Erstellt am: 8. 7. 2014 - 13:07 Uhr
Hypo-Sondergesetz: "Ein politischer Kompromiss"
Der Nationalrat hat heute nachmittag das umstrittene Hypo-Sondergesetz beschlossen. NationalrätInnen der Regierungsparteien haben dafür, die Opposition dagegen gestimmt. Eine Bad Bank wird eingerichtet, die SteuerzahlerInnen wird der Abbau der 2009 notverstaatlichten Bank bis zu fünfzehn Milliarden Euro kosten. Eine vergleichsweise kleine Schuldenlöschung im Wert von 900 Millionen Euro wird GläubigerInnen treffen. Ich habe den Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister zum Sondergesetz befragt:
Was ist das für ein Wurf, dieses Hypo-Sondergesetz in einer ersten Einschätzung?
Ein politischer Kompromiss: Einerseits war der Druck der Finanzlobby zu groß, die Hypo nicht in den Konkurs zu schicken. Andererseits waren Verbitterung und Proteste der Steuerzahler nach der Grundsatzentscheidung auch zu groß, um nicht symbolisch auch Gläubiger mit einem relativ kleinen Betrag zur Kasse zu bitten.
APA/HERBERT PFARRHOFER
IWF und Ratingagenturen kritisieren vor allem den Schuldenschnitt von 900 Millionen bei Nachranganleihen. Im Vergleich zu den gesamten Schulden ein kleiner Betrag. Aber symbolisch ein Tabubruch?
So wird es die Finanzlobby sehen, für mich bezieht sich das Symbolische mehr auf die Steuerzahler: Schaut her, auch die Banken müssen was beitragen!
Wie stehen die Chancen, sich von der involvierten Bayrischen Landesbank Geld zu holen für die Abwicklung?
Das ist eine juristisch höchst komplexe Frage, das werden Gerichte entscheiden.
Die Grünen wollen nach wie vor eine so genannte geordnete Insolvenz mit Gläubigerbeteiligung. Was halten Sie davon? Wie könnte das aussehen?
Das Problem mit der geordneten Insolvenz besteht darin, dass es keine klare rechtliche Basis dafür gibt, welche Folgen die Haftungen des Landes Kärnten haben. Wir haben eben kein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften. In letzter Konsequenz könnten US-Hedge-Fonds versuchen, Vermögen der Republik Österreich in den USA oder anderswo zu pfänden (wie z.b. bei Argentinien geschehen). Im Fall einer geordneten Insolvenz der Hypo und dem Versuch der Politik, das Land Kärnten aus der Haftung zu entlassen, werden nämlich die vom Land Kärnten garantierten Anleihen stark an Wert verlieren. "Geierfonds" werden sie günstig aufkaufen und dann ihren Nominalwert einzutreiben versuchen.
Wie wurde mit vergleichbaren Banken in so einer Lage in Europa bzw. in den USA umgegangen?
In Europa kenne ich keinen Fall, wo eine größere Bank in die Insolvenz geschickt worden wäre.
Welche Abwicklung wäre aus Ihrer Sicht am sinnvollsten, um dem Bankensektor im Hochrisikobereich zu signalisieren, dass in Zukunft nachhaltiger und stabiler gewirtschaftet werden muss?
Egal, welche Abwicklung gewählt wird - lernen werden die Finanzakrobaten nicht deshalb, weil ein paar Kollegen ihren Job verlieren oder sogar ins Gefängnis müssen. Sie haben ja auch aus der Lehmann-Pleite nichts gelernt. Es gibt nichts Richtiges im Falschen, man muss die falsche Spielanordnung im Ganzen ändern: Der Finanzsektor hat der Realwirtschaft zu dienen und nicht umgekehrt.
Gibt es in Österreich noch weitere Banken, die wie die Hypo implodieren könnten? Wie schaut es mit den Abschreibungen österreichischer Banken in Südosteuropa aus, besteht da irgendwo die Gefahr einer zweiten Hypo? Gibt es noch mehrere potenzielle Hypos in Europa?
So verantwortungslos wie bei der Hypo gewirtschaftet wurde, hat wohl keine andere Bank dieser Größe operiert. Aber es verbleiben große systemische Risiken, weil eine finanzkapitalistische Spielanordnung sich in der Geschichte immer selbst zerstört hat. Die Depression in weiten Teilen Europas ist Teil dieses Prozesses.
Welche wesentlichen Maßnahmen sind seit der Krise getroffen worden, um Bankenkatastrophen wie die Hypo in Zukunft zu vermeiden? Welche Maßnahmen sind nach wie vor nicht getroffen worden?
2010 hat Schulmeister seine Ideen für einen "New Deal" für Europa genauer ausgeführt.
Keine. Denn es gilt, die Anreize auf allen Ebenen so zu verändern, dass Unternehmertum Vorrang vor Finanz-Alchemie bekommt. Dazu bräuchte es eine Stabilisierung der Zinsen für Staatsanleihen aller Euro-Staaten unter der mittelfristigen Wachstumsrate (durch Umwandlung des ESM in einen "Europäischen Währungsfonds"), Rückkehr zu festen Wechselkursen zwischen den vier wichtigsten Währungen (Dollar, Euro, Renminbi, Yen), Übergang im Börsenhandel vom Fließhandel zu zwei bis fünf elektronischen Auktionen, Verbesserungen in Bildung, Umwelt, Altenbetreuung, Infrastruktur durch einen "New Deal for Europe", und so weiter und so fort.