Erstellt am: 6. 7. 2014 - 19:00 Uhr
Satellitenspionagestation Königswarte
"Detaillierte Informationen über die nachrichtendienstliche Tätigkeit zur Sicherung der militärischen Landesverteidigung sind nicht geeignet, öffentlich erörtert zu werden", antwortete das Verteidigungsministerium auf eine Anfrage von ORF.at. Die Anfrage bezog sich auf die Station Königswarte an der slowakischen Grenze, wo das Bundesheer einen stattlichen Park von großdimensionierten Parabolantennen betreibt.
"Wegen besonderer Sensibilität und Klassifizierung" sei "aus Gründen der Amtsverschwiegenheit im Interesse der umfassenden Landesverteidigung" keine Stellungnahme möglich, hieß es weiter. Das ist verständlich, denn von der Königswarte aus wird "nachrichtendienstliche Funkaufklärung" betrieben, was in diesem Fall nichts anderes heißt als "Satellitenspionage". Art und Qualität des von zivilen Kommunikationssatelliten abgefangenen Datenverkehrs sind möglicherweise der Grund, warum Österreich als privilegierter "Tier B"-Partner der NSA geführt wird.
Update 2014 09 11
Diese Textstellen wurde aufgrund neuer Informationen und Erkenntnisse dahingehend etwas "unpräzisiert", weil es mittlerweile eine deutlich plausiblere Erklärung für diese Einstufung als "Tier B" gibt.
Ziel geostationäre Satelliten
Die gesamte Anlage auf der Königswarte ist gen Süden ausgerichtet, zumal die Ziele geostationäre Satelliten sind, die entlang des Äquators wie an einer Perlenkette aufgefädelt sind. Das Gros dieser Satelliten überträgt in erster Linie TV-Kanäle, doch immer mehr Satelliten verfügen zusätzlich über Datendienste, manche bieten auch ausschließlich Services wie Internetzugänge an.
Das Dokument der NSA mit der Liste, in der Österreich als Tier-B-partner bezeichnet wird, wurde bereits im November 2013 veröffentlicht. Seither wurde gerätselt, aus welchem Grund Österreich auf diese Liste kam, da diese ansonsten fast ausschließlich aus NATO-Staaten besteht.
Anders als die TV-Transponder, deren Antennen ein exakt definiertes Zielgebiet mit einem möglichst starken Signal abdecken sollen, um dort einen flächendeckenden Empfang auch mit herkömmlichen 90-cm-Schüsseln zu ermöglichen, sind die Transponder für Internetanbindungen in der Regel auf einen möglichst breiten "Footprint" eingestellt. Das ist jene Zone auf der Erde, innerhalb der Kommunikation mit diesem Satelliten möglich ist.
Glasfasern und Satelliten
Gerade in Afrika und im Nahen Osten sind Glasfasernetze außer in urbanen Zentren Mangelware, daher benutzen die Telekoms und Mobilfunkbetreiber dort seit jeher Satelliten. Über die werden abgelegene Landesteile vernetzt, darüber laufen Telefonate, Faxe und Metadaten. Aus dem All lassen sich hier also jene Daten abgreifen, die im hochentwickelten Teil der Welt über Glasfaserkabel geroutet werden.
Glasfaserverbindungen sind der Satellitenübertragung zwar in puncto Bandbreite, wie auch bei den Signallaufzeiten weit überlegen, allerdings muss dafür auch Glasfaser vor Ort vorhanden sein.
Satellitenverbindungen lassen sich hingegen in relativ kurzer Zeit schalten, gebraucht dafür wird lediglich ein entsprechend dimensionierter Parabolspiegel und etwas Elektronik.
ORF.at/Roland Winkler
Was Satelliten vernetzen
Vernetzt werden hier also Standorte abseits jeder herkömmlichen Internetanbindung. Das ist etwa der gesamte, zivile Schiffsverkehr, dazu kommen Großbaustellen, neue Produktionstätten und Firmenniederlassungen, Öl- und Gasfelder, aber auch internationale Hilfsorganisationen und sogar Militärs. Seit Beginn des Zeitalters der vernetzten Kriegsführung ist der militärische Bedarf an Bandbreite immens gestiegen, im Krisen- oder Kriegsfall wird auch für die hochgerüsteten US-Streitkräfte Bandbreite regelmäßig knapp.
Im letzten Bosnienkrieg musste die NATO zum Beispiel zusätzliche, zivile Datenverbindungen auf den Satelliten der Eutelsat- und Astraflotten mieten, um die Videos aus Bosnien zu übertragen. Unter den "Sat-Dxern" - private Enthusiasten, die Sat-Empfang als Hobby betreiben - kursierten damals schon bald Listen, auf welchen Transpondern NATO-Videos free-to-air übertragen wurden. Über diese Sat-Transponder aus dem Zivilbereich funktionierten die bei Militärs üblichen, hochsicheren Verschlüsselungstechniken nämlich nicht.
Militärsatelliten nicht im Fokus
Die sind auch der Grund, warum mit einiger Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass Militärsatelliten Ziele der Spiegel auf der Königswarte sind. Die militärischen Datenströme sind alleine schon durch ihre starke Bündelung und Fokussierung auf ihr Zielgebiet ziemlich gut geschützt, in weiterem Umkreis davon fällt die Signalstärke rasch bis zur Unbrauchbarkeit ab.
Die Fotos zu dieser Story entstanden im Herbst 2013 eher zufällig rund um ein Herbstfeuilleton von ORF.at über Hainburg, die östlichste Stadt Österreichs
Dazu kommen die inzwischen üblichen "Spread Spectrum"-Funktechnologien, die ein Signal in einer bestimmten Reihenfolge über benachbarte Frequenzen übertragen. Ist dieser Code, der obendrein laufend gewechselt wird, nicht bekannt, wird es allein schon schwierig festzustellen, ob hier überhaupt ein Netzsignal vorhanden ist. Bei zivilen Satelliten gibt es all diese Hürden nicht, wie in der Glasfaser kommen die Datenströme im Klartext daher und sind mit ganz ähnlichen Methoden für Analysten aufzubereiten.
ORF.at/Roland Winkler
Militärs, Terroristen, VSAT-Kunden
Dazu gehört auch Internetverkehr, denn mehrere Dutzend Provider bieten sogenannte VSAT-Lösungen an. Mit relativ kleindimensionierten Sat-Antennen und Terminals lassen sich von vielen Punkten der Welt direkte Internetverbindungen schalten. Und diese Services werden gerade in den weniger entwickelten Ländern, wo der Netzausbau dem rasch gestiegenen Bedarf nicht nachkommt, auch in Zeiten der Glasfaser zunehmend genützt. Alleine der Betreiber Eutelsat hat weltweit drei Millionen Kunden, die über eine solche VSAT-Internetanbindung verfügen.
Die Eutelsat-Gruppe bietet zum Beispiel eine ganze Reihe von Breitband-Produkten für Carrierdienste und Firmnennetze bis zum einfachen Breitbandzugang an , die Variante für Endverbraucher sind VSAT-Vverbindungen über "Very small aperture terminals"
Zu den Gebieten, in denen keine Internetverbindung möglich ist, gehören natürlich alle Kriegs- oder Krisenregionen. Zu den Kunden der VSAT-Betreiber zählen damit auch Gruppen, die je nach ihrer Ausrichtung entweder als "Terroristen" oder als "Freiheitskämpfer" bezeichnet werden. Dazu kommen all jene, die über VSAT-Verbindungen rigorose Internetüberwachung und Zensur in ihren Heimatstaaten umgehen wollen. Zudem ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass auch Datenverbindungen von US-Soldaten, die im nahen Osten stationiert sind, von Nachrichtenaufklärung des Bundesheers über die Königswarte abgegriffen werden. Eine ganze Reihe von VSAT-Betreibern hat speziell an diese große Zielgruppe gerichtete Angebote.
Wie man sieht, ist der Anteil nachrichtendienstlich interessanter Daten, Personen und Regionen also bei VSAT-Verbindungen weitaus höher, als in den Glasfasern, auch ist der Datenumfang insgesamt begrenzt. Auch für kleinere Militärgeheimdienste machen daher das Abgreifen und die Verarbeitung dieser Daten Sinn. Das hatte ein anderes neutrales Land schon frühzeitig erkannt.
Das Onyx-System der Schweiz
Die Schweiz hat bereits seit dem Jahr 2000 ein System namens Onyx in Betrieb, das den Funkverkehr ziviler Satelliten in großem Stil abfängt und bis zu einem gewissen Grad auch automatisch analysiert. Die damalige Entscheidung der Schweizer Regierung, das bestehende Funküberwachungssystem in den Satellitenhimmel auszubauen, muss im Zusammenhang mit dem davor aufgeflogenen Echelon-System der USA gesehen werden.
Anders als die aktuellen NSA-Spionageaffäre blieb die Untersuchung des EU-Parlaments über das Echelon-System der NSA im Jahr 2000 weitgehend ergebnislos und fand wenig Beachtung in der Öffentlichkeit
Damals galten nämlich bereits dieselben Regeln der militärischen Datenökonomie wie heute: Nur wer selbst Daten anzubieten hat, bekommt im Gegenzug auch welche. Über besonders viele Daten verfügte nur der weltweite Echelon-Verbund der "Five Eyes"-Staaten USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada.
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Der Park aus Parabolantennen im schweizerischen Örtchen Leuk blieb von der Öffentlichkeit nicht lange unbemerkt, zumal das EU-Parlament einen Untersuchungsausschuss einberufen hatte, der sich mit dem Echelon-System befasste. Die Schweizer Regierung hatte damals lediglich erklärt, dass eine ganze Reihe anderer Staaten solche Systeme betrieben, also könne es der Schweizer Armee wohl nicht verwehrt werden, auch selbst Nachrichtenaufklärung am Satellitenhimmel zu betreiben.
Leuk und die Königswarte
Die Schweizer Station Leuk ist wie die Königswarte insgesamt nach Süden ausgerichtet, sowohl die Anzahl wie auch Dimensionen der eingesetzten Spiegel sind in etwa gleich. Von den Parabolantennen ist sie eher nach Westen gerichtet, während auf der Königswarte fast alles nach Osten blickt. Die Schweizer Spiegel greifen also jene Downlinks ab, die den Datenverkehr aus Afrika und dem nahen Osten Richtung Westeuropa übertragen. Im Visier der Königswarte wiederum liegen Satelliten, die - aus Gründen der Erdkrümmung - von der Schweiz aus kaum bis nicht mehr zu empfangen sind. Auch die ehemalige Echelon- und nunmehrige BND-Station im bayrischen Bad Aibling sieht längst nicht so weit nach Osten wie die Königswarte.
Österreich als "Tier B"
NSA
Damit ist man wieder bei der Datenökonomie, eng damit verbunden ist damit die "Tier B"-Kategorie Österreichs. Auf der Liste jener Staaten, mit denen eine "fokussierte Zusammenarbeit" besteht, findet sich neben Österreich auch die Schweiz. Alle anderen sind NATO-Staaten, wenn man vom noch-neutralen Schweden absieht, das mit der NATO längst stark verflochten ist und mehrfach einen Beitritt angekündigt hat. Südkorea wiederum gehört dem SEATO-Militärpakt an.
Wie aber kommt es zu dieser merkwürdigen Kategorisierung? Die Liste wurde ganz offensichtlich nicht nach vordergründig-politischen, sondern nach militärisch-sachlichen Kriterien erstellt. "Tier A" sind nur die "Five Eyes", während alle anderen, mit denen Daten ausgetauscht werden, in derselben B-Kategorie landen, egal ob es militärische Verbündete oder neutrale Staaten sind. Was "Tier A" von "Tier B" grundsätzlich unterscheidet, ist nämlich nicht allein Qualität und Ausmaß des Datenaustauschs. "Tier A" Staaten werden - wenigstens offiziell - von den USA nicht ausspioniert, "Tier B" Staaten jedoch sehr wohl. Das zeigt der gerade aufgeflogene Fall eines BND-Mitarbeiters, der als Doppelagent für US-Dienste gegen Deutschland spioniert hat.
Aktuell dazu auf ORF.at
Der am Mittwoch verhaftete Mitarbeiter des deutschen BND hatte noch bis vor wenigen Tagen geheime Dokumente an die CIA geliefert
"Kein Zugang zur Glasfaser in Österreich"
Was Daten von den Glasfasern betrifft, haben sowohl die Schweiz wie Österreich wenig zu bieten, was die NSA nicht ohnehin an den Glasfasern rundum abgreifen kann. Beide neutralen Länder sind umringt von NATO-Staaten, das Gros des internationalen Datenverkehrs nach und aus Österreich kann auf dem Weg zur Frankfurter Internet-Exchange im Dagger-Komplex der NSA nahe Darmstadt abgegriffen werden.
Ähnliches gilt für die Glasfaserlinks in alle anderen Richtungen. Spätestens bei der Einspeisung in die Seekabel werden diese Daten enttweder vom GCHQ oder der NSA kopiert. Das Bundesheer wiederum betont auch in der Antwort auf diese Anfrage von ORF.at erneut, dass "kein Zugang zur Glasfaser in Österreich" bestehe.
Die militärische Datenökonomie
An ausgewählte Daten kommt man aber dennoch und zwar über ein Tauschgeschäft gegen gegen selbst abgefangenes Datenmaterial. Im Fall von Österreich und der Schweiz sind dies in erster Linie Daten aus dem Satellitenverkehr. Österreich wie die Schweiz haben jeweils von der UNO angefangen die weitaus höchste Dichte an internationalen Organisationen und Diplomaten.
Alleine in Österreich gibt es für OSZE, UNO und die Republik selbst gleich drei Diplomaten in Botschafterrang der USA, insgesamt sind in Wien mehr als 17.000 Diplomaten akkredidert. Über Fluktuation und Status dieser Personen sind die Militärgeheimdienste vor Ort naturgemäß am besten unterrichtet. Auch hier gibt es also Daten, die für ein Tauschgeschäft mit den USA geeignet sind. Nach solch einfachen Regeln funktioniert die Zusammenarbeit der Militärgeheimdienste, es ist ein Datentauschring, der nach dem einfachen Prinzip des "Quid pro Quo" funktioniert.
Brisantes aus dem Onyx-System
Im April 2007 wurden die drei Schweizer Journalisten schließlich vom Vowurf des Geheimnisverrats freigesprochen. Neben den internationalen Verwicklungen ist auch bemerkenswert, dass in der Schweiz auch Zivilisten vor Militärgerichten abgeurteilt werden können.
In der Schweiz kam bereits 2006 an die Öffentlichkeit, dass es am Satellitenhimmel hochbrisante Daten abzugreifen gibt. Drei Journalisten der Schweizer Boulevardzeitung "Blick" mussten sich wegen des Verdachts auf Landesverrat vor einem Militärgericht verantworten, weil sie ein Fax veröffentlicht hatten, das vom Onyx-System abgefangen worden war.
Der Fall ging jedoch weit über die regionalen Schlagzeilen - Schweizer Heer überwacht Diplomatenpost - hinaus. Die Faxnachricht des ägyptischen Außenministeriums an die Londoner Botschaft enthielt nämlich Hinweise auf geheime Foltergefängnisse der CIA in Ägypten.
Die Journalisten wurden später freigesprochen, der Fall hatte jedoch die Affäre um die "Rendition Flights" der CIA ins Rollen gebracht, in der europaweit US-Beamte in Abwesenheit angeklagt wurden.
Ausblick
In einer Folgestory, die bereits in Arbeit ist, soll ein etwas detaillierterer Blick auf die Antennen geworfen und untersucht werden, welche Kommunikationssatelliten von der Königswarte aus überhaupt angezapft werden können.