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7. 7. 2014 - 17:59

Tex Rubinowitz redet sich den Mund fusselig

Der Bachmannpreisträger im Gespräch mit Zita Bereuter über Humor und Literatur, die Post-Bachmann-Depression und seine Kritiker.

Als gestern der Autor, Witzezeichner, Mäusemusiker und Unter Palmen Moderator Tex Rubinowitz tatsächlich den ehrwürdigen und mit 25 Tausend Euro dotierten Bachmannpreis für seinen Text "Wir waren niemals hier" bekommen hat, da hat nicht nur er selbst geschluckt. "Hingeschluderte Pop-Trash-Literatur hat den ehrwürdigen Bachmannpreis endgültig desavouiert", so ungefähr war der Tenor bei einem Teil der klassischen Literatur-Kritik. Viele Nicht-Germanisten hatten jedenfalls einiges zu lachen, als Tex Rubinowitz mit einem extrem, nun ja, lässigen Vortrag seinen Text über eine verkorkste Liebe von vor 30 Jahren zum Besten gegeben hat. Die FM4-Bachmann-Reporterin Zita Bereuter hat mit Tex Rubinowitz am Abend nach der Preisverleihung ein ausführliches Gespräch über seinen Text, Humor bei Kafka und die drohende Post-Bachmanndepression geführt. In weiteren Rollen: Malcolm McLaren, Martin Kippenberger, Daniela Striegl und "Ein Fall für Zwei".

Tex Rubinowitz nachdem er den Bachmann-Preis 2014 erhalten hat, vor dem ORF Landesstudio in Klagenfurt

Radio FM4

Bachmann-Preisträger Tex Rubinowitz Im Interview

(Ganz unten gibt's das Interview in voller 25-plus-Minuten-Länge zum Anhören)

Zita Bereuter: Es gibt Kritiker und Poster, die zum Beispiel in Foren schreiben, dass die „ernsthafte Literatur“ in Gefahr ist, wenn jemand wie du mit einem Text wie diesem den Bachmann-Preis gewinnen kann. Mit einem lustigen Text, zu viel Humor, was auch immer… was antwortest Du denen?

Tex Rubinowitz: Bullshit, weil: Was ist denn das für ein Argument? Erstens: was ist Humor, was ist witzig!? Ich finde meinen Text überhaupt nicht witzig – das ist eine Frechheit, den witzig zu finden. Es sind zwar Bonmots drinnen, aber letztlich ist es ein sehr schwerer, grausamer Text. Dann sollen sie den Text ordentlich lesen. Außerdem: Muss Literatur immer ernst sein? Franz Kafka zum Beispiel: Jahre-, jahrzehntelang wurde gesagt, Franz Kafka sei der rätselhafte, traurige Versicherungsbeamte, der über Verzweiflung und Bronchitis und Tuberkolose geschrieben hat und traurig war. In Wirklichkeit ist das total lustig. Irgendwann kamen sie dann mal drauf, in den Siebziger- oder Achtziger Jahren. Als ich das in den Siebziger Jahren gelesen habe, habe ich mich totgelacht über „Amerika“. Das ist ein wahnsinnig witziger Text.

Zita Bereuter: Gut, es gibt aber auch Texte bzw. Briefe von Kafka, wo man weiß: so lustig war es dann doch nicht…

Tex Rubinowitz: Naja, aber dennoch findet er immer einen Dreh, wie er das dann lustig darstellen kann. Wenn er seinen Vater beschreibt, wie der mit einer Zugfahrkarte in seinen Zähnen nach Fleisch stochert, dann ist das ein befreiendes Lachen. Er hat den Vater gehasst und Angst vor ihm gehabt, aber wenn er den sieht, wie er mit einer Fahrkarte in den Zähnen stochert, dann ist das unglaublich lustig. Ich glaube, dass Kafka es auch so angelegt hat, dass das Lachen befreit aus diesem Elend, dieser Bedrohung des Vaters.

Tex Rubinowitz

APA/GERT EGGENBERGER

Zita Bereuter: Vielleicht ist es für die Kritiker auch eher schwierig, wenn du zum Beispiel sagst, dass du diesen Text in zwei Stunden geschrieben hast. Dann denkt man sich, „was? Kein Wunder…“

Tex Rubinowitz: Ja… nein! Aber… ich bin halt ehrlich und ich sag das auch: ich kann ein Buch in zehn Tagen schreiben, das geht ganz schnell. Es gibt auch ganz viele Heimatromane, die werden auch ganz schnell produziert. Das kriegt halt keiner mit. Das ist auch Literatur, aber etwas ganz anderes, spricht eine andere Zielgruppe an. Ich sage das ja extra, ich mache ja kein Getue darum, „wie lange ich gegrübelt habe“, oder… Thomas Glavinic zum Beispiel: ich habe nichts gegen ihn – persönlich kenne ich ihn nicht so besonders – wenn er sagt, „ich habe an diesem Tag nur zwei Seiten geschafft“; dann ist das so ein bisschen kokettieren damit, wie mühselig doch das Schreiben ist. Ich frage mich: warum soll man das sagen? Behaltet das doch für euch! Und als Antwort darauf sage ich immer: es ist, also nur für mich, nicht so schwer: man kann sich einfach hinsetzen und in zehn Tagen einen Roman schreiben. Geht auch. Aber als krassestes Beispiel. Denn was ist schreiben letztlich anderes als reden? Und wenn wir reden und eine Geschichte erzählen, weil wir etwas erlebt haben, und das gut erzählen können, dann geht es auch relativ schnell, das so wie wir reden runterzuschreiben. Ich kann schreiben, wie ich rede. Das klingt jetzt ein bisschen kokett, aber es stimmt tatsächlich. Und dann muss der Lektor natürlich etwas daraus machen. Das ist eine unstrukturierte… Suada, hat man mir gesagt, eine rausgekotzte. Aber letztlich ist das auch etwas gesagtes oder geschriebenes und etwas gedrucktes, wenn man Glück hat, oder verkauftes, wenn man noch mehr Glück hat.

Zita Bereuter: Tex Rubinowitz, hast du Angst vor einer Post-Bachmann-Depression?

Tex Rubinowitz: Leider ja. Es ist wirklich ganz, ganz furchtbar. Ich habe ja nicht mit dem Preis gerechnet. Ich hätte mir vielleicht einen kleinen, einen Publikumspreis ausgerechnet. Aber diese Last dieses Riesenpreises ist sowieso absurd und ich sage ja immer, der Preis ist nicht nur für mich, sondern der ist für die Gruppe, mit der ich gelernt habe, zu schreiben, für Wolfgang Herrndorf, der vor zehn Jahren den Preis gewonnen hat, jetzt kommen mir wieder die Tränen… Der Preis ist nicht der Preis, der er wirklich ist, sondern er ist facettiert, also aus vielen Facetten bestehend.

Zita Bereuter: Es hängen viele Erinnerungen daran für dich?

Tex Rubinowitz: Es hängen sehr viele Erinnerungen daran für mich, weil ich eben seit zehn Jahren kontinuierlich hierherkomme und viele Leute hier kenne, ich kenne auch die Juroren, und es macht einfach wahnsinnig Spaß, dieser ganze Betrieb – das ist ein Kunstwerk, eine soziale Skulptur die hierher gepflanzt wird wie der Songcontest: einmal im Jahr landet dieses UFO-Gebilde hier in Klagenfurt, dann kommen die alle heraus und dann machen sie jeden Tag sechs Stunden Literatur und am Abend besaufen sich alle und fahren am Sonntagabend wieder weg. Das ist einfach wahnsinnig – jetzt kommt ein Rainald-Götz-Wort – ein wahnsinnig geiles Gefühl, geil abgeliefert und geil gekommen. Das sind normalerweise nicht meine Worte, aber ich finde Rainald Götz so toll, und es macht einfach wahnsinnig Spaß. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Und die Depression kommt natürlich, das ist logisch, dass sie kommt. Aber jetzt erst einmal – ich glaube, ich habe heute fünfzehn Interviews gegeben – jetzt habe ich einen fusseligen Mund.

Tex Rubinowitz im Interview