 767 in der Katastralgemeinde Berg ausgewiesen. Erworben wurde die 6196 Quadratmeter große Fläche bereits 1981 von der Gemeinde Wolfsthal-Berg. Davor hatte die Königswarte während des Kalten Kriegs als Horchposten gedient, der gemeinsam mit den US-Streitkräften betrieben wurde. Die Antennen waren damals noch nicht auf den Satellitenhimmel gerichtet, sondern visierten militärischen Funkverkehr, Flugleitsysteme, analoge Richtfunkstrecken zwischen den Wählämtern und ähnliche Ziele an. Heute zapfen die Antennen der Königswarte die Downlinks von Datenverbindungen über Satelliten ab.

Auszug aus dem Grundbuch

Roland Winkler/ORF.at

Glasfaser, Terminals und die IT

Neben diesen beiden Richtfunkstrecken existiert eine weitere Datenverbindung nach außen, denn eine derart dimensionierte Station wie die Königswarte kann ohne Glasfaseranbindung nicht funktionieren. Zwölf große Parabolspiegel, die jeweils auf die Downlinks eines bestimmten Satelliten zielen und dort rund um die Uhr alles an Daten abgreifen, erfassen alleine schon Unmengen an Metadaten pro Tag. Wie sich im Verlauf des NSA-Skandals gezeigt hat, werden zudem auch alle Inhalte von Sprach- oder Datenkommunikation abgegriffen und gespeichert, wenn das irgendwie möglich ist.

Damit ist man schon beim weitaus teuersten Teil des technischen Equipments angelangt, das auf den Fotos freilich nicht sichtbar ist. Es sind die Steuerungseinheiten der Antennen, die Satellitenterminals für Empfang, Verarbeitung und Tansformation der Signale, dazu kommen noch die IT-Komponenten wie Routing und Switching, Pufferspeicher und Datenbanken.

Koenigswarte

Roland Winkler/ORF.at

Die Dimensionen der Antennen hier im Größenvergleich mit dem Geländewagen des Bundesheers, in dem die Montagetechniker im Oktober 2013 zufuhren. Das Baugerüst am Turm wurde mittlerweile entfernt.

Ferngesteuerter Betrieb

Wohin die Daten dann über die Glasfaser abtransportiert werden, ist natürlich so nicht in Erfahrung zu bringen. Fest steht jedoch, dass die gesamte Anlage kein Personal zum laufenden Betrieb benötigt, denn sie ist ferngesteuert. Die eigentliche Auswertung der Daten passiert auch nicht vor Ort, sondern am Ende der Glasfaser, wo immer das auch ist. Die beiden terrestrischen Links am Turm sind höchstwahrscheinlich Back-Up-Leitungen oder sie liefern weitere Daten zu.

Zwar ist es möglich, dass die eine oder andere Antenne auch für Uplinks, also zum Senden verwendet wird, insgesamt handelt es sich jedoch um eine Empfangsanlage, die auf den drei geläufigen Bändern der zivilen Sat-Kommunikation betrieben wird.

Frequenzen und Datenfunk

Satelliten für tropische Regionen - vor allem in Afrika - benützen wegen der geringeren Dämpfung durch Feuchtigkeit Frequenzen im sogenannten C-Band zwischen 3,5 und 6,5 GHz. Die weitaus meisten Satelliten arbeiten jedoch im Ku-Band zwischen 10 und 12 GHz. Beide Bänder werden in erster Linie noch immer von TV-Kanälen dominiert, aber auch ältere Satelliten haben bereits Datenlinks. Bei neueren Sats ist der Anteil an Datenverbindungen jedoch weitaus höher, wenn sie nicht wie etwa der KA-SAT (Eutelsat, neun Grad Ost) reine Kommunikationssatelliten sind.

Die Eutelsat-Gruppe bietet zum Beispiel eine ganze Reihe von Datenservices für Carrierdienste und Firmennetze bis zum einfachen Breitbandzugang an , die Variante für Endverbraucher sind VSAT-Verbindungen über "Very small aperture terminals"

Im Verlauf des letzten Jahrzehnts ist die Nachfrage vor allem aus Afrika und dem Nahen Osten nach Sat-Internet stark gestiegen, weil der terrestrische Netzausbau dort den Bedarf nicht decken kann. Aus demselben Grund nutzen die Mobilfunker des Schwarzen Kontinents vielfach Satellitenlinks, um abgelegenere Landesteile anzubinden. Auch Ölfelder, neue Produktionsstätten, Hilfsorganisationen und der gesamte weltweite Schiffsverkehr sind auf Sat-Internet angewiesen.

20 Mbit/sec vom Satelliten

Wegen der steigenden Nachfrage nach Datendiensten ist in den letzten Jahren mit dem Ka-Band ein weiterer Frequenzbereich dazugekommen, der von 18 GHz aufwärts bespielt wird. Hier sind besonders breitbandige Downlinks möglich, angeboten werden etwa von KA-SAT maximale Downloadraten von bis zu 20 Mbit/sec, was ein Mehrfaches der Datenkapazität älterer Satelliten ist.

Einfach zuordnen lassen sich die einzelnen Antennen der Königswarte diesen drei in Frage kommenden Bändern jedoch nicht, da die benutzte Wellenlänge nicht direkt aus dem Durchmesser der Schüssel abzuleiten ist. Mit ansteigender Frequenz werden zwar die Mindestdimensionen der Schüsseln immer kleiner, bei der Verwendung größere Antennenformate steigt der Pegel der empfangenen Signale jedoch steil an.

Gradraster, Präzisionsarbeit

Damit lässt sich auch Datenverkehr von Satelliten weit außerhalb ihres terrestrischen Einstrahlgebiets ("Footprint") abfangen. Auch hier gilt, dass der Durchmesser der Schüssel mit der Positionierung der Empfangseinheit exakt abgestimmt werden muss. Das Einrichten dieser großen Parabolantennen auf ihre Ziele erfordert ebenfalls Präzisionsarbeit. Wie auf den Fotos zu sehen ist, sind diese Schüsseln mit Gradrastern versehen worden, um das Einrichten zu erleichtern.

Satelliten

Roland Winkler/ORF.at

Cassegrain-Spiegel

Die Mehrzahl der Parabolspiegel auf der Königswarte sind Hochleistungsantennen vom sogenannten "Cassegrain"-Typ, auch diese Spiegel gehören zum obersten Preissegment. Anders als bei herkömmlichen Schüsseln, wo die eigentliche Empfangseinheit am "Horn" vor der Antenne sitzt, ist sie hier dahinter angebracht. Das Signal wird über ein komplexes Reflexionsystem dorthin geleitet, dadurch wird nicht nur ein weiterer Verstärkungseffekt erzielt, das Signal lässt sich auch besser verarbeiten.

Anders als in der Schweiz und Österreich sind die Spiegel im bayrischen Bad Aibling unter sogenannten Radomen versteckt.

Angesichts dieses enormen Aufwands stellt sich die Frage, wie das mit einem der geringsten Militärbudgets in ganz Europa zusammengehen soll, über dem obendrein gerade ein so harter Sparkurs waltet, dass sogar die operative Luftraumsicherung zusammengestrichen wird. Ganz ähnliche Fragen nach den Kosten und vor allem nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Systems für einen neutralen Staat wurden schon nach Bekanntwerden des Schweizer Onyx-Systems im Jahr 2000 aufgeworfen.

Koenigswarte

Roland Winkler/ORF.at

Das komplexe Funktionsprinzip der Cassegrain-Antennen stammt nicht aus dem Funkbereich, sondern von optischen Teleskopen. Ein französischer Priester namens Laurent Cassegrain soll bereits 1672 das erste Teleskop konstruiert haben, das mit doppelter Reflexion arbeitet.

Im selben Zeitraum, nämlich ab 2001 begann die NSA mit der schrittweisen Übergabe ihrer Station in Bad Aibling an den deutschen BND, was 2004 abgeschlossen wurde. In dieser Zeit startete auch der Ausbau der Königswarte zu einer der größten Satellitenspiongestationen, die es in Europa gibt.

Leuk, Bad Aibling und die Königswarte

Sieht man sich die Lage dieser drei Standorte an, so sind sie von sieben Grad Ost (Leuk, Schweiz) über zehn (Bad Aibling) bis 17 Grad Ost (Königswarte) hintereinander gestaffelt, wie auch ihre Ziele, geostationäre Satelliten über dem Äquator, dort nebeneinander wie auf einer Kette aufgefädelt sind. Zudem sind sämtliche bis jetzt bekannten Stationen für Satellitenspionage nachgewiesenermaßen Teile eines weit größeren Verbundsystems. Das weitaus größte ist das, das von den USA, Großbritannien und den übrigen "Five Eyes"-Staaten betrieben wird.

Das vom französischen Militärgeheimdienstes DGSE in Eigenregie betriebene System - allgemein wird es "Frenchelon" genannt - wiederum besteht aus etwa zwölf Standorten in Frankreich und den Überseeprovinzen, wobei die Stationen allesamt kleiner dimensioniert sind als die Königswarte. Alle anderen bekannten Anlagen für Sat-Spionage, wie etwa jene im japanischen Misawa aber sind Teile des Echelon-Systems der USA.

Die Missing Links von Echelon

Von ihrer geografischen Lage her passen sowohl das Schweizer Onyx-System wie auch die Königswarte perfekt wie Missing-Links in dieses weltumspannde Spionagesystem der USA. In diesem klafft zwischen Westfrankreich und Italien nämlich eine Lücke von 17 Längengraden, die mit den sechs Parabolspiegeln von Bad Aibling unmöglich abgedeckt werden kann.

Folie der NSA aus der Sammlung Edward Snowden

CC by NSA

Unter den wenigen Informationen, die aus den geleakten NSA-Dokumenten über Österreich bekannt wurden, finden sich zwei, die exakt zur Königswarte passen. In einem der Dokumente ist von einer "automatisierten Station" in Österreich die Rede, in einem zweiten wird neben dem Standort "Vienna" zusätzlich ein "Vienna Annex" im Zusammenhang mit den Begriffen SIGINT und FORNSAT erwähnt. "Signals Intelligence" ist die Bezeichnung für klassische Funkspionage, FORNSAT ist dazu Unterbegriff, dass diese "Nachrichtenaufklärung" eben nicht auf Daten aus der Glasfaser sondern von Satelliten gerichtet ist.

Ausblick

Was die Glasfaserverbindung der Königswarte betrifft, so ist die eigentlich spannende Frage nicht, welche Daten darüber abtransportiert werden. Weit interessanter als dieser Mix aus Inhalts- oder Metadaten ist eine Antwort auf die Frage, wer da wirklich am anderen Ende der Leitung sitzt

Im dritten Teil, der in wenigen Tagen hier zu lesen ist, wird untersucht, welche Service-Provider auf welchen Satelliten interessante Ziele für die Betreiber der Königswarte sind.