Erstellt am: 10. 7. 2014 - 16:10 Uhr
Sterne raten und Asteroiden zählen
Ich plage mich stets mit einem schlechten Gewissen, wenn ich mal wieder viel zu lange irgendein sinnloses Universum gerettet habe, führe Radiohören als Ausrede an und denke darüber nach, ob man beim Computerspielen wirklich denken kann (jein).
Aber hin und wieder erinnere ich mich an das großartige Zooniverse-Projekt, das astronomische Dummarbeit an Laien wie mich outsourcet. Dann verbringe ich für ein paar Tage Stunde um Stunde damit, die Ausrichtung, Form und Besonderheit von Galaxien oder Regelmäßigkeiten in Helligkeitsschwankungen in Bildern, die vor mir vielleicht noch nie ein Mensch gesehen hat, zu identifizieren um vielleicht, irgendwann, mit viel Glück mal einen Himmelskörper nach mir benannt zu bekommen (Kategorie großer Traum).
@asteroidzoo.org
Seit ein paar Tagen freu ich mich riesig über eine selbst für Zooniverse untypisch dumpfe Aufgabe: Das Entdecken von Asteroiden in kurzen Bilderserien. Astroid Zoo. Man sieht ein verrauschtes Bild voller Flecken (Sterne, Bildfehler, Galaxien, Asteroiden) und hat ein paar Werkzeuge zur Verfügung, um herauszufinden, was denn nun was ist. Das ganze ist eine dermaßen aufreibende, stupide Fließbandarbeit - und schlecht für die Handgelenke noch dazu - dass mir altem Bildschirmarbeiterkind die Augen ganz feucht werden vor Rührung. Endlich auch mal geschunden sein und dann noch im Namen der Wissenschaft! Laika, du und ich ...
@asteroidzoo.org
Auch nach herkömmlichen Maßstäben gehört die Zooniverse-Reihe eigentlich ins Reich des Bösen: Unbezahlt verteidigt man hier kraft seines in Sachen Mustererkennung ganz vorbildlich ausdauernden Zerebrals die letzten Bastionen vor den Robotern und Algorithmen. Denn natürlich ist das, was ich hier tue, eigentlich Rechnerarbeit: Kleine Verschiebungen aus einer riesigen Menge Verschiebungen aussieben, die - warum auch immer - irgendwie nicht zur großen Gruppe gehören. Und das immer wieder. Und als Individuum bin ich bei all dem nicht mal etwas wert: Meine Wahl - Asteroid oder nicht - gilt nur, wenn auch X andere Asteroidenerkenner die gleiche Meinung haben und eine ordentliche WissenschaftlerIn noch mal drüber geschaut hat und wahrscheinlich doch noch ein Roboterteleskop im Weltraum (wo Menschen auch nichts mehr zu suchen haben, oder) seine gigantischen Spiegel gönnerisch ausrichtet.
@asteroidzoo.org
Und warum mach ich das dann? Etwa nur, weil ich eine einzigartige Erfahrung machen kann - und das ist mir ja noch der Robobrut vorbehalten? Lass ich mich deswegen mit dem immer gleichen Mittel mit den immer gleichen Worten in die immer gleiche Belohnungskrise stürzen, um doch noch einen, nur noch einen und noch einen, bitte nur einen, schlechtes Gewissen, noch einen Asteroiden zu finden - und nur Glück zu spüren in der Vorahnung, wenn sich das nächste Bild zum ersten Mal aufbaut und ich wieder blöd klicken darf?
@galaxyzoo.org
Die Roboterarbeit macht mich zum Roboter. Daran ändert auch der extra spärliche Sozialkontakt wenig, den mir Asteroidzoo bietet: Funde diskutieren soll man, sich also über die Arbeit unterhalten. Was es ist: Alles Streber, dreckige Genaunehmer und Vielklicker. Mit denen will ich nichts zu tun haben. Lieber zurück zur Sternenarbeit. Der Himmel will vermessen werden und mir kommt die Aufgabe zu, Weltraumramsch zu orten. Na toll, und das im Sommer. Was tue ich hier eigentlich?