Erstellt am: 3. 7. 2014 - 15:57 Uhr
Die Sprachlosen
Vor einem halben Jahrhundert haben tausende Menschen aus der Türkei ihre Heimat verlassen, um in Österreich zu arbeiten und zu leben. Während wir noch über die sogenannte 2. Generation diskutieren, wächst bereits die 3.Generation heran. Dennoch sind in Österreich besonders Menschen mit türkischem Migrationshintergrund mit Ausgrenzung und Vorurteilen konfrontiert. Stärker als andere Gruppen stehen sie unter Verdacht, sich nicht in die Gesellschaft zu integrieren oder gar „integrationsunfähig“ zu sein.

Langenscheidt
Die Angst vor falschen Signalen
Die Diskussion um die Einführung von Türkisch als Maturafach zeigt, wie weit diese Vorstellungen von „integrationsunwilligen“ bzw. „unfähigen“ Türken in der Mehrheitsgesellschaft verbreitet sind. Während man in Sprachen, wie Polnisch, Ungarisch, BKS, Russisch etc. schon jetzt problemlos maturieren kann, soll das in Türkisch nicht möglich sein. Die Politik hyperventiliert und warnt vor falschen „integrationspolitischen Signalen.“
Ähnliche Bedenken äußerten besorgte PolitikerInnen beim Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan. Auch hier witterte man eine Bedrohung für die Integration „der Türken“. Jeder Kontakt zwischen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund und der türkischen Kultur oder dem aktuellen Geschehen in der Türkei, wird als Gefahr für die Integration verstanden und soll möglichst unterbunden werden.
Unter Quarantäne
Zuhause sollen keine türkischen Medien konsumiert werden, die Eltern sollen mit den Kindern Deutsch reden und auf den Pausenhöfen soll Türkisch verboten werden. Was zurückbleibt sind Arbeitskräfte, losgelöst von ihrer Identität und ihrer Sprache. Die harte Arbeit und die Leistung sind erwünscht, aber die Menschen dahinter nicht.
Das ist die gefährliche Botschaft, die die hysterische und ideologische Diskussion um Türkisch als Maturafach, seit Jahren an die türkische Community in Österreich vermittelt. Nicht nur die Menschen kämpfen mit Vorurteilen, sondern ihre gesamte Kultur und ihre Sprache müssen immer wieder „beweisen“, dass sie wertvoll sind.
Was ist Türkisch wert?
Auch in einer Welt, in der Bildung zunehmend ökonomisiert wird, ist keine Sprache wertvoller als eine andere, aber gerade heute kann Türkisch durchaus wirtschaftlich interessant sein. Die Türkei und Österreich sind wichtige Wirtschaftspartner. Mehr als 80 Millionen sprechen Türkisch und außerdem bietet die Sprache einen Zugang zu anderen Turksprachen, die in vielen Ländern Zentralasiens gesprochen werden.
Deshalb dürfte Türkisch nicht nur für SchülerInnen mit türkischen Wurzeln interessant sein, sondern auch für alle, die Alternativen zu den gewohnten Fremdsprachen suchen. Die Einführung von Türkisch als Maturafach und das Ende dieser jahrelangen Debatte wäre auf jeden Fall ein Gewinn für die österreichische Bildungs- und Integrationspolitik.