Erstellt am: 5. 7. 2014 - 14:44 Uhr
Neue Linien legen
Urban Art Forms
Alles rund ums Festival auf fm4.orf.at/urbanartforms2014
Ein kleiner Fluchtpunkt, beschaulich, am Wasser. Die Stage unten am See war, wie so oft beim Urban Art Forms Festival, am spannendsten gebucht. Ab acht Uhr Abend stand da am Freitag auf der Bühne der Red Bull Music Academy die kalifornische Musikerin und Produzentin TOKiMONSTA hinter den Geräten. Es soll gleich verraten werden: Ihr Auftritt wird ein Höhepunkt des gesamten Urban Art Forms Festivals gewesen sein.
Sofern man sie denn kennt, dann kennt man die hochsympathische und gut gelaunte Frau TOKiMONSTA aus dem Dunstkreis der Brainfeeder-Posse rund um angejazzte Beat-Jongleure wie Flying Lotus und Teebs. Ihre eigenen putzig durch die Gegend purzelnden Produktionen führen TOKiMONSTA Richtung Niedlichkeits-Indietronica, wie sie sich in ganz ähnlicher Form beispielsweise Kollege Dntel oft zusammenfriemelt, in Gegenden von abstraktem HipHop oder vertracktem, verschachteltem Synth-Pop. Gerne auch mit Gesang, beigesteuert von Gästinnen und Gästen.
Auf Platte ist das alles ganz wunderbar und recht lieblich - vor allem die Alben "Half Shadows" und "Midnight Menu" sowie die EP "Creature Dreams" seien hier exemplarisch und ausdrücklich empfohlen. Überlegungen, inwiefern diese zerbrechlich gebauten Preziosen jedoch vor einem Publikum, das zu weiten Teilen mittlerweile den Dampfhammer internalisiert haben dürfte, bestehen können würden, durften für kurze Momente von sanftem Zweifel sorgen.
Die Antwort war simpel, kaum überraschend, zunächst ein wenig enttäuschend und letztlich doch die genau richtige: TOKiMONSTA rollte zum Urban Art Forms Festival nicht mit einer kuscheligen Live-Performance an, sondern mit einem DJ-Set, in das immer wieder kleine, eigene Beat-Arbeiten eingebaut wurden. Sogenannte DJ-Sets von Musikern oder sonst irgendwelchen Bandmenschen stehen aktuell zwar hoch im Kurs, vor allem in der Indie-Disco, leider ist die Northern-Soul-Singles-Collection des Bassisten der Wombats dann oft aber gar nicht mal so spannend.
Wenn Künstlerinnen und Künstler aus dem weiten Feld der Elektronik zu einer Performance antreten, verschwimmen die Grenzen zwischen "Live" und "DJ" ja gerne, und Frau TOKiMONSTA ist, wie man am Freitag erfahren durfte, an den Reglern über alle Zweifel erhaben. Ihr Set schlingerte elegant und mächtig zugleich zwischen Bass Musik, feinstofflicher Bastel-Elektronik, Trap und Party-HipHop. Inklusive eingestreuten Pop-Momenten.
Eine geschmackssichere, wasserdicht gebaute Abfolge, in der auch ab und zu Sirenen und schrille Reize Platz haben durften, weil TOKiMONSTA eben weiß, dass nach kurzem Bombenalarm wieder Abkühlung und Bliss folgen müssen. Dass Dauerdruckbetankung mit dem Kärcher eben stumpf macht. Nicht alle Acts, die beim beim Urban Art Forms auftreten, wissen das.
Florian Wörgötter/FM4
Florian Wörgötter/FM4
Florian Wörgötter/FM4
Es gab viele Hits zu hören, Missy Elliott, Ol' Dirty Bastard, "Breathe" von Telepopmusik, Azealia Banks, "No Diggity", alles delikat in den Häcksler geschoben, neu zusammengebaut und verquickt. Gleichzeitig war die Show von TOKiMONSTA aber kein öder Mash-Up-Overkill oder ein bloßer Staffellauf bekannter Popstandards: Die Hits funktionierten meist nur als kurze Signale, die die Künstlerin in ihre abstraktere, weirde Beat-Architektur hineinmontierte. Das alles war großartig - was auch dem Publikum nicht entging.
Dass TOKiMONSTA dabei selbst großen Spaß zu haben schien, per Fingerzeig mit den Menschen interagierte und zu derben HipHop-Tracks am imaginären Lenkrad drehte, war der ganzen Angelegenheit nicht gerade abträglich. TOKiMONSTA zu "Hard In Da Paint" von Wacka Flocka Flame mitsingen zu sehen – ein erhabener Moment. "I go hard in da motherfuckin' paint, nigga".
Auf ähnlichem Niveau stellten danach der Wiener Wonderboy salute. und der schottische ebenfalls Wonderboy Rustie HipHop, glänzende Science-Fiction-Elektronik und Salven aus der 808 in neue Zusammenhänge. Wenngleich Rusties Set ein etwas abruptes Ende fand und der junge Mann bisweilen etwas missmutig agierte. Dennoch: Party und interessante Musik, so geht das.
Auf der Hauptbühne war derweil das scheinbar immens populäre Duo Chase & Status mit kleiner Live-Band zu sehen und hören. Bombast, der aus einer seltsamen Koppelung von Dub, TripHop, Drum'n'Bass, 2-Step und Softrockpomp erwächst. An dieser Stelle versiegt die Berichterstattung aus Gründen der Höflichkeit für einen Moment.
Die vollautomatische Partyalleinunterhaltermaschine und unfehlbare Konfettikanone ist bekanntlich Fatboy Slim, der am Freitag den Headliner-Slot auf der Mainstage souverän-solide ausfüllte. Auch wenn der gute Herr mit dem von ihm präsentierten Set so oder in sehr ähnlicher Form auch schon seit über den Daumen geschätzten 15 Jahren für allgemeine Bespaßung sorgen dürfte. Fatboy Slim muss und mag niemandem oder sich selbst viel beweisen.
Ein bunt zusammengestöpseltes Potpourri aus Hits, bekannten Fragmenten, Hooks und noch ein paar Hits: Die block rockin' beats von den Brüdern im Geiste, den Chemical Brothers, "La La Land" von Green Velvet, Passagen aus "I Feel Love", Stimmen, die "Funky Beats" sagen, und freilich Diverses aus dem Norman Cook'schen Zauberkasten höchstselbst: "Right Here, Right Now", "The Rockafella Skank", "Praise You". And then some. You wanted the hits, you got them. So eine Party kann man sich einreden lassen, wenngleich ihr Überraschungspegel dem einer Show der Rolling Stones nicht unähnlich ist. "Somethin' bout those little pills/ Unreal the thrills they yield/ Until they kill a million brain cells."