Erstellt am: 6. 7. 2014 - 18:07 Uhr
Wohin mit dem Hass?
Hier kommt das Gift. Das Duo Sleaford Mods aus Nottingham wird aktuell allerorts als lang vermisster Ausdruck von Working-Class-Ethos, als die übellaunige Alternative zu schnöseligem Privatschulpop gefeiert. Mittlerweile stellt sich vor allem im UK das Musikmachen oft und gerne vornehmlich als Hobby für betuchte höhere Töchter und Söhne dar. Wo bleibt der Klassenkampf? Man könnte die Sleaford Mods jedoch auch als clever entworfene Pose verstehen, die Ideen wie Erdigkeit und Echtheit als kunstvolle Pfauenfedern spazierenführt.
Sleaford Mods
Die Sleaford Mods rotzen in ihren Stücken der dreckigen Welt, die sie und viele, viele andere geknechtet hat, ins Gesicht. Jason Williamson und Andrew Fearn haben die 40 schon überschritten, sich durch wenig erbauliche Musiker-Karrieren und miese Jobs gewurschtelt und sehen zu jedem Zeitpunkt exakt so aus, als wären sie schon wochenlang von einem Leck in der Decke vom Schlafen abgehalten worden. Gebeutelte und zerknautschte Männer, die dem Alkohol nicht abgeneigt scheinen und selten duschen. Auch in den einen oder anderen Raufhandel im örtlichen Pub werden sie wohl schon verwickelt gewesen sein. Es gibt Drogen.
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
- sleafordmods.com
Die Sleaford Mods haben schon haufenweise Musik veröffentlicht, mit ihrem gerade erschienenen, sehr guten Album "Divide and Exit" kommt jetzt endlich Erfolg in die trübe Bude. Jason Williamson sprechsingt sich in einem ätzenden Schwall die Unzufriedenheit, den Hass und die allgemeine Angepisstheit aus dem Körper. Das Wort "Pisse" fällt nicht selten. Auch vor anderem Vokabular aus der Kanalisation schreckt Williamson nicht zurück. Politik, soziale Ungerechtigkeiten, eigennützige Privat-Mieselsüchteleien, schlechtes Essen, Langeweile, beschissene Typen – Williamson hat zu allem eine Meinung, und selten ist es die beste. Dabei ist die ganze Angelegenheit nicht bloß stumpfer Furor, sondern hat Witz und blickt auch auf sich selbst zurück.
Andrew Fearn baut dazu am Laptop die billigsten, minimalistischsten Rumpelbeats. Spröde Schrottplatz-Elektronik, aschgrauer Preset-Postpunk. Der Bass beschwört einen Funk für die Elenden und die Unglamourösen. Wie viel echter Frust nun in den Sleaford Mods tatsächlich brodeln mag, wie viel kaputte Wahrheit in diesen Bildern vom völligen Fertig- und Wütendsein tatsächlich stecken mag – sehr schlau ausgedacht, gebaut und vermittelt ist dieses Image eben schon auch. Die Sexiness der Entrechteten und Räudigen, sie glüht so mitreißend.